Gelbensande. Gerade die Trockenheit der vergangenen Jahre hat gezeigt, wie wichtig es ist, Wasser länger in der Landschaft zu halten. „Jahrhundertelang haben wir Menschen mithilfe von Gräben unsere Böden entwässert und so nutzbar gemacht. Wegen der Folgen des Klimawandels und im Sinne der Artenvielfalt wollen wir nun im Gelbensander Forst naturnahe Grundwasserstände wiederherstellen“, betont Susanne Belting, Fachliche Leiterin im DBU Naturerbe, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Sobald die beteiligten Behörden grünes Licht geben, fällt in den nächsten Wochen auf der rund 1000 Hektar (ha) großen DBU-Naturerbefläche östlich von Rostock der Startschuss für „mehr Wasser im Gebiet.“
Regulierbare Stauwerke optimieren Grundwasserstand ohne Einfluss auf Nachbarflächen
Wenn die Bagger im Gelbensander Forst anrücken, geht es aber nicht nur darum, Entwässerungsgräben zu schließen. Die Naturschützer wollen neun sogenannte Kippwehre einsetzen, die Wasser im Sinne des Naturschutzes in der Landschaft halten, aber auch bei Starkregenereignissen Richtung Ostsee ablassen können: Die Wasserstände werden in dem Teilgebiet der Rostocker Heide regulierbar. Um die Entwicklung des Grundwassers im Blick zu behalten, hat das DBU Naturerbe Grundwasserpegel installiert und mit Messgeräten ausgestattet, die mehrmals täglich relevante Daten aufnehmen. Die Maßnahme ist von langer Hand geplant mit Unterstützung des Hamburger Planungsbüros von Dr. Axel Precker und dem Bundesforstbetrieb Vorpommern-Strelitz. Es werde keinen Einfluss auf Nachbarflächen haben, betont Dr. Uwe Fuellhaas, Gewässer- und Feuchtgebietsmanager im DBU Naturerbe. Bis in den Frühling hinein sollen die Böden und entsprechenden Lebensräume davon profitieren, dass nicht zu viel Wasser abfließt. „Im Sommer wollen wir weiterhin, dass unsere Pächter die offenen Flächen befahren und mähen können“, so Uwe Fuellhaas. Dann dürfe der Boden nicht zu nass sein, die regelbaren Kippwehre würden geöffnet und überflüssiges Wasser fließe ab.
Moorschutz ist Klimaschutz – Körber-Stiftung finanziert Maßnahme
Diese torfschonende Bewirtschaftung helfe den Moor-Relikten. Wie vielerorts sind auch im ehemals über 360 ha großen Moor des Gelbensander Forstes keine intakten Moorflächen mehr vorhanden. „95 Prozent der Moore in Deutschland haben wir Menschen seit dem 19. Jahrhundert so konsequent trockengelegt, dass die Flächen die Bezeichnung oft nicht mehr verdienen“, so Fuellhaas. Wenn Moore trockenfallen, kommt der Boden mit Sauerstoff aus der Luft in Kontakt. Das löst den Abbau des Torfes aus. Der Boden mineralisiert. Infolgedessen gelangt der im Torf gespeicherte Kohlenstoff in großen Mengen als klimaschädliches Kohlenstoffdioxid in die Luft. Mit Wasser gesättigte Torfböden können dagegen dauerhaft viel Kohlenstoff im Boden speichern. Eine Wiese oder eine Weide auf einem entwässerten Moor setze pro Hektar so viel Klimagase frei wie vergleichsweise Autofahrten über 145.000 Kilometer, berechnete das Team um Prof. Dr. Hans Joosten vom Greifswalder Moor Centrum. Dem Träger des Deutschen Umweltpreises 2021 der DBU zufolge sind Treibhausgas-Emissionen aus entwässerten Mooren bundesweit für sechs bis sieben Prozent der gesamten deutschen Emissionen verantwortlich, „mehr als der gesamte in Deutschland startende Flugverkehr“, so Joosten. Für die Körber-Stiftung waren Fakten wie diese mit ausschlaggebend, um in den Moorschutz zu investieren. Über die nächsten 25 Jahre wird sie die Maßnahme im Gelbensander Forst als freiwillige Kohlenstoffdioxid-Kompensation finanzieren. „Moorschutz ist Klimaschutz, aber auch wichtig für die Artenvielfalt. Werden Feuchtgebiete auf Dauer entwässert, verschwinden seltene Lebensräume und spezialisierte Tiere und Pflanzen“, weiß Fuellhaas.
Vielfältige Landschaft für Spezialisten wie Sumpfschrecken und Libellen
Für Besucherinnen und Besucher der DBU-Naturerbefläche Gelbensander Forst wird die Landschaft vielfältiger und bleibt über die Hauptwege erlebbar. „Wirtschaftsgrünland gibt es in Mecklenburg-Vorpommern viel. Weniger stark genutzte und ungedüngte Feucht- und Nasswiesen sind in Deutschland aufgrund der intensiven Landwirtschaft selten geworden, aber Lebensraum für Spezialisten wie Seggen oder Sumpfdotterblumen, Moorlilien, Sumpfschrecken in den Grünlandflächen oder vielen Libellen- und Amphibienarten in den angestauten Gräben“, erklärt der Biologe. Auch den teils europäisch geschützten Lebensräumen im Wald wie den Erlenbrüchen sowie beispielsweise den dort brütenden Kranichen werde der naturnähere Grundwasserstand guttun.