Sickte. Selbstbestimmung, Einflussnahme und nun auch Klimaschutz haben sich die Bewohner von Neuerkerode bei Braunschweig auf die Fahnen geschrieben. In dem Dorf leben über 700 Menschen mit geistiger Behinderung in mehr als 50 unterschiedlich alten Häusern, die fast alle energetisch überholt sind. In einem Mammutprojekt hofft die Evangelische Stiftung Neuerkerode bis zum Jahr 2015, den Wasser- und Stromverbrauch im Dorf um bis zu 80 Prozent zu verringern und Strom aus nachhaltigen Quellen zu gewinnen. Mit Hilfe der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wird nun eine Strategie zur energetischen Sanierung aller Gebäude im Ort in Angriff genommen. Der stellvertretende DBU-Kuratoriumsvorsitzende Helmut Jäger übergab heute im Beisein von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel dem Direktor der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, Rüdiger Becker, die Förderzusage von rund 250.000 Euro. „Der ökologische und soziale Lebensraum greifen hier ineinander und werden insgesamt verbessert“, so Jäger.
Eigene Planung für jedes einzelne Haus nötig
Eine energetische Sanierung wie beim normalen Hausbau könne hier nicht angewendet werden, sagte Becker. „Das Zusammenspiel von energetischer Sanierung und dem Verhalten der Bewohner ist hier die große Herausforderung.“ Für jedes einzelne Haus müsse eine eigene Planung zugrunde liegen, da alle Wohngruppen mit unterschiedlich behinderten Menschen zusammengesetzt seien, die alle ein anderes Vebraucherverhalten hätten.
Methode für vorübergehenden Groß-Umzug wird nun geplant
Die Bewohner müssen im Zuge der langfristigen Sanierungsmaßnahmen vorübergehend umziehen und zahlreiche Wohnungen, Werkstätten und Geschäfte ausgeräumt werden. Wie eine Liegenschaft von der Größe Neuerkerodes damit umgeht und welche Methode dabei angewendet werden kann, soll die nun beginnende Planung ergeben. Die Gesamtstrategie für den großen Komplex umfasst auch die zukünftige energieschonende Strom- und Wärmeversorgung für die Wohn- und Werkshäuser. Ein dezentrales Versorgungssystem, wie die bereits bestehende Biogasanlage, könne dann genutzt werden.
Arbeitsplätze in der Region sollen gesichert und Handwerker für energetische Sanierung qualifiziert werden
„Unser Vorhaben erfordert Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe. Damit nützen wir nicht nur der Umwelt, sondern sichern in den nächsten Jahren auch Arbeitplätze in der Region Braunschweig. Zusätzlich werden Planer und Handwerker im Umgang mit energetischen Sanierungen qualifiziert“, bewertet Becker das Projekt.
Gleichberechtigung und Verantwortung im Umweltschutz übernehmen
In Schulungen soll Bürgern und Mitarbeitern nahegebracht werden, was Energieverschwendung heißt, wie sie die Umwelt beeinflusst und wie sie selbst den Verbrauch senken können. „Bei diesem Projekt wird nicht an den Nutzern vorbeisaniert. Sie werden integriert, damit sie den verantwortungsvollen Umgang mit Energie verstehen können“, sagte Jäger. Denn Gleichberechtigung heiße auch, Verantwortung zu übernehmen, auch in Sachen Umweltschutz.
Methodik könnte auf ganze Kommunen in Deutschland übertragbar sein
Bei einer jährlichen Rechnung für Strom und Wärme von 1,3 Millionen Euro könne die evangelische Stiftung beim Erreichen ihres ehrgeizigen Zieles in 2015 viel Geld sparen, so Jäger. Geld, das für die Refinanzierung der Sanierung eingesetzt werden könne. „Auch für rund 100 vergleichbare Einrichtungen im ganzen Land könnte das Energieeinsparpotenzial enorm sein“, sagte Jäger. Die zu entwickelnde Methodik lasse sich sogar auf ganze Kommunen in Deutschland übertragen.
Ansprechpartner für Fragen zum Projekt (AZ 25241): Andreas Wyborny, Pressesprecher Evangelische Stiftung Neuerkerode, Telefon: 05305/201221, Mobil: 0175/2633459, Fax: 05305/201474