Bad Kissingen. Wer zurzeit die DBU-Naturerbefläche Reiterswiesen östlich von Bad Kissingen besucht, wundert sich vielleicht über zwei vergleichsweise lichte Waldabschnitte. In den vergangenen fünf Monaten haben sich hier 18 am Arbeitsmarkt begrenzt vermittelbare Männer im Alter zwischen 20 und 60 Jahren gemeinsam mit zwei Forstwirten aktiv für Naturschutz eingesetzt und sich auf die Spuren mittelalterlicher Waldwirtschaft begeben. Insgesamt rund 100 Festmeter Holz haben sie geschlagen, aufgearbeitet und zum Trocknen gelagert. Auf dem ehemaligen amerikanischen Militärgelände hat der Verein „KIDRO – niedrigschwellige Hilfe“ das zweite Mal in Folge das Holzprojekt in Kooperation mit der gemeinnützigen Tochter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der DBU Naturerbe GmbH, als Flächeneigentümerin und Bundesforst-Revierleiter Thomas Fritzemeier umgesetzt – „mit Erfolg für Mensch und Natur“, wie KIDRO-Geschäftsführer Thomas Heinrich meint. Die meisten Teilnehmer seien während der Arbeit in den historischen Nieder- und Mittelwaldstücken „richtig aufgeblüht“.
DBU-Tochter spendet Brennholz für Verein
An zwei verschiedenen, eher entlegenen Standorten hat die KIDRO-Gruppe auf insgesamt einem Hektar etwa drei bis fünf Meter hohe Stockausschläge in den historischen Nieder- und Mittelwäldern zurückgeschnitten, aber auch Rotbuchen gefällt, die alten Eichen zu viel Licht wegnahmen. Das ofenfertige Scheitholz spendet die DBU-Tochter dem Verein, der es voraussichtlich ab Mai vor allem an Personen mit Bezugsschein vom Jobcenter oder Landratsamt abgeben will.
Historische Waldwirtschaftsformen für Brennholz und Schweinemast
„Sowohl der Nieder- als auch der Mittelwald sind Waldwirtschaftsformen, deren Nutzung mindestens bis ins Mittelalter zurückgeht“, erläutert Fritzemeier vom Bundesforstbetrieb Reußenberg. In typischen Niederwäldern hätten die damaligen Bewirtschafter alle 30 Jahre Bäume wie Feldahorn, Hainbuchen sowie Sträucher wie Haselnuss und Weißdorn immer wieder „auf den Stock“ gesetzt, also wiederholt zurückgeschnitten. Die im Boden verbliebenen Wurzelstöcke trieben wieder aus. Es entstanden Wälder, aus denen vergleichsweise einfach Brennholz geschlagen werden konnte. Bei der Mittelwaldnutzung wuchsen zudem etwa alle 30 Meter vorzugsweise großkronige Eichen, die im Herbst ihre nährstoffreichen Früchte zu Boden warfen – ein ideales Futter beispielsweise für Schweine. Heute sind diese Waldwirtschaftsformen selten geworden. Die DBU-Tochter möchte in Abstimmung mit den Behörden diese prägenden Landschaftsbilder auf der DBU-Naturerbefläche Reiterswiesen weiter pflegen.
DBU-Tochter will Nieder- und Mittelwald erhalten und ausdehnen
In Leitbild für die Fläche hat der Bund bei der Flächenübertragung 2008 festgehalten, dass die DBU-Tochter die historischen Nieder- und Mittelwaldbereiche erhalten und auch etwas ausdehnen soll. Zudem will sie die Kiefernreinbestände im ehemaligen militärischen Übungsgelände in naturnahe Waldgesellschaften umbauen, die naturnahen Orchideen-Buchenwälder entwickeln sowie den Eichen-Hainbuchenwald erhalten. Der DBU-Tochter sei es zudem wichtig, Naturerlebnisse zu schaffen. „Wald tut gut“, unterstreicht auch Revierleiter Fritzemeier und erläutert: „Geringere Temperaturschwankungen und Windgeschwindigkeiten sowie eine höhere Luftfeuchtigkeit im Vergleich zur offenen Landschaft steigern das Wohlbefinden des Waldbesuchers.“ Ruhe, der stete Wechsel zwischen Licht und Schatten und andere Eindrücke wirkten zudem positiv auf die Menschen.
Seit 1995 steht KIDRO für niedrigschwellige Hilfe
Der Verein „KIDRO - Niedrigschwellige Hilfen e.V.“ wurde 1995 als gemeinnütziger Trägerverein gegründet, um durch aufsuchende Sozialarbeit niedrigschwellige Drogenhilfe zu leisten. KIDRO steht beständig mit Menschen im Kontakt, die von Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, Schulden, Sucht oder Straffälligkeit betroffen sind.
DBU-Tochter übernimmt 47 Flächen mit insgesamt 60.000 Hektar vom Bund
Die DBU-Naturerbefläche Reiterswiesen ist eine von 47 Naturschutzflächen in Deutschland, die die DBU-Tochter als Treuhänderin seit 2008 vom Bund übernimmt. Auf den insgesamt 60.000 Hektar in neun Bundesländern sollen offene Lebensräume mit seltenen Arten durch Pflege bewahrt, naturnahe Wälder ohne menschlichen Eingriff zu neuer Wildnis entwickelt, artenarme Forste in naturnahe Wälder überführt und Feuchtbiotope ökologisch aufgewertet und erhalten werden.