Osnabrück. Weit weg, in der südchinesischen Stadt Kunming sind in dieser Woche die Verhandlungen zur 15. Weltnaturkonferenz der Vereinten Nationen (UN) gestartet. Es geht um die biologische Vielfalt, deren Zustand Experten weltweit als dramatisch schlecht bezeichnen. Das Artensterben ist laut Bundesumweltministerium (BMU) heute um ein Vielfaches höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Viele Ökosysteme an Land und auf den Meeren sind verloren gegangen als Folge von Landnutzung, Umweltverschmutzung und Klimawandel. „Umso wichtiger ist es, jetzt nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern mit gutem Beispiel beherzt vor Ort Maßnahmen mit Strahlkraft für den Schutz der biologischen Vielfalt umzusetzen“, fordert Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). In Deutschland heißt das laut BMU, die Auen einst begradigter Flüsse zu renaturieren, entwässerte Moore wiederzuvernässen und monotone Fichtenforste zu naturnahen Mischwäldern umzubauen.
DBU Naturerbe renaturieren, wiedervernässen und natürlich entwickeln
„Wir haben es in der Hand“, meint Bonde. So setzt sich die gemeinnützige Tochtergesellschaft der DBU, das DBU Naturerbe, auf ihren 71 Flächen mit rund 70.000 Hektar in zehn Bundesländern dafür ein, seltene Lebensräume zu erhalten und zu optimieren. Beispielhaft im Sinne des Artenschutzes ist für Bonde das Redynamisieren der Spree in Sachsen, bei der in den vergangenen Jahren auf einem fünf Kilometer langen Abschnitt insgesamt zehn verschiedene Teilmaßnahmen umgesetzt wurden, auch zugunsten des Auwaldes entlang des Flusses auf der knapp 3.300 Hektar großen DBU-Naturerbefläche Daubaner Wald. „Naturnahe Auenlandschaften gehören zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Aber nur noch neun Prozent dieser Lebensräume an Flüssen sind in Deutschland intakt. Die Spreeredynamisierung spielt der Artenvielfalt in die Karten“, betont Susanne Belting, Fachliche Leiterin im DBU Naturerbe. Nicht nur der Auwald im Daubaner Wald, sondern über 50.000 Hektar Wald auf den 71 DBU-Flächen sollen sich naturnah zu Laubmischwäldern entwickeln und langfristig sich selbst überlassen werden. „Im dichtbesiedelten Deutschland sind wilde Wälder rar und naturnahe Waldlebensräume wichtig, um beispielsweise auch Leben im Totholz für Pilze und Insekten zu erhalten“, weiß Belting.
Moorschutz ist Klima- und Artenschutz – Moorflächen forst- und landwirtschaftlich überprägt
Spezialisierte Tier- und Pflanzenarten sind es auch, die einen anderen Lebensraum zum Überleben brauchen: das Moor. Doch rund 95 Prozent der Moore in Deutschland sind entwässert, die Torfböden kommen mit Sauerstoff in Verbindung, mineralisieren und setzen Treibhausgase frei. „Wir wollen unsere Moore konsequent wiedervernässen“, so Belting. So auch auf der DBU-Naturerbefläche Borkenberge in Nordrhein-Westfalen: „Wir gehen davon aus, dass die wasserhaltende Schicht durch die Gräben im Süskenbrocksmoor zerschnitten wurde und so Wasser entweicht. Wir stauen das Grundwasser in der angrenzenden Wiese jetzt an, dass es von unten in den Torfboden drückt“, erläutert Belting. Ob die rund 90 Lehm-Plomben in den Entwässerungsgräben die erhoffte Wirkung entfalten, werde nächsten Sommer klar. Selbst wenn sich der Zustand des Lebensraumes so stabilisiert und bestenfalls erholt – es bleibt ein Tropfen auf dem heißen Stein. Belting: „Das Moor war hier früher rund 4.000 Hektar groß“. Längst ist es weit über die DBU-Naturerbefläche Borkenberge hinaus forst- und landwirtschaftlich überprägt. Einer der beiden diesjährigen Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joosten, hat bei der Preisverleihung vergangenen Sonntag für eine klimaschonende Nutzungsform geworben: Ein Landwirt könne künftig auch Rohrkolben oder Torfmoos anpflanzen, ohne dass ein Moor entwässert werde. Rohrkolben dienen etwa als Dämm- und Baumaterial, Torfmoos könne den Gartenbau revolutionieren.
Umweltpreisträgerin Böhning-Gaese macht auf Folgen des Landnutzungswandels aufmerksam
Joosten teilt sich den Deutschen Umweltpreis 2021 mit Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, die den Einfluss des Landnutzungswandels auf das Artensterben deutlich machte. Die Makroökologin kennt die Zusammenhänge: Landnutzungswandel und Klimawandel würden sich gegenseitig verstärken, mit negativen Folgen auch für Vogelarten der Wiesen, Äcker und Weiden. Feldlerchen oder Kiebitze würden unter der intensiven Landwirtschaft leiden und ihren Lebensraum verlieren. „Im DBU Naturerbe arbeiten unsere landwirtschaftlichen Pächter extensiv: Sie mähen weniger oft, maximal zweimal im Jahr, verzichten auf Düngemittel und Gülle. Durch diese Bewirtschaftung schützen wir die selten gewordenen mageren Wiesen und helfen Bodenbrütern wie dem Kiebitz, aber auch vielen anderen Tier- und Pflanzenarten“, erläutert Belting.
Belting hofft auf Ausweisung von mehr Schutzflächen und finanziell gesichertes Management
Auf das hochrangige Auftakttreffen zur Weltnaturkonferenz in Kunming in dieser Woche folgt eine Verhandlungsphase im Winter. Im April und Mai 2022 soll dann die globale Vereinbarung für den Schutz der Natur und ihre Vielfalt beschlossen werden. Ein Ziel: 30 Prozent der Fläche an Land und im Meer sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Das entspräche etwa einer Verdopplung der Schutzfläche an Land, einer Vervierfachung auf dem Meer. „Wichtig dabei ist, dass diese Schutzgebiete nicht nur auf dem Papier existieren. Nötig ist ein finanziell gesichertes Management – Naturschutzmaßnahmen müssen konsequent umgesetzt werden“, meint Belting.