Osnabrück. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt will mit ihrem neuen Verwaltungsgebäude in Osnabrück "in bauökologischer Hinsicht neue Maßstäbe setzen". Sie demonstriert - so ihr Generalsekretär Fritz Brickwedde weiter - mit dem Gebäude Möglichkeiten des ökologischen Bauens. Neben der Auswahl umweltverträglicher Baustoffe sei besonderer Wert auf das Thema Energieeinsparung gelegt worden. Nach 18monatiger Bauzeit hat die größte Umweltstiftung Europas jetzt ihr neues Zuhause bezogen, das als Niedrigenergie-Verwaltungsgebäude die Vorgaben der neuen Wärmeschutzverordnung weit übertrifft. Erstmalig in Deutschland wurde Recyclingbeton bei tragenden Wänden eingesetzt. Der Neubau und eine umgebaute denkmalgeschützte Villa werden am Samstag durch den Vorsitzenden des Stiftungskuratoriums, Bundesbankpräsident Dr. Hans Tietmeyer, eingeweiht.
Eine Villa und 160 Jahre alte Bäume als Ausgangspunkt
Im Rahmen einer Pressekonferenz gingen am Donnerstag Brickwedde und die Architekten Professor Erich Schneider-Wessling (Köln), Rolf Bohl und Klaus Burlage (beide Osnabrück) auf Einzelheiten des Bauprojektes ein. Brickwedde erinnerte daran, daß die Stiftung nach Aufnahme ihrer Arbeit am 1. März 1991 in Osnabrück bereits direkt mit der Standortsuche begonnen hatte. Die Wahl war schließlich auf das Grundstück "An der Bornau" mit seiner über 160 Jahre alten, denkmalgeschützten Villa und einem parkähnlichen Baumbestand gefallen.
Nicht einmal ein Jahr vom Spatenstich bis zum Richtfest
Nach einem Realisierungswettbewerb für Architekten, die über Erfahrungen auf dem Sektor des ökologischen Bauens verfügen, wurde im April 1992 der Auftrag für den Neubau an das Büro Professor Schneider-Wessling, für den Umbau der Villa an das Büro Burlage vergeben. Nach umfangreichen, vorbereitenden Baumschutzmaßnahmen wurde im August 1993 der Bauauftrag an die Firma Köster-Bau (Osnabrück) als Generalunternehmer vergeben. Mit der Projektsteuerung wurde die Niedersächsische Gesellschaft für Landesentwicklung und Wohnungsbau (NILEG) beauftragt. Der erste Spatenstich folgte am 17. September 1993, das Richtfest am 15. Juli 1994.
Bauen, ohne die natürliche Umgebung zu zerstören
Klar gewesen sei von Anfang an, so Brickwedde, daß ökologisches Bauen die natürliche Umgebung erhalten müsse, soweit das möglich sei. Entstanden sei so die für das Gebäude gefundene Hufeisenform, die den Baumkonturen des Parks folge und die über 160 Jahre alte Buchengruppe als Mittelpunkt umschließe. Bewußt sei eine komplexe, mehrgeschossige Bauweise gewählt worden, um den Anteil der versiegelten Fläche möglichst gering zu halten. Auf den Bau einer ursprünglich vorgesehenen Tiefgarage sei verzichtet worden, um den historischen Baumbestand nicht zu gefährden. Zu seinem Schutz sei auch vor dem Setzen der Fundamente ein Wurzelvorhang angelegt worden.
Baustoffe, die Wasser, Luft und Böden so gering wie möglich belasten
Bei der Auswahl der einzusetzenden Baustoffe seien die ökologischen Aspekte in der Herstellung, der Verarbeitung, während der Nutzung und bei der Entsorgung berücksichtigt worden, wobei alle Lebensphasen eines Baustoffes betrachtet worden seien. Brickwedde: "Bei der Herstellung dürfen Wasser, Boden und Luft nur so gering wie eben nötig belastet werden. Der Energieverbrauch für die Herstellung darf ebenfalls nur gering sein. In der Bauphase darf bei der Verarbeitung der Stoffe keine Gesundheitsgefährdung der Handwerker - beispielsweise durch giftige Dämpfe - auftreten. Die Nutzer dürfen natürlich auch nicht in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden. Der Baustoff soll möglichst lange halten und nicht aufwendig zu pflegen sein, weil Ersatz oder Pflege eines Baustoffes natürlich auch mit Materialeinsatz und Umweltbelastungen verbunden ist. Und schließlich: ein Baustoff muß leicht wiederzuverwerten beziehungsweise zu entsorgen sein - später einmal. Die im neuen Verwaltungsgebäude eingesetzten Materialien sind zum größten Teil wiederverwertbar."
Recyclingbeton, Dachbegrünung und Naturfarben
So sei zur Dämmung aus Quarzsand unter Zugabe von Kohlenstoff hergestelltes Schaumglas eingesetzt. Die tragenden Wände bestünden - erstmals in Deutschland durch Zustimmung im Einzelfall genehmigt - aus Recyclingbeton, der aus zerkleinertem und gesiebtem Altbetonbruch besteht. Die hölzernen Fassadenelemente seien innen mit Naturfarben gestrichenem und außen durch Aluminiumabdeckungen geschützt. Das sei zwar, so Brickwedde, in der Herstellung energieaufwendiger, führe aber zu einer deutlich längeren Lebensdauer des Holzes und einer Verringerung der Wartungsintervalle. Eingesetzt worden seien außerdem im Innenbereich aus zerkleinertem Zeitungspapier hergestellte Zellulose-Dämmstoffe. Eine Dachbegrünung schaffe neuen Naturraum als - teilweisen - Ausgleich für die durch den Gebäudekomplex versiegelte Bodenfläche. Der kompostierbare Teppichboden in Neubau und Villa bestehe im Obermaterial aus Schurwolle, das mit einem Naturlatexkleber verbunden sei mit dem Trägergewebe aus Baumwolle und Jute.
Zylinder schonen die Umwelt
Weil ökologisches Bauen auch immer energiesparendes Bauen heiße, so Brickwedde weiter, sei auch diesem Anspruch Rechnung getragen worden. Die Form eines Gebäudes entscheide über die Wärmeverluste. Da immer weniger Wärme verloren gehe je geringer die Oberfläche eines Hauses im Vergleich zum Nutzvolumen sei, bestehe der Neubau aus mehreren aneinandergereihten Zylindern, die nach der Kugel unter diesem Aspekt günstigste Form.
Durch eine spezielle, dreifache Wärmeschutzverglasung würden die Wärmeverluste gegenüber einer normalen Doppelverglasung um zwei Drittel verringert. Das funktioniere, weil nicht nur eine Mehrfachverglasung gewählt worden sei, sondern auch die Luftbewegung in den Scheibenzwischenräumen durch den Austausch von Luft gegen das schwere, trägere Gas Argon vermindert werde. Einen zusätzlichen Effekt leisteten die beiden auf die inneren Glasscheiben aufgedampften, dünnen Metall-oxidschichten, die die Wärmestrahlung aus dem Innenraum zu einem großen Teil reflektierten. Allein durch die passive Sonnenenergienutzung würden rund 19 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr an Heizenergie eingespart - das mache fast ein Drittel des Bedarfs aus, der sonst für das ganze Haus benötigt worden wäre. Tatsächlich werde ein Heizenergiebedarf von rund 45 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr für das Gebäude erwartet.
Tageslicht statt Glühbirne
Neben dem Raumwärmebedarf eines Gebäudes spiele auch die Ausleuchtung durch das Tageslicht eine große Rolle für den Gesamtenergiebedarf - speziell bei Verwaltungsgebäuden. Der Generalsekretär: "Durch die großzügige Verglasung des Neubaus, die fünf Lichttürme und die Oberlichtverglasung zu den Fluren findet sehr viel Tageslicht den Weg in die Büros." Die Zeit, in der eine künstliche Beleuchtung von Büros und Fluren notwendig sei, könne stark reduziert werden: An 87 Prozent aller Bürostunden des Jahres zwischen 9 und 17 Uhr werde durch Tageslicht eine Beleuchtung von mehr als 180 Lux erreicht. Dies genüge damit den Anforderungen der entsprechenden Deutschen Industrie-Norm (DIN). Sonnenkollektoren sorgten schließlich für die Erwärmung von Brauchwasser für den Küchenbereich mit einem Deckungsanteil im Jahresmittel von 60 bis 70 Prozent.