„Nicht zuletzt durch den Umweltpreis haben wir beste Voraussetzungen“

Hermann Josef Schulte, Träger des Deutschen Umweltpreises 2003, über den von ihm entwickelten Dieselrußfilter, die Haltung der Industrie und die Zukunft der Umwelttechnik
Menden. Einer der beiden Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), des mit 500.000 Euro höchst dotierten Umweltpreises Europas, war im vergangenen Jahr der Unternehmer Hermann Josef Schulte aus dem sauerländischen Menden. Schulte wurde für die Entwicklung eines umweltfreundlichen, wartungsfreien Dieselrußpartikelfilters ausgezeichnet. Nach einem Gutachten für das Umweltbundesamt könnte der Einsatz von Partikelfiltern jährlich bis zu 19.000 Leben retten, so hoch ist die Zahl derer, die jedes Jahr an von Dieselruß ausgelösten Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen in Deutschland sterben. Rund ein Jahr nach der Preisverleihung zieht Hermann Josef Schulte positive Bilanz. Er spricht davon, dass sich für ihn als innovativen, mittelständischen Un-ternehmer mit dem Umweltpreis der DBU nicht nur viele Türen geöffnet hätten, sondern er auch besonders in politischen Kreisen verstärkt Gehör gefunden habe. Dadurch sei das Thema auch inhaltlich wesentlich vorangebracht worden. Die Träger des Deutschen Umweltpreises 2004 werden am 31. Oktober in Mainz durch Bundespräsident Horst Köhler ausgezeichnet.

Frage: Herr Schulte, im vergangenen Jahr wurden Sie für die Entwicklung eines umweltfreundlichen Dieselrußpartikelfilters mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Was hat sich seither für Sie und Ihr Unternehmen verändert?

Schulte: Der Deutsche Umweltpreis hat mir und damit dem Unternehmen HJS viele Türen geöffnet. Seit der Preisverleihung bin ich nicht mehr allein Hermann Josef Schulte, der Chef eines mittelständischen Unternehmens. Die Auszeichnung ist so bekannt und wird so wertgeschätzt, dass sie uns eine völlig andere Akzeptanz verschafft hat. Ich war Gast bei den Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/ Die Grünen zu hochkarätig besetzten Gesprächen zum Thema Dieselruß und Partikelfilter. Meine Aussagen als mittelständischer Unternehmer haben mit dieser Auszeichnung eine völlig neue Aufmerksamkeit erhalten.

Frage: Nach jahrelanger Blockade hat sich die deutsche Automobilindustrie bereit erklärt, Partikelfilter für Dieselmotoren ab 2008/2009 serienmäßig bereitzustellen, die Bundesregierung will Rußfilter ab dem kommenden Jahr steuerlich fördern. Glauben Sie, dass der Umweltpreis dazu beigetragen hat, Bewegung in Politik und Wirtschaft zu bringen?

Schulte: Ich denke, dass wir ganz erheblich zur Meinungsbildung beitragen konnten, vor allem in den politischen Kreisen. Insgesamt erinnert die Situation an die Diskussion vor zwanzig Jahren, als es um die Einführung des Katalysators ging. Heute wird der Katalysator von niemandem mehr in Frage gestellt - aber der Weg dahin war schwierig. So ist es auch bei der Einführung des Rußpartikelfilters. Die französischen Automobilhersteller waren in dieser Sache schneller. Prinzipiell beurteilen deutsche und französische Automobilhersteller den Umweltschutz sicherlich gleich: sie sind überzeugt, dass er notwendig ist. Aber die Franzosen haben vorgemacht, dass dies auch ein tolles Marketingkonzept sein kann. Natürlich kosten Filtertechniken die Hersteller Geld, aber dafür erhal-ten die Autofahrer auch ein verbessertes Produkt. Mit der richtigen Botschaft für den interessierten Kunden kann das zu einer höheren Nachfrage führen. Das ist doch die ganze Kunst: ein Produkt marketingmäßig auszurichten. Die Franzosen haben das viel besser, viel eher aufgenommen - deshalb spricht man heute beim Partikelfilter vom französischen Modell. Durch den Umweltpreis haben wir einen größeren Beitrag dazu leisten können, Umweltschutz als Verkaufsargument stärker ins Gespräch zu bringen. Sicherlich hat das auch dazu geführt, dass es zu einer Übereinkunft zwischen Regierung und der Fahrzeugindustrie gekommen ist. Die Einführung des Diesel-Partikelfilters ist ein wichtiger ökologischer Beitrag, aber die Entwicklung, Produktion und Marktumsetzung hat auch positive arbeitsmarktpolitische Auswirkungen.

Frage: Peugeot, einer der Vorreiter beim Partikelfilter, bietet trotz anderslautender PR-Kampagne nur für einige Modelle serienmäßig entsprechende Filter an. Also alles nur Werbung und nichts dahinter?

Schulte: Als Kritiker könnte man sagen: das ist eine reine Marketingaktion. In Frankreich verkaufen sie die Fahrzeuge nur im einstelligen Prozentsatz mit Filtern, dieselben Autos, die man hier serienmäßig mit Filtern ausstattet. Wieso ist das möglich? Es ist möglich, weil der Umweltschutz im deutschen Fahrzeugmarkt einen ganz anderen Stellenwert hat. Und dies ist als sehr positives Signal zu werten. Aber warum müssen wir von den Franzosen lernen, eine Nachfrage auf dem deutschen Markt mit einer entsprechenden Technologie zu befriedigen? Warum haben unsere Automobilmanager dieses Potenzial nicht ausgeschöpft? Aus der Lektion Katalysator hätten sie alles lernen können. Beim Dieselrußpartikelfilter hätte man international Vorreiter sein können, mit einem Dieselmotor, wie er nirgends in der Welt besser gebaut wird, und gleichzeitig mit modernster Abgastechnologie. Dies sind die Optionen, die wir für den Standort Deutschland in Zukunft bewusster besetzen müssen.

Frage: Was genau leistet eigentlich der Rußpartikelfilter?

Schulte: Jeder Dieselrußpartikelfilter, auch der Sintermetall-Filter aus dem Hause HJS, befreit Dieselabgase vom Ruß. Und das sehr gründlich: mit Filter erreichen wir ein fast hundert Prozent gereinigtes Abgas. Wichtig ist, dass sich der Filter auch automatisch regeneriert. Die Funktionen Filter und Regeneration ein Autoleben lang zu garantieren, ist nach wie vor eine anspruchsvolle Aufgabe für die Ingenieure.

Frage: Kritiker sagen, der Rußpartikelfilter entferne zwar Ruß, aber nicht die gefährlicheren Feinststäube, die in die Lunge gelangen und Krebs auslösen können. Es gibt Warnungen, dass die Zahl der Krebserkrankungen durch den Filter steigen könnten: durch die hohen Temperaturen, bei denen die Rußpartikel im Innern der Filter verbrannt werden, könnten sich die kleineren Stoffe leichter verbreiten.

Schulte: Diese Kritik ist unberechtigt. Das hat eine Reihe wissenschaftlicher Gutachten festge-stellt, darunter auch eine Stellungnahme des Umweltbundesamtes und eine Fraunhofer-Studie. Die modernen Filter erfassen alle Partikelgrößen, von den ganz großen bis hinunter zu den Feinststäuben. Die Studien belegen eindeutig, dass die modernen Filter in der Lage sind, alle im Abgas vorkommenden Partikel, ungeachtet ihrer Größe, zurückzuhalten und während der Regeneration zu verbrennen.

Frage: Nach einer Studie sind jedes Jahr bis zu 19.000 Todesfälle auf Dieselruß zurückzuführen. Wenn man eine makabere Hochrechnung anstellt, kommt man zu dem Ergebnis, dass allein die Neuerkrankungen an Lungenkrebs die Volkswirtschaft jährlich 2,3 Milliarden Euro kosten. Was kostet es, einen Rußfilter in ein Auto einzubauen?

Schulte: Bei einem Zwei-Liter-Motor liegen die Kosten für den Fahrzeughersteller zwischen 300 und 350 Euro. Dieser Preis gilt, sobald die Filter serienmäßig verbaut werden. Zurzeit liegt der Preis aufgrund der Anlaufkosten usw. bei etwa dem Doppelten. In spätestens zwei bis vier Jahren jedoch wird eine Filteranlage für um die 300 Euro zu haben sein.

Frage: Sie arbeiten derzeit an einem Rußfilter, mit dem man Dieselfahrzeuge nachrüsten kann. Wie tief werden Autofahrer dafür in die Tasche greifen müssen? Lohnt sich eine solche Investition für die Dieselfahrer?

Schulte: Zunächst einmal: Es ist technisch ohne weiteres möglich, einen Filter nachträglich einzubauen, der genauso effektiv arbeitet wie ein Filter in einem Neuwagen. Die Nachrüstsysteme, die wir Retrofitsysteme nennen, bieten also dieselbe Umweltentlastung wie serienmäßig eingebaute Filter, die ab 2005 steuerlich begünstigt werden. Wir können deshalb davon ausgehen, dass auch nachgerüstete Dieselfilter vom Bund gefördert werden. Dies vorausgesetzt, würde sich die Nachrüstung für jeden einzelnen Dieselfahrer wirtschaftlich lohnen - unabhängig davon, dass sie sich für die Umwelt und damit für jedermann ohnehin auszahlt. Wenn wir alle sieben Millionen Dieselautos, die wir heute in Deutschland haben, mit Filtern nachrüsten würden, könnte man den Rußausstoß um mehr als 5.000 Tonnen jährlich reduzieren. Aber ich will nicht verschweigen, dass ein nachträglicher Filter viel teurer ist. Denn ein nachgerüstetes System muss völlig autark sein. Es kann nicht auf bereits vorhandene Elektronik oder ein entsprechendes Motormanagement zurückgreifen. Deshalb rechnen wir mit etwa 1.000 Euro bei einem Pkw mit zwei Liter Hubraum. Es gibt Überlegungen, einen Filter anzubieten, der weniger kostet, dafür aber auch weniger leistet und nur die Hälfte der Partikel filtert. Ein solcher Filter ließe sich unkomplizierter einbauen - und man käme vielleicht mit rund 600 Euro zurecht.

Frage: Lange, bevor sich die Industrie dafür interessierte, haben Sie Katalysatorsysteme und Dieselrußfilter entwickelt. Ihnen ist es gelungen, mit Mut und innovativer Umwelttechnik ein mittelständisches Unternehmen zum Erfolg zu führen. Ist das Thema Umwelt vielleicht der Schlüssel zum Erfolg für die Wirtschaft in Deutschland, gerade auch in Bezug auf Arbeitsplätze?

Schulte: Die Industrie hat lange gesagt: Lass den Schulte mal seinen Filter entwickeln. Wir machen das innermotorisch. Für Jahre wurden wir mit unseren Ergebnissen nicht ernst genommen. Wir haben aber weiter gemacht, weil wir absolut überzeugt waren, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen hatten. Der Umweltpreis an HJS hat uns Anerkennung und Bestätigung gegeben. Geschäftlich beginnen unsere langjährigen Entwicklungsarbeiten auf diesem Sektor Früchte zu tragen. Ich bin in Wirtschaftskreisen aktiv, beispielsweise im Arbeitgeberverband und der Industrie- und Handelskammer. Überall dort spüre ich heute eine ganz andere Beziehung zum Umweltschutz, der langsam jedem Unternehmer in Fleisch und Blut übergeht. Und das ist gut so, denn der Umweltschutz ist eine ganz wichtige, eine elementare Voraussetzung für eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ausrichtung des Standortes Deutschland. Ich freue mich, wenn wir von HJS vielleicht über unsere Produkte und unsere Strategie dazu einen Beitrag leisten konnten und auch in Zukunft einbringen können.

Frage: Sind die Mittelständler im Umweltschutz fitter als die Großunternehmen?

Schulte: Ich glaube nicht. Es kommt wohl eher auf die Persönlichkeiten an, die ein Unternehmen prägen. Mit der Größe eines Betriebs hat das wenig zu tun. Nehmen Sie das Haus Siemens oder Bosch - dort hat die gesellschaftspolitische Verantwortung einen beispielhaften Stellenwert.

Frage: Was ist Ihre unternehmerische Vision für die nächsten Jahre?

Schulte: Ich bin jetzt 57 Jahre alt, habe drei Töchter und einen Sohn. Der Junior bereitet sich darauf vor, in einigen Jahren in das Unternehmen zu kommen. Meine Gedanken kreisen darum, ob wir unsere Aufgaben als mittelständisches Unternehmen in Zukunft überhaupt noch leisten können. Dieselmotoren sind weltweit im Einsatz. So entsteht für unsere Technologie ein Weltmarkt. Experten schätzen das Marktvolumen für 2010/2011 auf eine Größenordnung von deutlich mehr als eine Milliarde Euro. Wenn man als Mittelständler in solchen Märkten eine Rolle spielen will, muss man mehr als zehn Prozent davon im Griff haben. Damit stößt man in Größenordnungen vor, wo man kein typischer Mittelständler mehr ist. Insofern geht es bei uns zurzeit um die Fragen: Wie stellen wir uns für zukünftige Aufgaben auf? Brauchen wir strategische Allianzen? Können wir diese Entwicklung wirtschaftlich gesund mitgehen? Wir haben eine solide Basis. Bei der Neuausrichtung ist gerade auch der Umweltpreis eine großartige Referenz. Ich bin sicher, wir werden für unser Unternehmen den richtigen Weg einschlagen.

Frage: Sie sprechen den Weltmarkt an - wie schätzen Sie die Einstellungen zum Umweltschutz in Ländern außerhalb Europas ein?

Schulte: Mancher würde sich wundern, wie stark der Umweltschutz außerhalb Europas ist, zumindest bei Kraftfahrzeugen. Grundsätzlich gilt die Formel: dort, wo es wenig Individualverkehr gibt, weil den Menschen die finanziellen Voraussetzungen fehlen, existieren viele öffentliche Verkehrsmittel. In der Regel haben diese Länder zugleich mit heftig und schnell wachsenden Metropolen zu kämpfen, in denen es eine hohe Schadstoffbelastung gibt. Die Kommunen müssen handeln und wollen mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie zum Beispiel ihre Busse mit Filtersystemen ausrüsten lassen. In Chile, wie auch in anderen Länder Südamerikas, müssen Busse über einen Partikelfilter verfügen. In Nordamerika und Japan gibt es eine breit angelegte Aktivität in Bezug auf Dieselpartikelfilter, ebenso in Korea und China, hier besonders mit Blick auf die nächsten olympischen Spiele 2008 in Peking. Heute ist der Benzinmotor weltweit ganz selbstverständlich nach dem Stand der Technik mit einem Katalysator ausgestattet. In einigen Jahren ist im globalen Markt jeder Dieselmotor mit einem Filter ausgestattet. Ich hoffe, HJS ist dabei häufig vertreten. Nicht zuletzt durch den an uns verliehenen Deutschen Umweltpreis haben wir beste Voraussetzungen.



Das Unternehmen HJS

Sitz des Unternehmens HJS ist seit Gründung im Jahre 1976 Menden (Sauerland). Weitere Standorte sind Donzdorf (Kreis Göppingen) und Port Elizabeth (Südafrika) mit insgesamt 360 Mitarbeitern. Allein für die Nachrüstung von PKW hat HJS seit Beginn der Katalysator-Produktionen ca. 700.000 Nach- und Umrüstsysteme produziert und vermarktet. Mit der Übernahme des Schalldämpfer-Herstellers Schmid in Donzdorf erwarb HJS eine ergänzende wichtige Kerntechnologie, um komplette Abgassysteme entwickeln und fertigen zu können. Im Jahre 1992 begann das Entwicklungsteam von HJS mit dem Konzept eines Rußpartikelfilters in Zusammenarbeit mit dem schwäbischen Unternehmen SHW in Aalen (Württemberg). Später übernahm HJS dieses Projekt vollständig. Der Filter, aufgebaut auf Sintermetall, ist serienreif entwickelt. Ausgerichtet auf die fahrzeugspezifischen Anforderungen bietet das Konzept ein hohes Potenzial mit einem Partikelfilter-Effekt von nahezu hundert Prozent bezogen auf alle Partikelgrößen. Das System ist ganzheitlich auf Metallbasis ausgelegt und somit in vollem Umfang recycelbar. HJS hat mittlerweile mit dem Unternehmen Robert Bosch (PKW) weltweit gültige Lizenzverträge für die Erstausrüstung von PKW und leichten Nutzfahrzeugen für diese Filter-Technologie abgeschlossen. Mit dem englischen Unter-nehmen Johnson Matthey (JM) kooperiert HJS seit neun Jahren höchst erfolgreich. Die aus dieser Verbindung resultierenden Partikelfiltersysteme werden vornehmlich an Bushersteller bzw. -gesellschaften verkauft, um die besonders innerstädtisch eingesetzten Fahrzeuge "rußfrei" betreiben zu können. Darüber hinaus hat HJS den City-Filter entwickelt, der ab 2005 für die PKW-Nachrüstung angeboten werden wird.
Hermann Josef Schulte (r.) im Gespräch mit Franz-Georg Elpers und Astrid Deilmann von der DBU: "Der Umweltpreis hat uns viele Türen geöffnet."
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Hermann Josef Schulte, Umweltpreisträger 2003, im Interview: "Umweltschutz ist eine elementare Voraussetzung für eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ausrichtung des Standortes Deutschland."
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Präsentiert den Partikelfilter aus Sintermetall: Hermann Josef Schulte.
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