Osnabrück. Zum 21. Mal ist der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) vergeben. Aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck nahmen heute in Osnabrück die Gründerin und Geschäftsführerin der Firma Hock (Nördlingen), Carmen Hock-Heyl (58), sowie die Vorstandsvorsitzende der Netzkauf ElektrizitätsWerke Schönau (EWS) e.G., Ursula Sladek (67), den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Die DBU würdigte damit die Preisträgerinnen für ihr ökologisches Engagement und ihren unternehmerischen Mut, Herausforderungen anzunehmen und sich auch gegen große Widerstände durchzusetzen. Öko-Dämmstoff-Herstellerin Hock-Heyl und „Stromrebellin“ Sladek hätten stets an ihren Visionen eines nachhaltigen Klimaschutzes festgehalten und sie schließlich verwirklicht, unterstrich DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann.
Mit Fachwissen und Hartnäckigkeit von eigenen Ideen überzeugt
Die „Power-Frauen“ mit „Frauen-Power“ hätten in eigentlichen Männerdomänen Mut, Engagement, Durchsetzungsvermögen, Risikobereitschaft und Beharrlichkeit bewiesen, betonte Bottermann. Mit Fachwissen und Hartnäckigkeit sei es ihnen gelungen, von der Dringlichkeit ihrer Ideen zu überzeugen und ökologische Innovationsleistungen anzuschieben. Im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie hätten sie erfolgreich agiert und seien Vorbilder für andere.
Neuestes Produkt der Firma Hock vollständig biologisch abbaubar
So habe Carmen Hock-Heyl Dämmmatten für den Hausbau aus dem nachwachsenden Rohstoff Hanf am Markt etabliert, sich gegen viele Widerstände durchgesetzt und den gesamten Prozess von der Aussaat des Hanfs über die Produktion der Dämmmatten bis zum Recycling neu aufgebaut. Seit 2006 seien „Thermo-Hanf“-Produkte auf dem europäischen Markt. Mit „Thermo-Hanf Premium“ sei die Firma Hock als mittelständisches Unternehmen Marktführer für Naturfaserdämmstoffe aus Hanf. Anstelle von Flammschutzmitteln auf chemischer Basis nutze die Firma Hock für alle Produkte natürlich vorkommende Alternativen wie Soda. Das neueste Produkt des Unternehmens, „Thermo-Hanf Plus“, sei vollständig biologisch abbaubar und werde von der Firma beim Abriss eines Hauses kostenlos zurückgenommen und möglichst recycelt. Hock-Heyl zeige, dass nachhaltiger Klimaschutz mit nachwachsenden Rohstoffen in der Bau-Branche erfolgreich funktioniere.
Nach Tschernobyl für eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung eingesetzt
Die Preisträgerin Ursula Sladek habe sich nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 für eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung eingesetzt. Aus einer Bürgerinitiative heraus sei 1994 der Ökostromanbieter EWS gegründet worden. Die „Stromrebellin“ habe sich mit ihren Mitstreitern und den EWS gegen die Hürden des damaligen Stromanbieters durchgesetzt und das Schönauer Stromnetz 1997 übernommen, um Strom aus Atomenergie durch Strom aus erneuerbaren Energien zu ersetzen. Sladek habe gezeigt, dass die Beteiligung der Bürger wichtig für ein Umsteuern in der Energiepolitik und den Klimaschutz sei. Bereits 1999, ein Jahr nach der Liberalisierung des Strommarkts, hätten sie und ihr Team in Schönau mit dem bundesweiten Stromvertrieb begonnen. Mit der Gründung der Genossenschaft Netzkauf EWS 2009 hätten die EWS auch der ökologisch motivierten Genossenschaftsbewegung in Deutschland neuen Auftrieb gegeben, so Bottermann.
Katastrophe von Tschernobyl eingeschlagen „wie eine Bombe“
Die Preisträgerinnen selbst machten in während des Festaktes eingespielten Filmbeiträgen deutlich, wie schwierig ihre Situation anfangs gewesen sei. Ursula Sladek unterstrich, dass sie ursprünglich weder besonders politisch noch besonders ökologisch gewesen sei, sondern „einfach eine besorgte Mutter von fünf Kindern“, bei der die Atom-Katastrophe von Tschernobyl eingeschlagen sei „wie eine Bombe“. Ziel sei es gewesen, Schönau zu einer atomfreien Zone zu machen. Und da der lokale Stromversorger Atomkraftwerkbetreiber gewesen sei, hätten sie und andere „Mut-Bürger“ aus einer Bürgerinitiative heraus ein eigenes Energieversorgungsunternehmen gründen wollen. Am Ende sei das gelungen – trotz massiver Attacken der Atomwirtschaft, für die nicht ihre Technik, sondern ihre Gegner der „Störfall" gewesen seien.
Bedenken und Ignoranz weckten den Kampfgeist
Mit ihrem Ziel, Häuser ökologisch mit einem nachwachsenden Rohstoff zu dämmen, der beim Verarbeiten „nicht juckt und kratzt“, gesundheitlich unbedenklich und recycelbar ist, sei auch sie anfangs nur belächelt worden, unterstrich Carmen Hock-Heyl. Doch genau das habe ihren Kampfgeist geweckt. Hanf habe viele ökologische Vorteile gegenüber anderen Dämmstoffen. Es speichere während des Wachstums sehr viel Kohlendioxid und gebe es auch nicht wieder frei, wenn es recycelt werde. Thermo-Hanf sei mit dem natürlich vorkommenden Soda imprägniert, wodurch im Falle eines Brandes keine giftigen Dämpfe freigesetzt würden. Weil „Thermo-Hanf Plus“ vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestehe, könne es nach seiner Nutzung beim Hausabriss zurückgenommen, aufbereitet und weiterverwendet werden – im Gegensatz zu synthetischen Konkurrenten. Ihre Vision sei, dass Naturbaustoffe an Bedeutung gewinnen und die Verbraucher ihre Vorurteile gegen sie abbauen. Ihr Produkt schone nicht nur Umwelt und Gesundheit, „sondern ist auch die Zukunft“.