Dessau-Roßlau. „Wenn der Baggerfahrer beim Gebäudeabriss von sich aus auf eine Schlingnatter aufmerksam macht und aufpasst – dann ist aus Naturschutzsicht alles richtig gelaufen“, freut sich Christoph Otto. Der Artenschutzbeauftragte der Stadt Dessau-Roßlau ist „positiv überrascht von den Ergebnissen“ der Arbeiten inmitten der Natur in der Nähe der Lukoer Straße von Roßlau. Die gemeinnützige Tochter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die DBU Naturerbe GmbH, hat als Eigentümerin dort rund 610.000 Euro in die Hand genommen, um auf 16.000 Quadratmetern der Natur entsiegelte Flächen zurückzugeben: Neun alte, ehemals militärisch genutzte Fahrzeughallen, einen Bunker, 50 Straßenlaternen sowie zwei Häuschen am früheren Schießplatz haben Arbeiter zurückgebaut. Ehrenamtliche Helfer haben in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde und mit Hilfe des Technischen Hilfswerks (THW) und der Feuerwehr Fledermausquartiere in zwei Bunkern eingerichtet. Heute feiern rund 25 Baubeteiligte den Abschluss der Umsetzung auf der DBU-Naturerbefläche Roßlauer Elbauen.
Naturschutz an erster Stelle - DBU-Tochter dankt für gute Zusammenarbeit
Im Sinne des Naturschutzes baggerten Arbeiter auch zwei temporäre Gewässer als Lebensraum für Amphibien aus, räumten einen Teich und bargen Müll. Zudem haben sie sechs Bodenplatten als Sonnungsplätze für die Schlingnatter im Gelände gelassen. „Wir haben die Fläche des Nationalen Naturerbes 2013 vom Bund übernommen. Auf den ehemals militärisch genutzten Flächen steht jetzt Naturschutz an erster Stelle. Wir danken allen Beteiligten – den Baufirmen, der Unteren Naturschutzbehörde, dem ökologischen Baubegleiter, dem Feuerwerker, dem THW, den ehrenamtlichen Helfern, und der Feuerwehr und natürlich den Bundesforstmitarbeitern – für die gute, pragmatische Zusammenarbeit“, unterstreicht Dr. H. Otto Denstorf, bei der DBU-Tochter für das Betriebsmanagement und die Koordination mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verantwortlich, den besonderen Fokus bei den Abrissarbeiten.
Rückbau in rund vier Monaten - Recyclingmaterial wird auf Fläche zwischengelagert
Von Mitte Februar bis Mitte Juni rückten Bagger, Laster und andere Maschinen aus, um den Rückbau voranzutreiben. „In dieser Woche stehen noch Restarbeiten auf dem Plan, um am Freitag vor der Feier die Abnahme durchzuführen“, erläutert Stefan Demus von der „G.U.T – Gesellschaft für Umweltsanierungstechnologien“ aus Merseburg. Zwei größere Berge und mehrere kleinere Hügel Recyclingmaterial werden erst einmal auf der Fläche zwischengelagert, bis sich ein Abnehmer findet.
Tankbehälter ruft Feuerwehr auf Plan - Experten gaben Entwarnung
An zwei Stellen buddelten die Arbeiter Müll aus: Weit über 300 Tonnen Bauschutt, Siedlungsmüll und Reste vom russischen Militär bargen sie im Wald und an einem Wall nahe der Fahrzeughallen. „Dass wir hier auf einem ehemaligen Standortübungsplatz arbeiten, ist uns dabei sehr deutlich in Erinnerung gerufen worden“, weiß der Bundesforst-Revierleiter, Daniel Andrick. „Bei den Erdarbeiten am Wall kam ein alter Lastwagen-Tankaufsatz zum Vorschein, dessen Druckanzeige noch Restmengen aufzeigte“, so der Dienstleister der DBU-Tochter vor Ort. Während der gesamten Bauzeit hatte ein Feuerwerker wegen der Munitionsbelastung auf der Fläche immer wieder den Baufirmen mit Rat zur Seite gestanden. Da dieser aber nicht ausschließen konnte, dass in dem Behälter gegebenenfalls chemische Kampfstoffe lagerten, riefen die Beteiligten den Kampfmittelräumdienst und die Feuerwehr aus Dessau-Roßlau. Zudem richtete die DBU-Tochter kurzzeitig eine Sperrzone ein und schaltete einen Sicherheitsdienst zum Schutz vor der Gefahrenstelle ein. Die Experten führten Messungen durch und schickten eine Probe an das Institut für Brand- und Katastrophenschutz (IBK). Diese gab Entwarnung: Bei der Probe handelte es sich um Dieselkraftstoff. „So ein Zwischenfall zeigt, wie wichtig es ist, Hand in Hand zu arbeiten. Wir sind froh, dass es sich nur um Treibstoff handelte und niemand verletzt wurde“, resümiert Denstorf.
DBU-Tochter setzt erste Maßnahme auf Fläche um - Leitlinien legen Naturschutzziele fest
Mit dem Rückbau hat die DBU-Tochter eine erste, eigene Maßnahme auf der Fläche umgesetzt. Wie es in den Roßlauer Elbauen in den nächsten zehn Jahren weiter geht, will die Osnabrücker Gesellschaft zukünftig in einem „Naturerbe-Entwicklungsplan“ in Abstimmung mit den Fachleuten vor Ort festschreiben. Die Zielrichtung ist klar: Leitlinien formulieren, dass sich etwa der naturnahe Laubmischwald und die Auenwälder sowie der Obitzbach und der Faule Graben natürlich entwickeln sollen. „Für Fledermäuse, Schlingnattern und Amphibien wie die Kreuzkröte ist hier attraktiver Lebensraum geschaffen worden– jetzt müssen die geschützten Tiere die neugeschaffenen Angebote nur noch annehmen“, meint Otto.
DBU-Tochter übernimmt 47 Flächen mit rund 60.000 Hektar vom Bund
Die DBU-Naturerbefläche Roßlauer Elbauen ist eine von 47 Liegenschaften der Stiftungstochter. Insgesamt hat sie 60.000 Hektar vor allem ehemals militärisch genutzte Flächen vom Bund übernommen. Auf den Flächen sollen offene Lebensräume mit seltenen Arten durch Pflege bewahrt, Wälder möglichst ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, artenarme Forste zu naturnahen Wäldern umgewandelt und Feuchtgebiete sowie Gewässer ökologisch aufgewertete oder erhalten werden.