Imposanter Käfer bekommt Bruthilfe

Hirschkäfer soll sich in den Mittelwäldern der DBU Naturerbefläche Reiterswiesen wieder heimisch fühlen

Reußenberg. Dass der ehemalige Standortübungsplatz der US-Armee bei Reiterswiesen als Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet geschützt ist und eine Vielzahl seltener Tier- und Pflanzenarten beherbergt, ist vielen Bürgern der Region bekannt. Seit 2006 gehört das Gelände jedoch auch zum Nationalen Naturerbe, das derzeit bundesweit rund 100.000 Hektar der wertvollsten Naturschutzflächen umfasst. Eigentümer der ehemals militärisch genutzten Flächen bei Reiterswiesen ist seit 2010 die DBU Naturerbe GmbH, eine gemeinnützige Tochter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Sitz in Osnabrück. Ansprechpartner vor Ort bleibt der Bundesforstbetrieb Reußenberg, der die DBU Naturerbefläche Reiterswiesen unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes betreut und so die Lebensräume und die Vielzahl der hier vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sichert. So werden zur Zeit in den lichten Mittelwäldern des Naturschutzgebietes in einer Gemeinschaftsaktion von DBU Naturerbe GmbH, Bundesforstbetrieb (BFB) Reußenberg und Unterer Naturschutzbehörde des Landkreises Bad Kissingen zwei Brutstätten für den Hirschkäfer künstlich angelegt.

Auf der DBU Naturerbefläche Reiterswiesen entstehen Bruthilfen für den Hirschkäfer.
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Hirschkäfer ist "Insekt des Jahres"

"Lucanus cervus", wie der Hirschkäfer wissenschaftlich heißt, gehört zu den größten Käfern Europas und ist das "Insekt des Jahres 2012". Er ist in der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Deutschlands in die Kategorie zwei als "stark gefährdet" eingestuft. Die Männchen werden bis zu 7,5 Zentimeter lang, die Weibchen maximalvier Zentimeter. Die Hirschkäferlarve benötigt für ihre Entwicklung starkes, verrottendes Totholz. Besonders gut eignet sich hier die Eiche. Da geeignetes Totholz in den heutigen Wirtschaftswäldern immer seltener wird, müssen Hilfsmaßnahmen greifen, um den Fortbestand des schönen Käfers zu sichern.

Bagger hebt Erde für Brutstätten aus - Erfolg erst in acht Jahren messbar

Der Hirschkäfer legt seine Eier an besonnten Stellen in bis zu 70 Zentimeter tief in den Boden. Deshalb werden jetzt mit Hilfe eines Baggers zunächst ca. 80 Zentimeter tiefe Gräben ausgehoben. Anschließend werden die Gräben mit starkem Eichenholz gefüllt und wieder mit Erdreich abgedeckt. Nun heißt es abwarten. Denn bis die ersten Hirschkäfer ihre Eier hier ablegen, kann es mehrere Jahre dauern. Das noch frische Eichenholz muss, um bruttauglich zu sein, erst einmal ein bestimmtes Stadium der Verrottung erreichen. Die Entwicklungszeit von der Eiablage bis zum fertigen Käfer kann bis zu acht Jahren dauern.

Bruthilfe in Kombination mit Mittelwaldbewirtschaftung schafft Lebensraum

Die Bruthilfe in Kombination mit der Mittelwaldbewirtschaftung soll dem Hirschkäfer einen geeigneten Lebensraum bieten und dazu beitragen, dass sich sein Bestand im Gebiet wieder erholt und "wir uns auch in der Zukunft noch an warmen Sommerabenden am Anblick des großen Käfers erfreuen können", betont Thomas Gundelach, Leiter des Funktionsbereiches Naturschutz am BFB Reußenberg. Gemeinsam mit Thomas Fritzemeier, Leiter des Forstreviers Bonnland, und Markus Schmitt von der Unteren Naturschutzbehörde Bad Kissingen organisiert und überwacht er die Arbeiten.

Historische Form der Waldnutzung wieder aufgenommen

Neben dem gezielten Artenschutz wird auch die Gestaltung des Lebensraumes Wald aktiv in Angriff genommen. Denn nicht nur der Hirschkäfer, auch andere seltene Arten profitieren von der traditionellen Form der Waldbewirtschaftung, der sogenannten Mittelwaldwirtschaft. Daher wurde in den Eichen-Hainbuchenwäldern des Gebietes vor fünf Jahren diese historische Form der Waldnutzung wieder aufgenommen. Diese zunächst rabiat wirkende Form der Waldbewirtschaftung ist Natur- und Kulturschutz in einem. Das sogenannte Unterholz, zumeist Hainbuche, Feldahorn u. a. wird dabei auf einer genau definierten Fläche gefällt und als Brennholz genutzt. Im Oberholz, in der Regel große, alte Eichen, werden nur einzelne, hiebsreife Bäume entnommen. Sie dienten und dienen als wertvolles Bau- und Möbelholz. Die Wurzelstöcke der Hainbuchen und Feldahorne treiben im Frühjahr wieder aus und bilden so in 20 bis 30 Jahren wieder ein neues Unterholz und der Zyklus beginnt von vorne. Dabei wird genau darauf geachtet, dass abgestorbene Bäume erhalten und nicht mehr genutzt werden.

Vom Blauroten Steinsamen bis zum Halsbandschnäpper: Mittelwälder äußerst artenreich

Mittelwälder gehören zu den arten- und strukturreichsten Wäldern überhaupt. Sie weisen eine Vielzahl verschiedener, teils seltener Baumarten wie die Elsbeere oder den Speierling und einen ausgesprochen hohen Anteil an Biotopbäumen auf. In den durch die menschliche Bewirtschaftung geschaffenen lichten Waldstrukturen, die mit einem dauerhaften Übergangsbereich zwischen Wald und Offenland vergleichbar sind, finden sowohl reine Waldarten, als auch Arten des Halboffenlandes einen geeigneten Lebensraum. Hier findet man Mittelspecht und Halsbandschnäpper ebenso wie Blauroten Steinsame oder Diptam.

Die Bundesforst hat auf der DBU Naturerbefläche Reiterswiesen die Mittelwaldbewirtschaftung wieder aufleben lassen.
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