Osnabrück. Einer der größten deutschen privaten Waldbesitzer entlässt seine Wälder schrittweise in eine natürliche Entwicklung. Die gemeinnützige Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), das DBU Naturerbe, entwickelt Naturwälder von morgen. „Etwa ein Drittel unserer rund 55.000 Hektar großen Wälder haben bereits eine naturnahe Struktur und breite Artenzusammensetzung, so dass wir sie inzwischen sich selbst überlassen und keinen Waldumbau mehr betreiben“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde am Tag des Waldes (21. März). Damit flankiert das DBU Naturerbe ein Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, indem fünf Prozent der deutschen Waldfläche einer natürlichen Entwicklung überlassen werden sollen.
Verkehrssicherung und Waldbrandvorsorge bleiben als Aufgabenfelder
„Wer aber glaubt, dass wir irgendwann mit unserem Wald nichts mehr zu tun haben werden, der irrt. Nicht nur etwa die Verkehrssicherung der Wege sowie die Waldbrandvorsorge erfordern kontinuierliche Arbeit, sondern auch sogenannte Sonderbewirtschaftungsflächen, die wir weiter pflegen“, weiß Bonde. Kulturhistorische Waldweiden, Eichenwald-Lebensräume oder naturnahe Waldränder gehören zu den Waldbildern, bei denen dauerhaft Eingriffe zum Erhalt notwendig seien.
Der Weg zum ‚Naturwald von morgen‘ ist lang
„Die allermeisten Wälder in Deutschland werden forstwirtschaftlich genutzt. Wir geben auf unseren 66 Flächen dem Naturschutz Vorrang“, betont Bonde, der am 13. März für sein Naturschutz-Engagement mit der Goldenen Tanne der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) ausgezeichnet wurde. Die meisten DBU-Naturerbeflächen wurden ehemals militärisch genutzt, bevor sie die Stiftungstochter ab 2008 vom Bund übernahm. Oft dominierten strukturarme Nadelholzbestände, die beispielsweise den Soldaten bei ihren Übungen als Sichtschutz dienten. „Der Weg zum ‚Naturwald von morgen‘ ist lang. Indem wir Nadelhölzer oder standortfremde Bäume entnehmen und für vereinzelte Laubbäume zwischen Kiefern oder Fichten Licht schaffen, beschleunigen wir den Prozess zu mehr Naturnähe“, erklärt Bonde. So käme es auch im DBU Naturerbe vor, dass beispielsweise am Wegesrand aufgestapelte Nadelholzstämme lägen. Nicht geordnet verbleibt Totholz im DBU Naturerbe im Wald. „Mancherorts werden unsere Wälder daher als unaufgeräumt empfunden“, so Bonde. Totholz spiele aber für die biologische Vielfalt eine wichtige Rolle. Es gibt auf den Absterbeprozess spezialisierte Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die Totholz als Lebensraum brauchen.
Eichenwald-Lebensräume – ein Kulturgut mit Pflegebedarf
„Ohne menschliche Eingriffe würde ein Eichenbestand auf vielen Waldstandorten hingegen nicht als solcher zu halten sein“, weiß Susanne Belting, Fachliche Leiterin im DBU Naturerbe. Um diesen lichtbedürftigen Eichen ausreichend Raum zu geben, werden im DBU Naturerbe vereinzelt schattenwerfende Laubbäume entnommen. „Es ist schwer, auch wertvolle Buchen zwischen den Eichen zu fällen. Aber diese Eichenwälder stehen unter europäischen Schutz, so dass wir die gemeldeten Flächen erhalten und optimieren müssen“, erklärt Belting.
Waldweide – Licht und Raum für mittelalterlichen Hutewald
Die prägende Baumart in sogenannten Hutewäldern ist ebenfalls die Eiche. Im Mittelalter wurden Nutztiere zur winterlichen Mast auf diese Waldweiden getrieben. In den lichtdurchfluteten Wäldern wuchsen vorzugsweise großkronige Eichen, die im Herbst ihre nährstoffreichen Früchte zu Boden warfen – ein ideales Futter für Schweine. Durch Fraß, Tritte, Scharren und Wälzen sorgten die Tiere dafür, dass junge Birken oder Kiefern zurückgedrängt wurden und erhielten den Lebensraum für Vögel wie Wendehals und Kleintiere wie Hirschkäfer. Waldweiden sind heute selten geworden. Im DBU Naturerbe gibt es noch rund 1000 Hektar. „Auf der DBU-Naturerbefläche Hainberg in Bayern prägen knorrige Solitäreichen das parkähnliche Landschaftsbild. Neben der Beweidung mit Ziegen und Schafen müssen wir regelmäßig Altkiefern fällen sowie die Krautschicht zurückschneiden, um dieses Waldbild zu schützen“, verdeutlicht Belting.
Waldränder – neuer Lebensraum zwischen Wald und Offenland
„Dort, wo der dichte Baumbestand endet hört das Waldleben nicht auf“, weiß Belting. Denn ein Wald, der nicht abrupt aufhört, sondern fließend in das Offenland leitet, ist wertvoll. „Naturnahe Waldränder schlagen eine sanfte Brücke zwischen Wald und offener Kulturlandschaft und schaffen gleichzeitig einen neuen, sehr artenreichen Lebensraum“, erklärt Belting. Vogelarten wie Baumpieper, Schmetterlinge wie Schillerfalter sowie Fledermäuse finden in den stufigen Übergängen mit niederwüchsigen Bäumen und Sträuchern Entfaltungsräume – ein wahrer Hotspot für die biologische Vielfalt. Um stufige Waldränder zu schaffen oder zu erhalten, werden im DBU Naturerbe dichte Gehölzstreifen gelichtet und Totholz an Waldrändern liegen gelassen.