„Ich kann mir ein Leben ohne Natur nicht als erfülltes Leben vorstellen“

Zum 60. Geburtstag von Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, dem Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, am 23. Juli

Osnabrück. Irgendwie haben es ihm die Sachsen angetan. Einer, sagt er, hat ihn entscheidend geprägt: der Gnaschwitzer Bauernsohn und spätere CDU-Rebell Herbert Gruhl. Als der CDU-Bundestagsabgeordnete im September 1975 seinen Bestseller „Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik“ veröffentlicht, trifft er dem 27-Jährigen mitten ins Herz. „Ein Mann, der seiner Zeit weit voraus war“, schwärmt Fritz Brickwedde noch heute. Fortan wird der Umweltschutz für ihn Passion und Profession: als Umweltreferent im Landkreis Emsland, als Regierungssprecher im Kabinett des niedersächsischen Ministerpräsident Ernst Albrecht und schließlich als Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück. Und wenn er am heutigen Mittwoch, dem 23. Juli 2008, seinem 60. Geburtstag, gefragt wird, was denn sein Herzensanliegen sei, fackelt er nicht lange: „Die Jugendlichen aus ihren virtuellen Scheinwelten herausholen und ihrer Naturentfremdung begegnen.“

Ämterübergreifend über Umweltschutz nachdenken

An der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster studiert der gebürtige Osnabrücker Geschichte, Politikwissenschaften und Publizistik. Nach seinem Examen arbeitet er zunächst als Akademiedozent und Fachbereichsleiter am Franz-Hitze-Haus in Münster, der Akademie des Bistums Münster. Dann wird er Leiter der Volkshochschule Georgsmarienhütte und Dezernent für Schule und Kultur, Landschaftspflege und Regionalplanung beim Landkreis Emsland. Dort wird er auch für die Koordination des Umweltschutzes zuständig: Es schlägt seine erste große Stunde. „Über Umweltschutz ämterübergreifend nachzudenken, war neu. Wir haben das getan – und den ersten Umweltschutzbericht eines Landkreises herausgebracht. Darauf bin ich heute noch stolz.“ Und auch die Gründung der Historisch-Ökologischen Bildungsstätte in Papenburg begleitet er mit. Brickwedde: „Es waren total spannende Themen in meinem Dezernat.“

Für ihn ist die Natur Bestandteil eines erfüllten Lebens: Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), vollendet sein 60. Lebensjahr.
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80er Jahre:Alles schrie nach Umweltschutz

Bevor er mit Gründung der DBU am 1. März 1991 als Generalsekretär die Aufbauarbeit beginnt, ist er Sprecher der niedersächsischen Landesregierung. Auch hier lässt ihn der Umweltschutz nicht los: Klärschlammverklappung in der Nordsee, Schadstofffrachten aus der damals noch real existierenden DDR, die die innerdeutschen Flüsse zu Kloaken machen. Brickwedde: „Alles schrie nach Umweltschutz – nur die Führung der DDR ignorierte das Thema.“ Bei umweltpolitischen Reisen zu Generalsekretär Erich Honecker oder zur britischen Premierministerin Margaret Thatcher begleitet Brickwedde den niedersächsischen Ministerpräsidenten.

Förderleitlinien der Stiftung ausgearbeitet

Dann ruft die DBU. Brickwedde ist gut vorbereitet, als er sich dem Kuratorium – dem Vorstand der Stiftung – unter der Leitung von Bundesbankpräsident Prof. Dr. Hans Tietmeyer vorstellt. Brickwedde: „Da hatte ich die Förderleitlinien und ein Organigramm der Stiftung schon ausgearbeitet. Denn das Kuratorium suchte einen Mann mit Macherqualitäten für den Aufbau.“ In sechs Wochen gelingt es ihm mit einer Handvoll Mitarbeitern, für die erste Kuratoriumssitzung 20 innovative, umweltentlastende Modellprojekte aus dem Boden zu stampfen. Und während die DBU heute den vorbeugenden Umweltschutz im Auge hat, der schon das Entstehen von Umweltbelastungen verhindern soll, geht es damals noch um das Beseitigen vorhandener Schäden. Brickwedde: „Uns blieb gar nichts anderes übrig, als auf die offenkundigen und gigantischen Umweltprobleme der gerade abgewickelten DDR zu reagieren.“ Dabei legt er Wert darauf, „seine“ Stiftung ausschließlich nach fachlichen Gesichtspunkten aufgebaut und „die besten Fachleute aus ganz Deutschland“ als Mitarbeiter in die Domstadt geholt zu haben. Die haben es in gut 17 Jahren geschafft, inzwischen rund 7.000 solcher Projekte mit über 1,2 Milliarden Euro begleitet zu haben. Und das Stiftungskapital von ursprünglich einmal 1,28 Milliarden Euro ist trotzdem auf stolze 1,79 Milliarden Euro gewachsen.

Dr. Theo Waigel (l.) machte 1990 als damaliger Bundesfinanzminister den Weg frei für die Gründung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Von Beginn an bis heute steht Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde (r.) als Generalsekretär an der Spitze ihrer Geschäftsstelle.
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Große Aufgabe für die Zukunft: Sicherung des nationalen Naturerbes

Brickwedde lebt und liebt das herausragende Ziel der DBU, kleine und mittlere Unternehmen bei Forschung, Entwicklung und Innovation zugunsten umwelt- und gesundheitsfreundlicher Produkte und Verfahren zu unterstützen – ohne zu enge programmatische Vorgaben, flexibel und schnell. Und dass die Experten des Fraunhofer Instituts Karlsruhe der DBU für diese Zielgruppe bundesweit eine „herausgehobene Rolle“ attestieren, freut ihn ungemein. Auch ein nationales und internationales Stipendienprogramm bringt Brickwedde für die DBU auf den Weg: „Auf dieses Stipendienprogramm mit seinen nationalen bzw. internationalen Ausrichtungen können wir besonders stolz sein. Hier wird in junge überdurchschnittlich begabte Köpfe investiert und eine über lange Fristen wirkende positive Entwicklung für den Umweltschutz initiiert.“ Nicht minder stolz ist der „General“ aber auch über die jüngste „Errungenschaft“ der DBU: Ende Mai überträgt der Bund 46.380 Hektar für den Naturschutz besonders wertvolle Flächen an die DBU. Sie wird sicherstellen, dass die ehemals militärisch genutzten Liegenschaften langfristig geschützt werden. Brickwedde: „Ein echtes Anliegen und eine große Aufgabe, einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des nationalen Naturerbes zu leisten.“

Ehrenamtlich engagiert

Brickwedde zeichnet aber auch ein breit angelegtes, ehrenamtliches Engagement aus. So ist der Ehrenbürger der sächsischen Stadt Ostritz, unter anderem Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Fürst Pückler Park Bad Muskau (Sachsen), Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal (Sachsen) und war auch lange Jahre Vorsitzender des Osnabrücker Förderkreises zur Unterstützung des Wiederaufbaus der Frauenkirche in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. In dieser Funktion sammelte er 600.000 Euro für die Frauenkirche. Sachsen lässt grüßen...

DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde (r.) im Januar 2008 mit langjährigen Weggefährten (v.l.): Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes (NABU), und Hubert Weinzierl, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und DBU-Kuratoriumsvorsitzender.
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Köhler: „Sie haben viel Gutes gestiftet“

Im Mai 2002 wird Brickwedde zum ehrenamtlichen Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen gewählt. Unter seiner Ägide verdoppelt sich die Zahl der Stiftungen in Deutschland auf rund 16.000, wird eine wesentliche Novelle des Gemeinnützigkeitsrechts auf den Weg gebracht. Aus diesem Amt scheidet er Ende Juni 2008 turnusgemäß aus und wird von der Mitgliederversammlung zum Ehrenmitglied ernannt. Und niemand geringerer als Bundespräsident Host Köhler attestiert ihm: „Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Einsatz, Sie haben in den vergangenen sechs Jahren viel Gutes gestiftet.“

Ehrendoktorwürde und Verdienstorden

Im Oktober 2002 wird Brickwedde die Ehrendoktorwürde der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus verliehen. Die BTU würdigt damit seine herausragenden Leistungen für den wissenschaftlich fundierten Umwelt-, Natur- und Kulturschutz sowie sein Eintreten für den ökologischen Neuaufbau in den ostdeutschen Bundesländern. Im April 2003 erhält er das ihm vom polnischen Staatspräsidenten verliehene Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen, eine der höchsten polnischen Auszeichnungen. Geehrt wird Brickwedde für „hervorragende Verdienste um die Völkerzusammenarbeit“ zwischen Polen und Deutschland. Bundespräsident Horst Köhler verleiht Brickwedde 2004 das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Eine Auszeichnung, die ebenfalls vor allem sein breites ehrenamtliches Engagement zugunsten der ostdeutschen Bundesländer würdigt.

Konstanter Kontakt zum ersten Mann des Staates: Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde (r.) hier beim Neujahrsempfang 2008 mit Bundespräsident Horst Köhler und dessen Frau Eva Luise Köhler.
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Umweltbildung und Sozialarbeit sollen verschmelzen

Was treibt den Mann heute um? Er schwärmt von Umwelt-Pädagogik „mit Kopf, Herz und Hand“, will Jugendliche aller Schulformen da abholen, wo sie stehen und ihnen „was bieten“. Umweltbildung und Sozialarbeit sollen verschmelzen. Unter anderem seiner Initiative ist es zu verdanken, dass zurzeit ein Sprachfördercamp mit dem Schwerpunkt Umweltbildung für Grundschulkinder mit Migrationshintergrund läuft. 60 Schüler der dritten Klassen aus Stadt und Landkreis Osnabrück lernen drei Wochen lang noch bis zum 1. August ihre Zweitsprache Deutsch im Umweltbildungszentrum Noller Schlucht in Dissen und im Schullandheim Mentrup-Hagen. Dabei soll mit Aktionen zu den Themen Wasser, Wald und Tiere speziell das Interesse der Kinder für die Natur geweckt werden. Die DBU schießt zum Projekt „Natur und Sprache auf der Spur“ über 123.000 Euro zu. Brickwedde ist das Thema wichtig. Sehr! Der Kreis schließt sich: „Ich kann mir ein Leben ohne Natur nicht als erfülltes Leben vorstellen.“

Franz-Georg Elpers

Vor wenigen Tagen gab DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde zusammen mit dem "Graslöwen" den Startschuss zum DBU-geförderten Osnabrücker Sommercamp, in dem 60 Kinder mit Migrationshintergrund drei Wochen lang Deutsch in der Natur lernen.
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