Hamburg/Köln. Wer kennt das nicht? "Rush-hour" in der City - und wieder kein Durchkommen. Irgendwo leckt eine Leitung. Gerade werden Gräben ausgehoben. Defektes wird repariert, ausgewechselt. Und wieder mal: Stau, Streß, Gestank. Muß das denn sein? - Wenn es nach dem Wunsch der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück) geht, wird es in dieser Frage bald größere Klarheit geben. Das Kuratorium der größten Umweltstiftung Europas beschloß unter Vorsitz von Bundesbankpräsident Dr. Hans Tietmeyer, mit einem Betrag von knapp 250.000 Mark eine Untersuchung über das grabenlose Bauen und Instandhalten von Leitungen zu fördern, die die objektiven Vor- und Nachteile abwägen soll. Die Ergebnisse sollen in einer Checkliste zusammengefaßt werden, die Anwendungskriterien und deren Bewertung für Planung, Genehmigung und Vergabe von Sanierungsmaßnahmen undichter Abwasserkanäle aufzeigt. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Stiftung: "Damit werden erstmals die herkömmlichen Leitungsbauweisen den modernen, grabenlosen gegenübergestellt unter dem Gesichtspunkt einer ganzheitlichen Betrachtung verschiedenster umweltrelevanter Aspekte." Projektpartner: die Gesellschaft für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen (Hamburg) und die Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen (Köln).
Zu geringe Kenntnisse über unterirdische Sanierungstechniken
Für die Erneuerung von Leitungsnetzen werde in Deutschland nach wie vor zu rund 95 Prozent die offene Bauweise bevorzugt. Wesentliche Gründe für die bundesweit recht schleppende Ausbreitung von umweltschonenden Leitungsbauweisen seien, daß diese Ausschreibungsart heute noch geläufiger sei und die offenen Baumethoden wegen vorhandener Geräte und ungenügender Kenntnisse über die geschlossenen Baumethoden kostengünstiger angeboten würden. Die genehmigenden und vergebenden Behörden besäßen häufig zu geringe Kenntnisse über die bereits vorhandenen, unterirdischen Sanierungstechniken und setzten gleiche Bewertungsmaßstäbe für unterschiedliche Baumethoden an.
Die Projektpartner der Stiftung sähen aber nicht den Angebotspreis für die Durchführung einer Baumaßnahme als entscheidend an, sondern den Preis, den die Volkswirtschaft insgesamt zahle. So könnten bei geschlossenen Baumethoden sonst notwendige Grundwasserabsenkungen mit den Folgekosten einer Grundwasserreinigung vermieden werden. Für die Ablagerung von Aushub- und Abbruchmaterialien müsse kaum Deponiefläche in Anspruch genommen werden. Offene Baumethoden belasteten vielfach die Umwelt in einem Maß, das nicht nur Störungen und Belästigungen bereite, sondern durch geschlossene Bauweisen vermeidbar sei. In Einzelfällen zerstörten offene Bauweisen die Umwelt unwiederbringbar, beeinträchtigten benachbarte, bauliche Anlagen und unterbänden zeitweilig Verkehrsabläufe.
Checkliste liefert wichtige Daten
In der nun angestrebten Checkliste könnten für den Einzelfall anzuwendende Baumethoden und Techniken sowie die Lebensdauer der damit erstellten Bauwerke, aber auch der wirtschaftlich richtige Sanierungszeitpunkt ermittelt werden. Die komplizierten Zusammenhänge von Ver- und Entsorgungsaufgabe, Technologie des angewandten Bauvorhabens, anstehende Baugrund- und Bebauungsverhältnisse, gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, Ökologie, Anlieger- und Umweltschutz sollten mit der Untersuchung übergreifend und vergleichend erhellt werden.
Kenntnisse über Entwicklungsstand ausbauen
Dabei gehe es in starkem Maße auch um Belange der mittelständischen Bauindustrie, die häufig mit den Aufgaben des Leitungsbaus für Ver- und Entsorgung betraut werde. Diese Firmen benötigten Hilfen bei der Entscheidung über Investitionen in künftig zu erwartende Technologietrends. Brickwedde: "Die Probleme des Einsatzes grabenloser Bauverfahren sind heute in einer nicht ausreichenden Kenntnis des Entwicklungsstandes dieser Techniken zu sehen. Deshalb werden Leitungsbaumaßnahmen immer noch für die offene Bauweise ausgeschrieben. Es fehlt an geeigneten Bewertungskriterien, die auch die indirekten Kosten berücksichtigen. Die werden im Rahmen der geplanten Untersuchung entwickelt werden und eine Gesamtbetrachtung aller Faktoren einschließen."