Rottenburg. Mit einem neu gestarteten Projekt will die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) Licht ins Dunkel bringen. „Es gibt Tier- und Pflanzenarten, die auf lichte Waldstrukturen angewiesen sind, aber bei der heutigen Waldbewirtschaftung kaum Chancen haben“, sagte Alexander Bonde, DBU-Generalsekretär, bei der Übergabe eines Bewilligungsschreibens an die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Ein Beispiel sei der Blauschwarze Eisvogel, eine Tagfalterart, die in Deutschland akut vom Aussterben bedroht ist und heute nur noch auf der Schwäbischen Alb vorkommt. Ihre Raupen entwickeln sich ausschließlich an sonnig stehenden Roten Heckenkirschen. Solche Bedingungen sind derzeit nur auf Kahlschlag- oder Sturmwurfflächen vorzufinden. Das Dilemma für Tagfalter wie dem Blauschwarzen Eisvogel: Kahlschläge werden seit den 80er Jahren kaum mehr durchgeführt und Sturmwurfflächen wachsen allmählich wieder zu. Im Projekt sollen übertragbare Handlungsstrategien zum Schutz der sogenannten Lichtwaldarten entwickelt werden, die auch mit den heutigen Zielen der Waldbewirtschaftung vereinbar sind.
Blauschwarzer Eisvogel beispielhaft für Rückgang von Lichtwaldarten
„Der Rückgang des Blauschwarzen Eisvogels steht beispielhaft für viele Vögel, Reptilien, Säugetiere und Insekten, die auf lichte Lebensräume im Wald angewiesen und mittlerweile extrem gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind“, erläutert Projektleiter Prof. Dr. Thomas Gottschalk, Professor für Naturraum und Regionalentwicklung an der Hochschule Rottenburg. Ehemals existierten Vorkommen dieser Tagfalterart in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Bayern. Ursache ist der Rückgang des Lebensraumes: Historische Waldbewirtschaftungsformen in Deutschland wie Mittel-, Nieder- und Hudewälder sowie die Kahlschlagswirtschaft, die immer wieder für helle Lichtungen im Wald sorgten, wurden flächendeckend aufgegeben. Gottschalk: „Das Bewusstsein für die Bedeutung der Wald-Ökosystemleistungen ist in den letzten vier Jahrzehnten stärker geworden und hat das Waldmanagement beeinflusst.“ Das führe dazu, dass es seitdem mehr Mischwälder mit unterschiedlichen Altersstrukturen und steigendem Totholzanteil gebe. Was sich positiv auf Wasserhaushalt und Bodenökologie auswirke sowie wirtschaftliche Vorteile habe, benachteilige jedoch die sogenannten Lichtwaldarten – denn die Wälder werden dichter und damit dunkler. Mit dem Projekt sollen nun unter wissenschaftlicher Begleitung praxisnahe Maßnahmen in verschiedenen Waldbesitzstrukturen untersucht werden. Hierfür konnten zahlreiche Projektpartner im Alb-Donau-Kreis gewonnen werden, ohne die das Projekt kaum durchführbar wäre.
Enge Kooperation von Wissenschaft, forstlicher Praxis und Waldbesitzern
Da die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) eine Lichtwaldkonzeption plant, konnte sie als Kooperationspartner gewonnen werden. Bonde: „Außerdem ist uns innerhalb des Projektes die Zusammenarbeit mit der staatlichen Forstverwaltung, mit Kommunen und Privatwaldbesitzern sowie die Modellhaftigkeit wichtig.“ Es sollen in enger Absprache mit den Betrieben Maßnahmen wie zum Beispiel das Auflichten von Waldrändern, das Aufweiten von Wegen, das Offenhalten vorhandener Sturmwurf- und Kahlflächen sowie in begrenztem Umfang Kleinkahlschläge zum Schutz von Lichtwaldarten umgesetzt und deren Erfolg über ein Monitoring evaluiert werden. Diese Maßnahmen werden in ein übertragbares forstwirtschaftliches Gesamtkonzept in Form eines Mosaiks lichter Waldstrukturen zusammengeführt, um den Erhalt der gefährdeten Arten zu unterstützen. Für die Kommunal- und Privatwälder sollen die unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten ausgearbeitet und mit den Fachleuten aus Verwaltung, Wissenschaft und Politik erörtert werden.
Projektziel: Entwicklung übertragbarer Handlungsstrategien
Bonde: „Die beschriebenen Maßnahmen erfordern eine intensive Öffentlichkeitsarbeit.“ Unter anderem sind zwei Workshops geplant, mit dem Ziel, sich über Sinn, Zweck und Effizienz von Artenschutzmaßnahmen von Lichtwaldarten auszutauschen und übertragbare Handlungsstrategien zu deren Schutz zu diskutieren. Bei Vor-Ort Begehungen und über Informationstafeln an den Maßnahmenflächen werden Ziele und Vorgehensweise des Projekts erläutert. Zu den untersuchten Schmetterlingen gehören neben dem Blauschwarzen Eisvogel auch der Schwarze Apollofalter, der Silberfleck-Perlmutterfalter sowie das Bergkronwidderchen – allesamt deutschlandweit gefährdete Schmetterlingsarten, die auf gut besonnte Waldlichtungen sowie offengehaltene Waldrandzonen angewiesen sind. Gottschalk: „Erstmalig werden im Rahmen eines Projektes zum einen der Erfolg der Maßnahmen für Lichtwaldarten wissenschaftlich begleitend untersucht und zum anderen Erkenntnisse zur Lebensraumwahl und zur Ökologie gewonnen. Diese Erkenntnisse dienen dazu, übertragbare Artenschutzmaßnahmen effizient und gezielt durchführen zu können.“ Die DBU fördert das Projekt fachlich und finanziell mit 211.000 Euro.