Detox auf dem Acker: Mit weniger Pestiziden Ernährung sichern

Tagung zur DBU-Förderinitiative – 4,7 Millionen Euro für Projekte

Osnabrück. Mit einer Abschlussveranstaltung heute (Dienstag) und morgen geht die seit 2020 laufende Förderinitiative der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zur Vermeidung und Verminderung von Pestiziden in der Umwelt unter dem Titel „Detox auf dem Acker“ zu Ende. „Wir können Wege für einen nachhaltigeren Umgang mit Böden, Wiesen, Wasser und Luft finden“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Das ist ein wichtiges Ergebnis unserer Förderinitiative. Landwirtschaft und Umweltschutz hängen eng zusammen. Die Beispiele aus der Praxis zeigen, wie die Sicherung sowohl von Nahrung als auch Natur gelingt.“ Die DBU hat im Zuge der Förderinitiative rund ein Dutzend Projekte unterstützt – mit insgesamt 4,7 Millionen Euro.

Zweitägige Konferenz mit Keynote, Impulsvortrag und Podiumsdiskussion

Bei der Vermeidung oder Verringerung von Pflanzenschutzmitteln in der Umwelt fällt dem Agrarsektor eine Schlüsselrolle zu. Denn vor allem in intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaften sind Pestizide eine Hauptursache für Arten- und Lebensraumverlust und den Rückgang biologischer Vielfalt. Doch es gibt alternative Lösungen – zum Wohl von Landwirtschaft und Umwelt. Die zweitägige Konferenz im DBU Zentrum für Umweltkommunikation startet heute Mittag nach der Begrüßung durch Dr. Maximilian Hempel, Leiter der DBU-Abteilung Umweltforschung, mit einer Keynote von Prof. Dr. Jens Dauber vom Thünen-Institut Braunschweig. Sein Anliegen: Stellschrauben für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Reichlich Gesprächsstoff dürften anschließend neben Hempels Erläuterungen zur DBU-Förderinitiative ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Dirk Bunke vom Ökoinstitut Freiburg zu Zielkonflikten und Handlungslösungen beim Spagat Pflanzenschutz sowie eine Podiumsdiskussion zur Frage liefern, ob Ernährungssicherung in intakten Ökosystemen auch ohne Pestizide möglich ist. Morgen steht die Tagung ganz im Zeichen diverser Workshops, unter anderem zu den Themen Monitoring und Kooperationsmodelle, Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln durch Digitalisierung sowie dem Potenzial von Nützlingen.

Zu viel chemischer Pflanzenschutz eine Gefahr für die biologische Vielfalt – und damit für den Menschen

Die Ambition der DBU-Förderinitiative erklärt Bonde folgendermaßen: „Es geht um zukunftsfähige Perspektiven für Bäuerinnen und Bauern, damit deren wirtschaftliche Existenzgrundlage selbst bei Verzicht und Reduktion von Pestiziden gesichert bleibt. Die Ideen und Innovationen sollen aber zugleich der Umwelt zugutekommen.“ Denn zu viel chemischer Pflanzenschutz bedrohe die biologische Vielfalt – „mit direkten Folgen für Menschen. Sinkt zum Beispiel die Zahl von Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und Käfern, werden auch weniger Kulturpflanzen bestäubt, von Kirschen und Kaffee bis Erdbeeren, Raps und Wassermelonen“, so Bonde. Tatsächlich sind von den etwas mehr als 100 weltweit am meisten angebauten Kulturpflanzen rund 90 auf Bestäubung angewiesen. Käme es zu einem Worst-Case-Szenario und einem Totalverlust unter den Bestäubern, droht laut Experten ein nahezu vollständiger Ernteverlust. Bonde: „Deshalb ist ein Detox auf dem Acker – aber auch in der gesamten Umwelt – so notwendig.“

„Viele innovative und zugleich nicht-chemische Pflanzenschutzmethoden“

Nach den Worten von DBU-Abteilungsleiter Hempel ist davon auszugehen, „dass derzeit in Deutschland im vergangenen Vierteljahrhundert der Pestizidverkauf kaum zurückgegangen ist“. Hempel zufolge kommen demnach bundesweit jedes Jahr etwa 30.000 Tonnen Wirkstoffe in ungefähr 90.000 Tonnen Pflanzenschutzmittelprodukten zum Einsatz. Und nach aktuellen Angaben des Umweltbundesamtes auf Grundlage von Daten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit waren 2021 bundesweit 950 Pflanzenschutzmittel mit 1.809 Handelsnamen zugelassen. Hempel: „Wir haben 2020 die Förderinitiative zur Pestizidvermeidung auch deshalb ins Leben gerufen, weil zwar die Nachfrage nach umweltschonenden Pestizid-Alternativen hoch, das praxiserprobte Angebot allerdings recht überschaubar ist.“ Nun, zum Abschluss der Förderinitiative, „können wir ein erfreuliches Ergebnis vorlegen: Zusammen mit den Projektpartnern ist es gelungen, viele innovative und zugleich nicht-chemische Pflanzenschutzmethoden zu entwickeln. Darauf lässt sich hervorragend aufbauen.“ Das soll auch ein Anreiz für kluge Köpfe sein. Denn das Bewerbungsverfahren für die DBU-Förderinitiative Pestizidvermeidung ist zwar abgeschlossen. „Aber im Zuge der DBU-Fördertätigkeit können natürlich zu diesem wichtigen Umweltschutz-Thema weitere Projektanträge eingereicht werden“, so Hempel. Der Link dazu: www.dbu.de/antragstellung.

Nützlingsrollwiesen: wie ein Rollrasen im Fußballstadion

Ein besonders erfolgreiches Projekt der DBU-Förderinitiative war laut Hempel die in der Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim entwickelte Idee einer Nützlingsrollwiese im Freilandbau – zunächst für Salatkulturen und Kohlrabipflanzen. Der Trick: Die Nützlingsrollwiese wird auf einem Geflecht von Hanf und Kokosfasern vorkultiviert und mit gewünschten Nützlingen als Schädlingsbekämpfer bestückt. Pünktlich zur Pflanzung etwa von Kopfsalat wird die Nützlingsrollwiese ins Freiland gebracht – ähnlich wie ein Rollrasen im Fußballstadion oder eigenen Hausgarten. Anderes Beispiel: Ein Team aus dem bayerischen Straubing hat für den Gemüseanbau ein biobasiertes Mulchverfahren in die Praxis umgesetzt. Dabei dient eine Zwei-Komponenten-Mischung aus nachwachsenden Rohstoffen als Mulchmaterial und wird per Spritzgerät ausgebracht. Das Material ist biologisch abbaubar, geliert schnell auf der Erdoberfläche und härtet aus. Das Ziel: Beikräuter werden in ihrer Keimung gehemmt und bereits gekeimte Pflanzen am Wachstum gehindert.

Fotos nach IPTC-Standard zur kostenfreien Veröffentlichung unter www.dbu.de

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