Osnabrück. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) – mit 2,39 Milliarden Euro Stiftungskapital eine der größten Umweltstiftungen Europas – ruft zu einer Wärmewende und einem Paradigmenwechsel in der Energieversorgung auf, um den energiepolitischen Herausforderungen standzuhalten. „Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Lage dramatisch verschärft“, sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde heute (Montag) auf der Jahrespressekonferenz (JPK) der Stiftung. „Wir müssen schneller als geplant handeln. Die DBU will mit Lösungsoptionen zu einem Erfolg beitragen“, so Bonde.
Im Kampf gegen die Klimakrise und als zukunftsweisend für Energieversorgung, Energiesicherheit sowie bei der Abkehr von fossilen Energieträgern schlägt Bonde eine dreistrahlige Strategie vor: „Neben dem wichtigen beschleunigten Ausbau regenerativer Energien wie Wind, Wasser und Sonne müssen wir uns viel mehr als bisher um das Energiesparen und vor allem um Energieeffizienz kümmern“, so Bonde. „Das alles birgt großes Potenzial. Diese Energie-Schätze müssen wir heben. Die Sanierung alter Gebäude spielt dabei eine Riesen-Rolle.“ Und: Selbst Kaffeeröstung kann bei der Energieeffizienz behilflich sein. Die DBU fördert ein solches Projekt.
Dringender Handlungsbedarf beim Ausbau erneuerbarer Energien
Der Handlungsbedarf beim Ausbau erneuerbarer Energien (EE) ist groß, so DBU-Abteilungsleiter Felix Gruber. Strom, Wärme und Verkehr in Deutschland brauchen rund 2277 Terawattstunden (TWh). Eine TWh sind eine Milliarde Kilowattstunden (kWh). Gruber: „Bislang haben erneuerbare Energien daran einen Anteil von 437 Terawattstunden, also lediglich 19,2 Prozent.“ Dazu DBU-Generalsekretär Bonde: „Wir müssen gemeinsam anpacken, um diesen Wert zu erhöhen, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase (THG) wie Kohlendioxid drastisch zu senken und am besten ohne fossile Energieträger wie Kohle und Gas Energieversorgung und -sicherheit zu gewährleisten.“
Enorme Einsparpotenziale im Industrie- und Gebäudebereich
Hintergrund dieses Appells sind auch die Pläne der Politik, wonach Deutschland bis 2030 den THG-Ausstoß um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern soll und ebenfalls bis 2030 allein beim Stromverbrauch ein EE-Anteil von 80 Prozent angepeilt wird. Gruber: „Wir können das schaffen, die DBU skizziert mit verschiedenen innovativen Projekten Lösungswege – sowohl in Kooperation mit bereits etablierten Betrieben als auch mit jungen Start-ups.“ Es gebe „enorme Einsparpotenziale“ sowohl im Industrie- als auch im Gebäudebereich. Gruber nannte drei Lösungswege: Effizienzmaßnahmen, technische Weiterentwicklungen und Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI).
Paradigmenwechsel bei der Energieversorgung
Der DBU-Abteilungsleiter verwies dabei auf eine Voraussetzung: „Ein Paradigmenwechsel bei der Energieversorgung in Deutschland ist unabdingbar. Die jetzigen Netze reichen in ihrer Trägheit nicht mehr aus.“ Dazu Bonde: „Künftig wird sich der Energieverbrauch an der Energieproduktion orientieren müssen. Und es gilt, die unteren Netzebenen zu ertüchtigen – etwa durch KI, Steuerung und Sensoren.“ Das seitens der DBU mit rund 395.000 Euro geförderte Vorhaben „NetzWind“ solle zum Beispiel Energieversorgungsnetze stabilisieren und bei Spannungsschwankungen einen sogenannten Schwarzstart ermöglichen – also wie bei einem Kaltstart ein Netz aus dem Nichts wieder in Gang bringen. Technologischer Fortschritt ist Teil eines anderen frischen DBU-Förderprojekts: Mit fast 235.000 Euro unterstützt die Stiftung die Entwicklung von verbesserter Aerodynamik bei Windturbinenblättern, um Anlagenleistung und -effizienz zu steigern. Und sogar Kaffeerösterei kann zur Energieeffizienz beitragen – bei einer weltweit geernteten Menge von rund zehn Millionen Tonnen Kaffeebohnen ein herausragender Wirtschaftsfaktor. Gruber: „Der Röstprozess soll mit neuen Messmethoden optimiert werden.“ Die Aussicht: Minimierung des Energieverbrauchs um 25 Prozent, verminderte Abluftbelastung und keine Fehlröstungen mehr. Die DBU fördert mit 289.000 Euro.
„Wir müssen ran an den alten Gebäudebestand“
„Wir wollen Türen für Neues öffnen, das Alte aber nicht vernachlässigen“, sagte Bonde. Bestes Beispiel dafür sei der Bausektor. DBU-Referatsleiterin Sabine Djahanschah: „Holz ist ein Baustoff der Zukunft – nachhaltig für mehr Umwelt- und Klimaschutz. Deshalb fördern wir mit rund 492.000 Euro in der Hamburger Hafencity den Bau des höchsten Holzhochhauses Deutschlands. Aber wir müssen auch ran an den alten Gebäudebestand, die umfassende Kreislaufwirtschaft muss zur Leitidee im Bauwesen werden.“ Aus gutem Grund: Fast zwei Drittel der Gebäude bundesweit wurden vor 1977 errichtet – also bevor per Wärmeschutzverordnung Dämmung von Dächern, Wänden und Kellerdecken vorgeschrieben wurde. Ziel der Bundesregierung sind aber klimaneutrale Gebäude in Deutschland bis 2045, also ohne THG-Ausstoß. In der Europäischen Union (EU) sind laut EU-Kommission Gebäude für 40 Prozent des Energieverbrauches und etwa ein Drittel der THG-Emissionen verantwortlich. Das Einsparpotenzial im Gebäudesektor sei riesig, so Djahanschah: „Der Heizwärmebedarf bei Mehrfamilienhäusern kann zum Beispiel durch Sanierung von Gebäudehülle und Haustechnik auf ein Zehntel reduziert werden – von rund 250 auf 25 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr.“ Von Sanierungsmaßnahmen in Nürnberg über das Start-up Lumoview bis hin zur energetischen Sanierung des Gymnasiums Sonthofen: Alle DBU-Förderprojekte leisten einen Beitrag zu mehr Energieeffizienz.
Hinweis: Die DBU-JPK 2022 auch unter https://www.dbu.de/@YoutubeJahresPK2022