Osnabrück. Etwa 350.000 Chemikalien gibt es weltweit auf dem Markt – zum Beispiel zur Herstellung von Plastik, Medikamenten oder Pflanzenschutzmitteln. Gelangen die Stoffe in die Umwelt, kann das erhebliche Folgen für Ökosysteme und die menschliche Gesundheit haben. Zur Weltchemikalienkonferenz Ende September in Bonn fordert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) einen nachhaltigeren Umgang mit Chemikalien unter anderem durch die frühzeitige Berücksichtigung der Umweltwirkungen schon bei der Entwicklung von Produkten und einen Verzicht auf problematische Stoffe.
Ressourcen effizienter nutzen: nationale und internationale Regelungen notwendig
„Damit gefährliche, langlebige Stoffe nicht in die Umwelt gelangen und die Biodiversität sowie unsere Gesundheit bedrohen, müssen wir Ressourcen effizienter nutzen – also Waren wiederverwenden und -verwerten, Abfall minimieren und Produkte so gestalten, dass sie weniger schädliche Chemikalien enthalten“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Dafür seien konsequente nationale wie globale Regelungen notwendig. „Für den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität gibt es bereits internationale Übereinkommen – das ist auch für Chemikalien notwendig“, so Bonde. Solche globalen Vereinbarungen werden bei der Weltchemikalienkonferenz vom 25. bis 29. September in Bonn diskutiert. „Die Ergebnisse sind wichtig für einen nachhaltigen Umgang mit Schadstoffen“, sagt der DBU-Generalsekretär. Deutschland mit der größten Chemieindustrie Europas stehe besonders in der Verantwortung. Mit Blick auf die Konferenz hat die DBU in ihrer Reihe #DBUdigital in einem Online-Salon mit Fachleuten über Fragen und Lösungen für ein umweltschonendes Chemikalien-Management gesprochen. Mit dabei war auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Dr. Bettina Hoffmann.
„2023 ist ein bedeutendes Jahr für die internationale Chemikalienpolitik“, sagte Hoffmann in ihrem Grußwort anlässlich des DBU-Online-Salons. „Die fünfte Weltchemikalienkonferenz in Bonn ist dabei der wichtigste Meilenstein. Wir wollen in der kommenden Woche ein Rahmenwerk für die internationale Chemikalienpolitik verabschieden. Damit werden wir bestehende Lücken im Umgang mit Chemikalien effektiv adressieren und uns auf die wachsenden künftigen Herausforderungen vorbereiten.“
Chemikalien in der Umwelt haben negative Auswirkungen auf Natur und Mensch
Die weltweit zunehmende Verschmutzung stellt neben der Klimakrise und dem Verlust der Artenvielfalt ein großes Risiko für Mensch und Natur dar. Laut Umweltbundesamt (UBA) ist die Produktion von Chemikalien weltweit seit 1950 um das 50-Fache gestiegen. Von besonderer Bedeutung sind langlebige (persistente) Chemikalien, die über lange Zeit in der Umwelt stabil sind. Dazu gehören die aufgrund ihrer schmutz- und wasserabweisenden Eigenschaften häufig in Produkten wie Pfannen, Backpapier oder Outdoor-Bekleidung verwendeten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Das Problem mit PFAS: „Wenn sie in die Umwelt gelangen, können Mikroorganismen sie nur schwer oder gar nicht abbauen“, sagt Dr. Hans-Christian Schaefer, DBU-Experte für zirkuläre Wirtschaft und Bioökonomie. Die Stoffe verschmutzen so Boden, Luft sowie Gewässer langfristig und reichern sich über die Nahrung in Tier und Mensch an. Sie werden daher auch als Ewigkeits-Chemikalien bezeichnet. Eine UBA-Studie untersuchte von 2014 bis 2017 junge Menschen in Deutschland im Alter von 3 bis 17 Jahren. Das Ergebnis: Rund ein Fünftel war zu stark mit PFAS belastet, was laut Schaefer zu gesundheitlichen Problemen wie Leberschäden oder Schilddrüsenerkrankungen führen kann. „Als Stiftung fördern wir seit vielen Jahren zukunftsweisende Projekte zur Vermeidung von Chemikalien in der Umwelt – wie das REACH Radar, mit dem Unternehmen problematische Stoffe in ihren Produkten identifizieren können, um sie dann zu ersetzen“, so DBU-Generalsekretär Bonde.
Pflanzenschutzmittel bedrohen Artenvielfalt – „Förderinitiative Pestizidvermeidung“
Neben PFAS können auch Pflanzenschutzmittel in der Umwelt großen Schaden anrichten – vor allem bei der Artenvielfalt. „Pestizide schützen landwirtschaftliche Nutzpflanzen vor Pilzbefall und ähnlichen Krankheiten; sie wirken sich aber auch auf Nützlinge wie Bienen und Hummeln aus“, so Schaefer. Zudem können die Stoffe in Flüsse und Seen oder das Grundwasser gelangen – ein Risiko für Wasserlebewesen und das Trinkwasser-Reservoir der Menschen. Mit der „Förderinitiative Pestizidvermeidung“ unterstützt die DBU innovative Vorhaben, um Pestizidrückstände in der Umwelt durch ressourcen- und energieeffiziente Pflanzenschutzmethoden zu reduzieren. „Die Projekte reichen von technischen Entwicklungen wie dem reihenbezogenen Ackerbau über neuartige Mulchstreifen bis zur Entwicklung einer Nützlingsrollwiese“, sagt Bonde.
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