Osnabrück. Für Fachleute ist sie die Keimzelle der bundesdeutschen Umweltpolitik, der breiten Öffentlichkeit ist sie kaum bekannt: die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft (IPA), die 2012 ihr 60-jähriges Bestehen feiert. Ziel des überfraktionellen Zusammenschlusses von Landes- und Bundespolitikern sei es 1952 gewesen, eine Wirtschaftsweise zu fördern, die dem Nutzen und Erhalten der natürlichen Ressourcen höchste Priorität einräumt, weiß Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). „Heute würden wir sagen: Die IPA verfolgte von Anfang an eine Politik der Nachhaltigkeit. Das war revolutionär!“ Die Politik der IPA steht im Zentrum der Tagung „Umweltgeschichte und aktuelle Umweltpolitik“, die die DBU gemeinsam mit der Stiftung Naturschutzgeschichte am Donnerstag, 11. Oktober, von 10 bis 18 Uhr in ihrem Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) in Osnabrück durchführt. Mit dabei: Die Zeitzeugen und früheren Bundesminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), Volker Hauff (SPD) und Klaus Töpfer (CDU).
Umweltprobleme fraktionsübergreifend, interdisziplinär und konsensorientiert lösen
„Die IPA initiierte maßgeblich die Umwelt- und Naturschutzpolitik der 50er- und 60er-Jahre: also vor dem Hintergrund des rasanten Wiederaufbaus nach dem Krieg“, ordnet Dr. Hans-Werner Frohn, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der Stiftung Naturschutzgeschichte in Königswinter, die Bedeutung der IPA ein. „Sie verfolgte die Strategie, die anstehenden Ressourcen- und Umweltprobleme fraktionsübergreifend, interdisziplinär und konsensorientiert zu lösen.“ Am Anfang habe der Wunsch vieler Abgeordneter im Bund und vor allem in den Ländern gestanden, die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten anderer Parlamente zu Themen wie dem Naturschutz, der Landschaftspflege und -planung sowie der nachhaltigen Nutzung von Boden, Wasser und Luft zu ermöglichen. Ziel sei dabei das Herstellen eines politischen Konsenses gewesen. Um ein offenes Diskussionsklima zu erzeugen und jegliche parteipolitische Profilierung zu verhindern, habe die IPA bewusst auf Öffentlichkeitsarbeit verzichtet. Frohn: „Sie blieb vollkommen parlamentsintern ausgerichtet“. Dies sei ein maßgeblicher Grund für ihre weitgehende Unbekanntheit.
IPA-Mitglieder: Heinrich Lübke, Johannes Rau, Willy Brandt, Helmut Kohl
„IPA-Mitglieder sorgten dafür, dass einzelne Aspekte des Umwelt- und Naturschutzes auf die Tagesordnung der Parlamente gesetzt wurden: viele Jahre, bevor die Umweltpolitik in Deutschland als eigenständiges Politikfeld aufkam – und lange vor dem Entstehen eines breiten Umweltbewusstseins“, sagt Frohn weiter. Anfangs hätten dem Zusammenschluss etwa 70 Parlamentarier angehört, in den 60er-Jahren zwischen 250 und 300. Seit 1979 könnten auch die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments Mitglied werden. Zahlreiche prominente Bundes- und Landespolitiker seien IPA-Mitglieder gewesen, zum Beispiel die späteren Bundespräsidenten Heinrich Lübke, Walter Scheel, Johannes Rau oder die Bundeskanzler Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt und Helmut Kohl.
Umweltpolitisches Potential der IPA für Öffentlichkeit verfügbar machen
Um die Überlieferungen der IPA historisch aufzuarbeiten, fördere die DBU mit rund 99.720 Euro ein Projekt der Stiftung Naturschutzgeschichte. „Ziel ist es, das umweltpolitische Potenzial der IPA der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und Anknüpfungspunkte für die Wissenschaft sowie für die Politik zu geben“, erklärt Brickwedde. Die Tagung „Umweltgeschichte und aktuelle Umweltpolitik“, an der auch heute aktive Umweltpolitiker teilnehmen – unter anderem der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und DBU-Kurator Dr. Matthias Miersch –, sei Teil des Projektes. Die Veranstaltung moderiere Prof. Albert Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Naturschutzgeschichte. Neben einführenden Vorträgen gebe es Interviews mit prominenten Zeitzeugen, die Prof. Dr. Jens Ivo Engels von der Technischen Universität Darmstadt führe. Wie lassen sich umweltpolitische Ziele unter jeweils veränderten Rahmenbedingungen parlamentarisch am effizientesten durchsetzen? Bietet das Konsensprinzip der IPA Anknüpfungspunkte für die aktuelle Umweltpolitik? Oder stellt dieser Ansatz heute nur noch einen Anachronismus dar? Diese und weitere Fragen würden während einer Podiumsdiskussion behandelt. Diese werde von dem Journalisten Prof. Peter Voß moderiert.
Weitere Informationen zur Tagung unter http://www.dbu.de/550artikel33407_135.html.