Bonn. „Landwirtinnen und Landwirte haben eine große Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen. Hierbei müssen sie zunehmend auf unterschiedliche Nachhaltigkeitsansprüche aus Gesellschaft, Politik und Verwaltung sowie von zahlreichen Akteuren der Lebensmittelbranche reagieren. Was fehlt, ist ein einheitlicher und allgemein akzeptierter Nachhaltigkeitskodex der Landwirtschaft, der Umwelt-, Tierschutz-, Wirtschafts- und Sozialstandards gleichermaßen berücksichtigt“, sagte Johannes Remmel, Agrarminister von Nordrhein-Westfalen, heute in der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Dies soll mit dem nun startenden Projekt gelingen, bei dem die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in enger Zusammenarbeit mit dem Bonner Institut für Tierwissenschaften (ITW) und weiteren Projektpartnern einen Nachhaltigkeitskodex der Landwirtschaft entwickeln werde. Die DBU fördert das Projekt fachlich und finanziell mit 612.890 Euro.
Ohne umfassendes Bewertungssystem Nachhaltigkeit nicht möglich
„Um Nachhaltigkeit zu erreichen, ist es erforderlich, die Produktivität der Böden und die Artenvielfalt dauerhaft zu bewahren und Umweltbelastungen auf ein unvermeidbares Maß zu beschränken. Ebenso gilt es, Tiere artgerecht zu halten sowie die ökonomische Existenzfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe sicherzustellen und damit den in der Landwirtschaft tätigen Menschen gerechte und zufriedenstellende Lebensbedingungen zu garantieren“, erläutere Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der DBU, die umfangreichen Anforderungen, die eine nachhaltige Landwirtschaft mit sich bringe. Dies sei ohne ein umfassendes Bewertungssystem nicht möglich. In engem Schulterschluss mit der Praxis sollen aussagekräftige, praxistaugliche und in die betriebliche Datenerhebung integrierbare Nachhaltigkeits-Indikatoren beschrieben und erprobt werden.
Auf dem „dritten Weg“ zur nachhaltigen Landwirtschaft
Die Herausforderung für den nun zu formulierenden Nachhaltigkeitskodex liege darin, alle Akteure mit einzubeziehen. Denn je vielschichtiger die Ansprüche und je zahlreicher die Partner seien, desto unterschiedlicher werde auch der Begriff Nachhaltigkeit wahrgenommen und praktisch umgesetzt. „Ohne ein einheitliches Leitbild wird die Wirksamkeit verwässert, was letztendlich die Verbraucher verunsichert. Nur eine breite Anwendung führt zum Erfolg, die auf Fakten basiert und transparent ist, so dass sie auch von Verbrauchern verstanden wird“, so Bottermann weiter. Er sehe die Entwicklung eines Nachhaltigkeitskodexes, der alle Akteure an einen Tisch hole, als ersten Schritt auf dem „dritten Weg einer nachhaltigen Landwirtschaft“. Wie von der DBU vorgeschlagen werden hierbei die Vorteile sowohl von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft zusammengebracht. Besonders hervorzuheben sei, dass nun auch Tierschutzindikatoren mit berücksichtigt werden.
Erprobung mit 60 landwirtschaftlichen Betrieben
Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum, geschäftsführender Direktor des ITW, erläuterte die drei Phasen des Projekts: „Das Projekt wird an bereits bewährte Nachhaltigkeitsstandards anknüpfen. In der ersten Phase geht es darum, Elemente und Indikatoren einer nachhaltigen Landwirtschaft in einem breiten Dialog mit Wissenschaftlern und Landwirten zu entwickeln. In der zweiten Phase soll der Stand der Nachhaltigkeit auf rund 60 typischen landwirtschaftlichen Betrieben angeschaut werden. Und das bereits mit den Indikatoren, die in der vorangegangenen Stufe bestimmt wurden.“ Mit diesen Daten und Erfahrungen werde in der dritten Phase der Nachhaltigkeitskodex noch präziser definiert. Wichtig sei hierbei, dass ein Instrument entwickelt werde, das in die übliche landwirtschaftliche Arbeit integriert werden kann, so der Professor. „Innovativ ist, dass die Anforderungen so beschrieben werden sollen, dass Entwickler und Anbieter von Branchensoftware die Projektergebnisse direkt anwenden können. So wird der Kodex auch in andere Sparten und Branchen übertragbar“, so Südekum.
Durch Netzwerk flächendeckender Einsatz
Die Betriebe, auf denen die Nachhaltigkeitsindikatoren erprobt werden, sollen künftig den Kern eines Netzwerks „Nachhaltige Landwirtschaft“ bilden. Politik, Landwirtschaftskammern, die beteiligten landwirtschaftlichen Verbände und die Wissenschaft unterstützten die Betriebe hierbei in ihrer Pionierfunktion. „Mit diesem Meilenstein bestehen gute Aussichten für den Nachhaltigkeitskodex, auch in Zukunft auf eine breite Akzeptanz zu stoßen und flächendeckend eingesetzt zu werden“, erklärte Südekum die Erfolgsaussichten. Für das Erarbeiten der fachlichen Ergebnisse sind die Projektpartner ITW, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, Fachhochschule Südwestfalen und Landwirtschaftskammer NRW zuständig. Auf breiter Basis werden sie dabei unterstützt von der Hochschule Rhein-Waal, der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Nordrhein-Westfalen, dem Verband der Landwirtschaftskammern, hier vertreten durch die Landwirtschaftskammer NRW, dem Rheinischen Landwirtschafts-Verband und dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband.
Ansprechpartner zum Projekt (AZ 33534): Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum, Tel.: 0228/732287