Starke Stimme für nasse Moore

Tanneberger: Echte Option zum Erreichen der Klimaziele
Dank der am Greifswald Moor Centrum erstellten Weltmoorkarte konnte Franziska Tanneberger viele Gespräche initiieren, wie hier 2021 mit dem Moorbeauftragten der Demokratischen Republik Kongo auf der Weltklimakonferenz in Glasgow. Tanneberger wird dieses Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgezeichnet.
© Jan Peters

Text: Kerstin Heemann

Osnabrück. „Nasse Moore spielen beim natürlichen Klimaschutz eine besonders wichtige Rolle als Kohlenstoffsenke mit höchstem Technologie-Reifegrad“, sagt Dr. Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrums (GMC) beim Besuch in Greifswald. Sie wird als eine der weltweit einflussreichsten Moorforschenden und als Brückenbauerin zwischen Wissenschaft, Politik und Landwirtschaft mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgezeichnet. Tanneberger teilt sich den Preis mit dem Unternehmer Thomas Speidel, einem Pionier für die Elektromobilität. Überreicht wird die Auszeichnung am 27. Oktober in Mainz durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

„Nasse Landwirtschaft ist ein Schlüssel zu Moorschutz – und somit zu natürlichem Klimaschutz“

Lächelnd steht Franziska Tanneberger im orangen Outdoorkleid am Greifswalder Bahnhof. Sie ist eine sportliche Frau, mit kurzem braunem Haar und freundlich blickenden Augen. Zudem ist sie eine der weltweit einflussreichsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Mooren und deren Rolle beim Klimaschutz. Einen Namen hat sie sich unter anderem als Teilnehmerin auf Weltklimakonferenzen (COP) gemacht – zuletzt im vergangenen Jahr in Dubai, aber auch schon auf der COP 2021 in Glasgow: Damals lockte die am Greifswald Moor Centrum erstellte Weltmoorkarte des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) zahlreiche Gipfelgäste an. Tanneberger absolvierte viele persönliche Gespräche, etwa mit dem Moorbeauftragten der Demokratischen Republik Kongo. Dort und in anderen Ländern Afrikas sind Moore aktuell von Entwässerungsmaßnahmen für die Landwirtschaft gefährdet. „Besonders stark haben aber wir in Europa unsere Moore entwässert und geschädigt“, sagt Tanneberger. Zahlen dazu hat sie zusammen mit vielen anderen Moorkundigen im Global Peatlands Assessment zusammengestellt. „Nasse Landwirtschaft ist ein Schlüssel zu Moorschutz – und somit zu natürlichem Klimaschutz“, sagt sie. Dieser sei „eine echte Option für das Erreichen der Klimaziele“. Neben der Forschung geht es nach Tannebergers Worten um das Vermitteln positiver Zukunftsbilder zum Umgang mit nassen Mooren, das Verbessern von rechtlichen Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Perspektiven für Menschen in Moor-Regionen – aus ihrer Sicht enorm wichtig, „um wirklich zu langfristig tragfähigen Lösungen für unseren Umgang mit Mooren zu kommen“.

Rohrkolben gehören zu den Hoffnungsträgern der nassen Moornutzung. Dr. Franziska Tanneberger setzt sich unter anderem bei Landwirtinnen und Landwirten dafür ein. Am 27. Oktober in Mainz erhält die Moorforscherin den diesjährigen mit 500.000 Euro dotierten Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), den sie sich mit Diplom-Ingenieur Thomas Speidel teilt.
© Felix Amsel

Nasse Moore: Viele Dienste für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen

Vom Bahnhof aus erreichen wir nach einem kurzen Fußweg ein ehemaliges Klinikgelände mit hohen Backsteinbauten. Hier ist die Wirkungsstätte der habilitierten Wissenschaftlerin: das Greifswald Moor Centrum, das sie zusammen mit Biologin Dr. Greta Gaudig leitet. Es ist eine Kooperation zwischen Universität Greifswald, Michael Succow Stiftung und dem Verein „Duene“. Hier arbeiten etwa 100 Menschen kooperativ und kreativ an der Schnittstelle von Forschung, Politik und Praxis zum Thema Moor. An der Tür ihres Büros hängt ein Poster. Es zeigt den Seggenrohrsänger in Übergröße. Der in Wirklichkeit nur rund zwölf Zentimeter kleine und 12 Gramm leichte Singvogel hat ein beträchtliches Gewicht im Leben Tannebergers: Die Doktorarbeit über ihn war der Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere – und festigte ihre Leidenschaft fürs Moor. Denn laut Tanneberger „kommt der wunderschön singende Vogel nur in Mooren vor und ist eng an diesen Lebensraum gebunden“. Wird das Moor also entwässert, geht ihr zufolge auch seine Stimme verloren. In Deutschland ist es schon zu spät, dort ist er schon ausgestorben. Umgekehrt heißt das: Moorschutz ist Klima- und Biodiversitätsschutz zugleich. Mehr noch: „Es gibt wichtige Synergieeffekte.“ Nasse Moore dienen als Wasserspeicher, kühlen die Luft, reinigen das Wasser und sorgen für einen gesunden Nährstoffhaushalt. „Sie leisten viele Dienste für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen“, so Tanneberger.

Zwölf Zentimeter klein und nur zwölf Gramm schwer: Der Seggenrohrsänger kommt allein in Mooren vor – und hat die wissenschaftliche Arbeit von Dr. Franziska Tanneberger (Bild, hier in Polen) geprägt. Tanneberger erhält – zusammen mit Dipl.-Ing. Thomas Speidel – am 27. Oktober in Mainz den diesjährigen Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
© Privat

Die Paludikultur – Hoffnung auf umweltfreundliche und wirtschaftlich rentable Nutzung nasser Moore

Auf dem Gelände der Universität Greifswald stehen große, schwarze Pflanzkübel mit Rohrkolben. Hier werden mit modernster digitaler Technik wissenschaftliche Daten erhoben wie etwa Blattwachstum, Verdunstungsleistung und Gasflüsse. Tanneberger zeigt auf die Fläche eines abgeschnittenen Stängels: „Hier sieht man die Luftkammern. Sie sind der Grund, warum sich Rohrkolben gut als Dämmmaterial für Häuser eignen.“ Die typischen Moorpflanzen gehören zu den Hoffnungsträgern einer künftig umweltfreundlichen und wirtschaftlich rentablen Nutzung nasser Moore. Diese „Paludikultur“ steht zwar noch am Anfang. Tanneberger: „Derzeit werden aber endlich großflächig Modellprojekte auf vielen Hundert Hektar in Deutschland umgesetzt, und durch die ‚PaludiZentrale‘ umfassend wissenschaftlich begleitet.“ Parallel wird nach ihren Worten eine Nachfrage-Allianz, die sogenannte ‚PaludiAllianz‘ aufgebaut, in der 14 große Unternehmen eigene Paludikultur-Pilotprodukte entwickeln. In beiden Projekten ist sie Teil der Projektleitung. „Eine Verbindung zwischen dem Globalen und Lokalen ist immer ein großer Spagat“, sagt sie. Beides habe aber auch verstärkende Effekte. Dabei liegen ihr die Gespräche mit den Menschen vor Ort sehr am Herzen. Tanneberger: „Ich beantworte nicht jeden Telefonanruf, aber wenn sich ein Landwirt oder eine Landwirtin meldet, rufe ich immer zurück.“

Moor muss nass und nass muss schnell

Ein paar Videoaufnahmen im Freien sollen unseren Besuch abschließen, und zwar vor dem nahegelegenen Küstenmoor. Die flache vorwiegend grüne Landschaft vermittelt mit der angrenzenden Ostsee und dem blauen Himmel ein Gefühl der Weite. In der Abendsonne wiegen sich die Grashalme bei leichtem Wind wie sanfte Wellen, in der Ferne muht eine Kuh und eine Vogelschar beeindruckt mit synchronen Flugformationen – ein echter Erholungsort nahe der rund 54.000-Einwohner-Stadt Greifswald. Tannebergers Stimme ist ruhig und stark. Sie redet mit klaren Worten – und flink. Aber das passt durchaus zu ihrer Mission und dem Slogan des GMC: Moor muss nass und nass muss schnell.

Daten, Zahlen, Fakten, Hintergründe und Reportagen im DBU-Umweltpreis-Blog: https://www.dbu.de/umweltpreis/umweltpreis-blog/

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