Essen. Der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist zum 23. Mal vergeben. Aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck und der DBU-Kuratoriumsvorsitzenden und Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, nahmen heute in Essen der Klima- und Meeresforscher Prof. Dr. Mojib Latif (61, Kiel) und der global agierende Nachhaltigkeitswissenschaftler Prof. Dr. Johan Rockström (49, Stockholm) den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Die DBU will mit der Auszeichnung der Klimaexperten im Vorfeld der Ende November in Paris stattfindenden Klimakonferenz der Vereinten Nationen einen Appell an die internationale Staatengemeinschaft richten, entschlossen zu handeln und so die Zukunft des Planeten Erde zu sichern. Latif und Rockström erhalten je 245.000 Euro. Mit dem bisher viermal von der DBU zusätzlich vergebenen, mit 10.000 Euro dotierten Ehrenpreis wurde Prof. em. Dr. Michael Succow (74, Greifswald) für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement geehrt.
Latif überzeugt Experten und Laien von Bedeutung intakter Ozeane
Die DBU würdigte Latif als einen der herausragenden Klimaforscher Deutschlands. Er weist unter anderem darauf hin, dass der Planet Erde ohne intakte Ozeane für Menschen unbewohnbar zu werden drohe. In zahlreichen Büchern und fachwissenschaftlichen Beiträgen richtet Latif sich an Experten und ein breites Zielpublikum, auch an Kinder und Jugendliche. Er zeige damit seinen hohen wissenschaftlichen Anspruch und Ehrgeiz, Bücher so zu schreiben, dass sich ihre Inhalte einer breiten Öffentlichkeit leichter erschließen.
Rockström liefert wichtige Rahmendaten für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Rockström habe die biophysischen Grenzen für den Planeten festgesetzt, innerhalb derer eine verträgliche sozio-ökologische Entwicklung möglich bleibe. Gemeinsam mit namhaften Experten habe er weltweit verfügbare Daten zum Zustand der Erde zusammengeführt, gewichtet und auf Basis konkreter Messgrößen Belastungsgrenzen für die Erde definiert, die den Planeten von seinem jetzigen, für den Menschen wünschenswerten, stabilen Zustand abbringen könnten – wie zum Beispiel beim Ziel der internationalen Klimapolitik, die globale Erwärmung auf weniger als eineinhalb bis zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Er habe einen konkreten und wichtigen Rahmen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geschaffen.
Succows Engagement sichert Herzstück ostdeutschen Naturschutzes
Ehrenpreisträger Succow gelte national wie international als Ausnahmepersönlichkeit im Naturschutz, unterstrich die DBU. Sein Engagement für große Wildnisgebiete in Deutschland sei einmalig. Innerhalb kürzester Zeit sei es Succow zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung gelungen, mit dem Nationalparkprogramm für den Osten Deutschlands auf einen Schlag fast 18 Prozent der Landesfläche der ehemaligen DDR für die Natur zu sichern. Bis heute habe dieses Herzstück ostdeutschen Naturschutzes aufgrund seiner wegweisenden Konzeption Beispielwirkung auch für den Umweltschutz und die naturverträgliche Landnutzung in Westdeutschland und ganz Europa.
Latif: „Wenn das Klima eine Bank wäre, hätten wir es schon längst gerettet“
Die Preisträger selbst machten in Filmen, die während des Festaktes eingespielt wurden, ihre Positionen und Einstellungen noch einmal deutlich. Latif unterstrich die Bedeutung der Ozeane als „Klimamotoren“. Änderten sich Meeresströmungen, schlage sich das auch auf das Klima nieder. Das Leben der Menschen hänge vom Wohlergehen der Meere ab – auch deswegen dürften sie nicht als Mülldeponien missbraucht und in dem Maße überfischt werden, wie das zurzeit schon der Fall sei. Latif: „Wir müssen aufhören, die Meere zu überfordern.“ Global und generell müssten die Emissionen etwa auf dem heutigen Stand eingefroren werden. Die Warnsignale, die schon jetzt auszumachen seien, müssten ernstgenommen werden. Latif: „Wenn das Klima eine Bank wäre, hätten wir es schon längst gerettet!“ Der Dynamik der erneuerbaren Energien wies Latif eine zentrale Bedeutung zu. Sie könnten so schnell Auswirkungen auf die Klimaentwicklung zeigen, dass Klimaverhandlungen auf politischer Ebene gar nicht mehr gebraucht würden.
Rockström: „Die Frage sollte nie wieder sein, ob wir den Klimaschutz angehen, sondern nur: wie schnell“
Auch Rockström unterstrich im Film die Bedeutung des Wassers als entscheidend für das Leben. Der Umgang mit ihm bestimme in hohem Maße, ob es Hunger gebe, Armut oder sogar Kriege. Mit Blick auf die globalen Kohlendioxid-Emissionen unterstrich Rockström, dass nur noch fünf bis zehn Jahre blieben, sie „radikal zu reduzieren“. Rockström: „Die Menschen wollen das, aber die Politiker entscheiden zu langsam.“ Deshalb sei der anstehende UN-Klimagipfel „wahrscheinlich der wichtigste Klimagipfel, den es je gab. Er ist unsere beste und letzte Chance auf eine sichere Zukunft für das Klima. Die Frage sollte nie wieder sein, ob wir den Klimaschutz angehen, sondern nur: wie schnell.“ Auch sein Modell der planetaren Grenzen, in das die Themen Klimawandel, Versauerung der Ozeane, Ozonloch und Luftverschmutzung eingeflossen sind, werde von den Menschen verstanden, „weil es dem Wachstum keine Grenzen setzt“. Denn wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung müssten nicht beschnitten werden, um das Klima zu retten.
Succow: "Die Rahmenbedingungen für unsere Zivilisation setzt die Natur"
„Ehrenpreisträger Succow unterstrich im Film, die Menschen müssten begreifen, „dass Natur, die wir nicht nutzen, die wir nicht zerstören, etwas Fundamentales ist. Denn dieses ökologisch gebaute Haus braucht eben diesen ungestörten Naturhaushalt. Die Rahmenbedingungen für unsere Zivilisation setzt die Natur.“ Er kritisierte, „immer alles als Fortschritt zu deklarieren, was eigentlich zerstörerisch ist.“ Deshalb seien „Erhalten, Haushalten und Innehalten das, wie wir alle leben können, ohne dabei unglücklicher zu werden.“