Kassel. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte heute die neuen Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU): „Alle drei Preisträger zeigen uns: Wir können viele Dinge anders machen, wo vermeintlich eherne Sachzwänge walten. Wir haben Handlungsoptionen: politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, technologisch. Wir können Entwicklungen beeinflussen.“ Aus den Händen Gaucks und der DBU-Kuratoriumsvorsitzenden Rita Schwarzelühr-Sutter nahmen in Kassel der Ökonom und Energieeffizienzexperte Prof. em. Dr. Peter Hennicke (72, Wuppertal) und der Wissenschaftler und Gründer der Firma UNISENSOR Sensorsysteme, Prof. Dr.-Ing. Gunther Krieg (72, Karlsruhe), den mit 500.000 Euro höchstdotierten unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Den bisher nur dreimal von der DBU zusätzlich vergebenen Ehrenpreis erhielt Hubert Weinzierl (78, Wiesenfelden) für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement aus seinen Händen.
Bundesumweltministerin Hendricks und Landesumweltministerin Hinz zu Gast
Vor rund 1.200 Festgästen – darunter Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und Hessens Umweltministerin Priska Hinz – betonte Gauck mit Blick auf die Preisträger, Hennicke habe mit seinen Konzepten für eine ressourcen- und energiesparende Art des Wirtschaftens gezeigt, dass man aus viel weniger viel mehr machen könne. Kriegs Sensoren machten Schadstoffe sichtbar und gäben das nötige Wissen, um Umweltschäden zu vermeiden und wertvolle Ressourcen wiederzuverwenden. Und Weinzierl habe mit seinem jahrzehntelangen Kampf gegen die Naturzerstörung und für das Bewahren von Natur, Artenvielfalt und menschlichen Lebensgrundlagen großen Anteil daran, dass Umweltschutz in Deutschland eine politische Kraft geworden sei. Weinzierl habe die Menschen zum Nachdenken gebracht und sich damit großen Respekt erworben. Gauck: „Und eben diesen Respekt möchte ich Ihnen heute ganz persönlich übermitteln und ganz deutlich und im Namen unseres Landes zum Ausdruck bringen.“ Das Staatsoberhaupt an die Adresse des geehrten Trios: „Ich freue mich, unter Menschen zu sein, deren Beharrlichkeit, deren Ideenreichtum und deren Weitblick andere Menschen ermutigt.“
Staatsoberhaupt sieht Transformation als Kraftakt, der in der Einen Welt der Entschlossenheit aller bedarf
Alternativen im Umgang mit Ressourcen und Ökosystemen müssten entwickelt werden, betonte Gauck, wenn langfristig nicht die Grundlagen unseres Wohlergehens zerstört werden sollten. Eine solche Transformation sei ein Kraftakt, der in der Einen Welt der Entschlossenheit und Geschlossenheit aller bedürfe. Tatsächlich bestehe die Weltgemeinschaft aber aus Staaten mit höchst unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen, mit höchst unterschiedlichen Interessen und Entwicklungsformen. Auch wenn es Menschen gebe, die darüber spekulierten, ob sich offene, freiheitliche Gesellschaften mit langfristigen Herausforderungen wie dem Klimawandel vielleicht schwerer täten als autoritäre Regimes, seien demokratische und offene Gesellschaften seiner Meinung nach erfolgreicher. Sie seien lernfähig, hielten Alternativen offen und Fortschritt für eine Aufgabe aller, setzten sich selbst verbindliche Regeln und ließen den Wettstreit um die besten Lösungen zu und förderten ihn.
Bundespräsident ermahnt Europa, einen funktionierenden Emissionshandel aufzubauen
Es sei und bleibe auch Aufgabe der Politik, betonte Gauck, ökologische Leitplanken zu setzen und Märkte so zu gestalten, dass Verursacher für Schäden aufkämen und Preise die tatsächlichen Kosten spiegelten. Dann könne sich die Innovationskraft von Forschern, Unternehmen und Bürgern auf das Ziel der Nachhaltigkeit ausrichten. Am Anfang stünden wir damit ja nicht, denn schon heute wüssten viele Unternehmer, dass langfristig ökonomisch nur machbar sei, was auch ökologisch vertretbar sei. Eine entscheidende Frage werde dabei sein, ob klimaschädliche Emissionen endlich überall einen Preis bekämen, damit sich umweltschonende Produktionsweisen, innovative Technologien und sparsame Produkte auch lohnten. Weltweit werde an solchen Preissystemen für Kohlendioxid gearbeitet, und einige Länder hätten sie schon. Aber auch Europa müsse weiter daran arbeiten, einen funktionierenden Emissionshandel aufzubauen.
Gauck unterstreicht Mitverantwortung Deutschlands für eine globale Klimaschutzpolitik
Deutschland trage im Rahmen der G7-Präsidentschaft im nächsten Jahr Mitverantwortung, die globale Klimaschutzpolitik voranzubringen. Und Ende des nächsten Jahres solle beim Weltklimagipfel der Vereinten Nationen in Paris ein wirksames globales Abkommen stehen. Das könne, so Gauck, eine „Wegscheide“ sein. Gauck: „Und ich wäre froh, nicht im Konjunktiv sprechen zu müssen.“ Das sei auch umso mehr zu hoffen, weil nach dem jüngsten Gipfel der Europäischen Union in Brüssel der dort gefundene Kompromiss sicher nicht alle habe befriedigen können. Deutschland habe jedenfalls bei der Transformation zu einer langfristig vernünftigen Entwicklung vieles einzubringen: politisch, technologisch, aber auch ökonomisch – und auch seine Bürger, „wohl die wichtigste Ressource“. Hubert Weinzierl habe einmal gesagt, dass eigentlich jeder Mensch eine doppelte Staatsbürgerschaft haben müsse: die seines Staates und die der Weltgemeinschaft. Gauck: „Handeln sollten wir jedenfalls in diesem doppelten Bewusstsein. Und mit dem Bewusstsein, dass wir – mehr als alle Generationen vor uns – auch die Mittel dazu besitzen.“
Einfacher und schneller, eine Kilowattstunde Strom einzusparen als sie neu zu produzieren
Als Mitglieder der Jury des Deutschen Umweltpreises, auf deren Vorschlag hin das Kuratorium der Stiftung die jeweiligen Preisträger eines Jahres auswählt, gingen Prof. Dr. Rainer Grießhammer, Mitglied der Geschäftsführung des Freiburger Öko-Instituts und Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU, und Hermann Josef Schulte, Gründer der Firma HJS aus Menden und ebenfalls Träger des Deutschen Umweltpreises der DBU, auf die Leistungen der Preisträger 2014 ein. Grießhammer würdigte Hennicke als Effizienzpapst der Energiewende, der sich seit 35 Jahren für dieses Thema einsetze und dessen Studien aus den 80er Jahren die heutige Energiewende überhaupt erst möglich gemacht hätten. Schon früh habe Hennicke das Vernachlässigen des Themas Energieeffizienz hervorgehoben. Als Ökonom habe er es auf den Nenner gebracht, dass es billiger, einfacher und schneller sei, eine Kilowattstunde Strom einzusparen als sie neu zu produzieren.
Krieg einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung attestiert
Die Leistung Kriegs würdigte Schulte als „wunderbares Beispiel“ dafür, dass und wie die für den Mittelstand so wichtige Zusammenarbeit mit den Hochschulen funktionieren könne. Zehn Jahre nach seiner Berufung zum Professor habe Krieg sein Unternehmen gegründet. Die Technologie des Recyclings von Mehrweg-Kunststoffflaschen beherrsche er „aus dem Effeff“ und sei heute auf dem Sektor ein wichtiger Zulieferer der Flaschen- und Getränkeindustrie. Er sei in der Lage, Millionen von Flaschen im Recyclingprozess zu selektieren und einer weiteren Nutzung zuzuführen. Damit leiste er einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung und stehe für eine nachhaltige Industrie, zu der der Weg noch viel konsequenter begangen werden müsse.
Einem Mann „Respekt erwiesen, den er schon ganz lange verdient“
Auf Ehren-Preisträger Weinzierl ging Jury-Mitglied und „Zeit“-Redakteurin Christiane Grefe ein. Weinzierl sei die Personifizierung des Naturschutzes in Deutschland, seit sechs Jahrzehnten eine Schlüsselfigur mit einer „riesigen Prägekraft“. Er sei Vordenker, Vorreiter in ganz vielen Punkten, der das Thema in viele Bereiche gebracht habe, vor allem in die Politik, und die Natur so „vor Planierraupen und Pestiziden geschützt hat, indem er sich zwischen Hühnerstall und Reichstag bewegt hat“. Auf der Basis philosophischer und ethischer Begründungen habe er die Politisierung des Naturschutzes auch international vorangetrieben. Gleichzeitig habe er aber auch selbst aus einer lokalen Verwurzelung heraus mit seiner Frau ein Umweltbildungszentrum gegründet, in dem viele junge Menschen mit seinen Ideen „angesteckt“ worden seien. Die arbeiteten heute in Ministerien, Nichtregierungsorganisationen und Schulen und steckten nun ihrerseits dort wieder mit diesen Ideen andere junge Leute an. Mit dem Ehrenpreis werde einem Mann „Respekt erwiesen, den er schon ganz lange verdient“.