Wuppertal. „Die Energiewende und die Energieeffizienz lagen ihm schon am Herzen, als das Thema in den 80er Jahren noch revolutionär neu war und in den Kinderschuhen steckte. Mit außergewöhnlichem Engagement und wissenschaftlicher Kompetenz arbeitet er bis heute erfolgreich für den ökologischen Umbau des Energiesystems, das Einsparen von Energie und die ökonomische Machbarkeit einer Vollversorgung aus erneuerbaren Quellen. Er ist einer der profiliertesten und hartnäckigsten Wegbereiter der Energiewende.“ Mit diesen Worten würdigte heute Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Verleihung des Deutschen Umweltpreises 2014 der DBU an Professor em. Dr. Peter Hennicke (72). Der Ökonom und Professor für Wirtschaftspolitik und Energiewirtschaft sei auf allen Ebenen mit großem Einsatz aktiv: interdisziplinär in der Wissenschaft, beratend in Wirtschaft und Politik sowie informierend in der Öffentlichkeit. Bundespräsident Joachim Gauck wird Hennicke die Auszeichnung am 26. Oktober in Kassel überreichen. Sein Preisgeld: 245.000 Euro.
Anerkannter Wissenschaftler und Experte für nachhaltige Energieversorgung
„Wissenschaftliche Visionen in die Praxis umsetzen“ - so lautet ein zentraler Grundsatz des Preisträgers. „Hennicke ist ein anerkannter und über Jahrzehnte außerordentlich aktiver Wissenschaftler und Experte für eine nachhaltige Energieversorgung. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Energiewende zu schaffen und deren politische Umsetzung in Deutschland voran zu bringen“, sagte Bottermann. Herausragende Merkmale seines Handelns seien die Umsetzung seiner wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene. Ein Ziel, das er mit großem Einsatz, Ausdauer und Hartnäckigkeit erfolgreich verfolge. Seit über 35 Jahren entwickele Hennicke innovative Konzepte der Energieeinsparung und fordere deren Umsetzung ein, was ihm die Bezeichnung „Deutscher Energieeffizienzpapst“ eingebracht habe.
Auslöser: Anti-Atomkraft-Bewegung und Reaktorunglück
Wichtiger Auslöser für sein Engagement sei das Buch „Energie-Wende: Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ (1980) von Florentin Krause (u.a.) gewesen. Zusätzlich angetrieben hätten ihn aber auch die Anti-Atomkraft-Bewegung der 70er und 80er Jahre und seine Tätigkeit im Hessischen Umweltministerium unter dem damaligen ersten grünen Umweltminister Joschka Fischer. Erstmals habe man dort nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 ein Atomausstiegsszenario für Deutschland entwickelt.
"Angewandte Nachhaltigkeitsforschung" neu entwickelt
„Als Pionier und prägende Persönlichkeit nimmt Hennicke seit vielen Jahren eine Vorbildfunktion in der Wissenschaft und für den akademischen Nachwuchs ein, die sich auch in seiner beeindruckenden Publikationsliste von über 230 Veröffentlichungen widerspiegelt“, sagte Bottermann. Besonders hervorzuheben sei die unter seiner Leitung erfolgte Neukonzipierung des Forschungsprogramms am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, das sich methodisch und inhaltlich unter dem Stichwort „Angewandte Nachhaltigkeitsforschung“ zusammenfassen lasse und sich mit der Forschung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien in die gesellschaftliche und wirtschaftliche Praxis beschäftige.
Einfluss auf politische Maßnahmen und Verbreitung der Energieeffizienz
Durch seine herausragenden Tätigkeiten in zahlreichen nationalen wie internationalen Gremien habe Hennicke Einfluss auf wichtige politische Maßnahmen zu einer weiteren Verbreitung der Energie- und Ressourceneffizienz genommen. Aktuell wurde beispielsweise durch seine Initiative am Wuppertal Institut ein „Vorschlag für eine Bundesagentur für Energieeffizienz und Energiesparfonds“ für die Bundesregierung ausgearbeitet.
Wegweisendes Erfolgsrezept für Gelingen der Energiewende
Innovativ und besonders hervorzuheben sei die von ihm schon früh vertretene und wegweisende Überzeugung, dass Wertewandel und Änderungen im Verhalten, gesellschaftliche Akzeptanz, technologische Entwicklungen, rechtliche Umsetzbarkeit und staatliche Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Gelingen der Energiewende ineinandergreifen müssen. Bereits in den 80er Jahren habe er zusammen mit den Koautoren Stefan Kohler und Dieter Seifried ein Konzept zur Neuordnung und Dezentralisierung der leitungsgebundenen, also auf Strom, Erdgas sowie Nah-und Fernwärme bezogenen Energiewirtschaft entwickelt. In seinem viel beachteten, 1985 erschienenen Buch „Die Energiewende ist möglich“ beschreibt er die Kommunen und Stadtwerke als wesentliche Akteure einer Energiewende.
Wissenschaftliche Expertise in energiewirtschaftliche Konzepte eingebracht
Der 1977 in Bremen promovierte Ökonom wurde nach seiner Habilitation mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik 1982 als Professor an die Universität Osnabrück berufen. Von 1988 bis 1992 war er als Professor an der Fachhochschule Darmstadt tätig. In der Unternehmensplanung eines regionalen Energieversorgers sowie von 1986 bis 1988 als Referent für Grundsatzfragen der Energiepolitik im damaligen Hessischen Umweltministerium konnte Hennicke seine wissenschaftliche Expertise in die Weiterentwicklung energiewirtschaftlicher Konzepte einbringen. Von 1985 bis 1988 war er Vorstandsmitglied des Instituts für angewandte Ökologie (Öko-Institut, Freiburg).
Politischer Berater auf nationaler und internationaler Ebene
Hennicke wurde zwischen 1987 und 2002 drei Mal in die Enquete-Kommissionen der Bundesregierung zum Schutz der Erdatmosphäre sowie zur nachhaltigen Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung berufen. Im Oktober 1992 übernahm er die Abteilung Energie am Wuppertal Institut und leitete von 2000 bis zu seinem Ruhestand 2008 das renommierte Forschungsinstitut. Zeitgleich hatte er von 1992 bis 2008 den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Energiepolitik an der Bergischen Universität in Wuppertal inne. Seither ist er vielfältig als Berater tätig. Seit 2012 ist er als Repräsentant des Europäischen Parlaments Mitglied des „Management Boards der European Environmental Agency“ (EEA/Kopenhagen). Aktuell arbeitet er unter anderem am Wuppertal Institut in einem internationalen Projekt, das eine umfassende Wissensplattform
(bigEE.net) zur Energieeffizienz in Gebäuden aufbaut. Im März 2014 wurde er in den Club of Rome aufgenommen. Ab Oktober 2014 ist er als Gastprofessor an der Universität Lund/Schweden tätig.