Osnabrück. Erfindergeist, Unternehmermut, Wildnisschutz und Schulterschluss statt Grabenkämpfen zwischen Umwelt und Landwirtschaft – alles innovativ und kreativ für Klima und biologische Vielfalt: Solche herausragenden Leistungen würdigt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) dieses Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis in Höhe von insgesamt 500.000 Euro, einer der höchstdotierten Auszeichnungen in Europa. Zudem wird bei der 30. Auflage 2022 ein Ehrenpreis über insgesamt 20.000 Euro verliehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt die Ehrung am Sonntag, 30. Oktober, in einem Festakt in Magdeburg vor.
„Daniel Düsentrieb-Moment“ im Schiffbau und „Kämpfer für die Wildnis“ – Zusätzlicher Ehrenpreis
Den Deutschen Umweltpreis 2022 teilt sich das Ingenieur-Gespann Friedrich Mewis und Dirk Lehmann mit dem Biologen Dr. Christof Schenck. Der Ehrenpreis geht zu gleichen Teilen an ein Duo: Myriam Rapior vom Umweltverband BUND und Kathrin Muus als Vertreterin der Landwirtschaft. DBU-Generalsekretär Alexander Bonde: „Mewis und Lehmann haben zusammen den Becker Mewis Duct geschaffen. Das ist ein Daniel Düsentrieb-Moment für den Schiffbau.“ Seit Markteinführung 2008 seien dadurch in der Schifffahrt weltweit neben Brennstoff und Energie auch umweltschädliche Treibhausgase (THG) eingespart worden, rund zwölf Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) – so viel wie der jährliche CO2-Ausstoß Tansanias oder Hamburgs. Den Biologen Schenck nannte Bonde einen „Kämpfer für die Wildnis“. Der DBU-Generalsekretär: „Artenverlust ist neben der Klimakrise die große ökologische Herausforderung unserer Zeit. Ohne Artenvielfalt geht es uns Menschen schlecht. Schenck hat es mit unbändigem Einsatz geschafft, große Wildnisrefugien zu schützen – ein Weg, um das Weltnaturerbe für kommende Generationen zu bewahren.“
„Frau Rapior und Frau Muus haben Brücken gebaut zwischen Umwelt und Landwirtschaft“
Rapior und Muus wiederum haben etwas erreicht, was lange Zeit kaum für möglich gehalten wurde, so Bonde. „Frau Rapior als Vertreterin der jungen Umweltbewegung und Frau Muus als junge Engagierte aus der Landwirtschaft sind ein tolles Beispiel dafür, wie Grabenkämpfe zu überwinden sind. Sie haben in der Zukunftskommission Landwirtschaft Brücken gebaut zwischen Umwelt und Landwirtschaft.“ Hauptaufgabe der 2020 von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Zukunftskommission Landwirtschaft: Lösungsansätze für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu finden, die auf ökonomisch tragfähigem Fundament steht. Im Juli 2021 folgte der Abschlussbericht. Bonde: „Die beiden Frauen haben maßgeblich zum Einigungsprozess beigetragen.“
Mewis und Lehmann bringen mit Erfindung „Becker Mewis Duct“ die Schifffahrt auf Klimakurs
Die Zusammenarbeit zwischen Mewis (79) und Lehmann (58) reicht ins Jahr 2001 zurück. Als Tüftler im Schiffbau hatte sich Mewis einen Namen gemacht, Lehmann war Chef des mittelständischen maritimen Unternehmens Becker Marine Systems mit Sitz in Hamburg, dessen Geschäftsführer er heute noch ist. Mewis, 1943 in der Lutherstadt Wittenberg geboren, arbeitete nach seinem Schiffbaustudium in der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam, wechselte 1996 an die Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt. Ging es ihm und Lehmann anfangs um Verbesserung von Rudern für sehr große Containerschiffe, drehte sich ihre Kooperation ab 2007 um die Frage, wie die Effizienz bei großen, langsamen Schiffen zu steigern sei – von Tankern bis zu Massengutfrachtern. Später kamen Containerschiffe hinzu. Die zündende Idee: Mewis kombinierte bekannte Komponenten – der Becker Mewis Duct (BMD) war geboren. Bis zu 60 Tonnen schwer, bis zu sieben Meter im Durchmesser und produziert in zwei Hälften, die am Schiff zusammengeschweißt werden. Und Lehmann hatte den Mut, den BMD gegen alle Widerstände in die Praxis umzusetzen. Mewis erklärt den BMD so: „Eine energiesparende Vorrichtung aus einer Düse mit integrierten Strömungsleitflächen, die vor einem Schiffspropeller montiert wird.“ Der Verbrauch von Schweröl – und der THG-Ausstoß – werden so um bis zu zehn Prozent gesenkt. Positiver Nebeneffekt: leisere Schiffe und geringere Lärmbelastung für Meerestiere wie Wale. Bislang ist der BMD weltweit in 1400 Schiffen eingebaut, 300 Exemplare sind bestellt.
Biologe Schenck will mit der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt die Hot-Spots der Artenvielfalt bewahren
Riesige Wildnisgebiete vor menschlichem Eingriff schützen und bewahren, dafür kämpft Biologe Schenck (60) seit Jahrzehnten erfolgreich. Sein Engagement gilt besonders dem Schutz großer Nationalparks in den tropischen Regenwäldern Amazoniens, des Kongobeckens und Südostasiens. Der im Schwarzwald aufgewachsene Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), will die Hot-Spots der Artenvielfalt langfristig vor dem Zugriff wirtschaftlicher Interessen bewahren und gleichzeitig die nachhaltige Entwicklung und finanzielle Absicherung der Bevölkerung vor Ort gewährleisten. Zwei Voraussetzungen sind ihm bei ZGF-Projekten besonders wichtig: zum einen die vom Geldgeber unabhängige Handlungsfähigkeit, zum anderen die Zustimmung des jeweiligen Landes – „ohne jedoch als Feigenblatt zu dienen“, so Schenck. Er fordert „eine Basis-Finanzierung der Top-Nationalparke“, die oft mit schwankenden Einnahmen zu kämpfen haben. Sein Gegenmittel: die Gründung eines internationalen Naturerbefonds, des Legacy Landscapes Fund. Bonde: „Das bringt international die Absicherung von Schutzgebieten erheblich voran. Naturschutzarbeit kann so auch zu einem entscheidenden Faktor für eine nachhaltige Entwicklung und Stabilität im globalen Süden werden.“
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