Göttingen. Die Männchen unter den Tilapien, den afrikanischen Buntbarschen, geben Gas. Sie wachsen doppelt so schnell wie ihre weiblichen Artgenossen. Für die Fischproduktion macht sie diese biologische Besonderheit zum bevorzugten Geschlecht. Denn so lässt sich der beliebte Speisefisch schnell erzeugen. Doch wird dafür in manchen Ländern zu umweltbelastenden Methoden gegriffen – etwa zur Verfütterung von männlichen Hormonen. Gelangen diese in Oberflächengewässer, beeinträchtigen sie andere Lebewesen. Die Abteilung Aquakultur und Gewässerökologie der Georg-August-Universität Göttingen erforscht daher ein Verfahren, bei dem mittels Steuerung der Wassertemperatur die Produktion von männlichen Tilapien begünstigt wird. Die Deutsche Bundesstiftung (DBU) fördert das Projekt mit 209.000 Euro. „In Zeiten, in denen die Weltmeere überfischt und die Artenvielfalt gefährdet sind, müssen wir nach neuen Wegen für einen nachhaltigen Fischkonsum suchen“, sagt DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde.
Mehr als zwei Millionen Tonnen der afrikanischen Buntbarsche 2007 weltweit produziert
Fisch gehört zu den beliebtesten Speisen. Rund 16 Kilo essen deutsche Bürger laut Fisch-Informationszentrum durchschnittlich im Jahr – Tendenz steigend. Auch Tilapia – in den USA bereits ein Renner auf den Speisekarten – ist hierzulande immer gefragter. Mehr als zwei Millionen Tonnen der afrikanischen Buntbarsche wurden 2007 weltweit produziert. Da sie sich größtenteils pflanzlich ernähren und zudem noch robust und nicht besonders krankheitsanfällig sind, gehören Tilapien auch zu den bevorzugten Zuchtfischen. Doch dass bei ihrer Produktion nicht immer zu umweltschonenden Methoden gegriffen wird, zeigten Aquakulturbetriebe in Asien und Nordamerika, so Brickwedde.
Für Tilapiaproduktion Männchen aus ökonomischer Sicht rentabler
In vielen Zuchtanlagen würden dort an Tilapien männliche Hormone verfüttert. „Damit möchte man die Geschlechtsausbildung, die sich bei den frisch geschlüpften Tieren noch beeinflussen lässt, in die gewünschte Richtung lenken“, erklärt Prof. Dr. Gabriele Hörstgen-Schwark von der Universität Göttingen. Der Grund: „Die weiblichen Tiere dieser Spezies brüten ihre Eier zum Schutz vor Feinden im Maul aus. Währenddessen können sie keine Nahrung aufnehmen – im Gegenteil zu ihren männlichen Artgenossen, die dadurch etwa doppelt so schnell wachsen.“ Für die Tilapiaproduktion seien die Männchen aus ökonomischer Sicht also rentabler. Das Problem: „Gelangen die Hormone in die Umwelt, etwa durch die unsachgemäße Entsorgung des Wassers aus den Produktionsanlagen, können andere Lebewesen durch die Medikamente negativ beeinflusst werden“, so Hörstgen-Schwark.
100 Prozent hormonfreie Produktion von Tilapien als Ziel
Die Professorin und ihr Forscher-Team arbeiten daher in Kooperation mit dem Unternehmen Fisch und Wasser GmbH Oelzschau (bei Leipzig) an einer nachhaltigen Alternative. „Wir wollen ein Verfahren entwickeln, das die männliche Produktion von Tilapien unterstützt – allerdings 100 Prozent hormonfrei“, so Georg Stähler, Geschäftsführer von Fisch und Wasser. Dazu werde auf einen natürlichen Vorgang zurückgegriffen: „Auch die Wassertemperatur kann die männliche Geschlechtsausbildung beeinflussen“, sagt Hörstgen-Schwark. „Unser Ansatz ist, die frisch geschlüpften Larven in warmes Wasser von rund 36 Grad zu lenken.“ Nach etwa zehn Tagen sei die Ausprägung des Geschlechts der Tilapien abgeschlossen, und die Tiere könnten in das normal temperierte Wasser zurückgesetzt werden. „Wie sich eine solche Methode in der Praxis umsetzen lässt, und ob diese Tilapien die gleiche Qualität wie ‚normale’ Männchen haben, müssen wir jetzt erproben“, so Stähler.
UBA-Chef Flasbarth: Ab 2050 keine kommerzielle Meeresfischerei mehr möglich
Die Überfischung der Weltmeere und Bedrohung der Artenvielfalt gehört zu den aktuell dringenden ökologischen Problemen. Laut Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), ist bei den derzeitigen Fangmengen einer Studie zufolge vom Jahr 2050 an keine kommerzielle Meeresfischerei mehr möglich. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung und damit der Bedarf nach tierischem Eiweiß. „Aquakultur gewinnt in diesem Zusammenhang zunehmend an Bedeutung“, erklärt Brickwedde. „Sie ist aber nur dann eine zukunftsfähige Alternative zum Wildfang, wenn nachhaltige Standards in der Produktion eingeführt werden“, betont der DBU-Generalsekretär. Um umweltentlastende und nachhaltige Wege in der Fischwirtschaft zu stärken, hat die DBU die neue Förderinitiative „Aquakultur“ ins Leben gerufen. „Wir unterstützen innovative Ideen kleiner und mittelständischer Unternehmen wie auch der Wissenschaft, die hierzu einen Beitrag leisten können“, so der DBU-Generalsekretär. Das Kooperationsprojekt der Universität Göttingen und der Firma Fisch und Wasser sei ein wichtiger Baustein. Brickwedde: „Viele weitere Schritte – zum Beispiel in der Weiterentwicklung von Kreislaufanlagen und Futtermitteln – müssen wir noch gehen.“
Ansprechpartner für Fragen zum Projekt (AZ 28177): Prof. Dr. Gabriele Hörstgen-Schwark, Abteilung Aquakultur und Gewässerökologie der
Georg-August-Universität Göttingen, Telefon 0551/395607.