Osnabrück/Bonn/Altwarp. Wenn sich im sonst eher beschaulichen Küstenort Altwarp am Stettiner Haff Dr. Till Backhaus, Umweltminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), und Paul Johannes Fietz, Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), ein Stelldichein auf einer Düne geben, muss dies schon einen besonderen Grund haben. Nach rund 50 Jahren ohne Schafe auf der Altwarper Binnendüne gibt es am Standort wieder einen Schäfer. Hierfür erhielten die drei Projektpartner - das DBU Naturerbe als Flächeneigentümerin, der Bundesforstbetrieb Vorpommern-Strelitz für die Steuerung vor Ort und der Landwirtschaftsbetrieb Tierproduktion Haffküste als landschaftspflegender Tierhalter - heute den begehrten Preis der UN-Dekade biologische Vielfalt.
Vorzeigeprojekt gemeinsam gestemmt
Bereits im Grußwort durch DBU-Generalsekretär Alexander Bonde wurde klar – diese Leistung war nur gemeinsam zu stemmen. Eine extensive Beweidung der Düne wurde schon seit Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet im Jahr 1990 angestrebt. So sollten die wertvollen offenen Dünenbereiche mit ihrem lockeren Bewuchs erhalten werden. Aber alle Bemühungen scheiterten; die Düne wuchs stetig weiter zu und mit den offenen Sandflächen zogen sich viele bedrohte Arten zurück, darunter die pinkblühende Kartäusernelke oder der Ziegenmelker, eine Nachtschwalbenart, deren charakteristischer Ruf nachts erklingt.
Von der Idee zur Umsetzung
„Als die Fläche dann im Rahmen des Nationalen Naturerbes für den Naturschutz gesichert wurde und ins Eigentum der DBU Tochtergesellschaft überging, haben wir das Thema aufgegriffen“, so Prof. Dr. Werner Wahmhoff, fachlicher Leiter des DBU Naturerbes. „Der Bundesforstbetrieb Vorpommern-Strelitz plante für uns im Jahr 2016 die extensive Beweidung mit Schafen.“ Bis zur Umsetzung war es dann noch ein beschwerlicher Weg, denn in der Umgebung gab es keinen Betrieb mit Schafhaltung mehr. Es war ein großes Glück, dass der Biobetrieb Tierproduktion Haffküste mit Herden-Managerin Rita Hoffmann für das Projekt gewonnen werden konnte, sind sich Susanne Belting (DBU) und Arne Truckenbrodt vom Bundesforstbetrieb Vorpommern-Strelitz einig. Rita Hoffmann ist gebürtige Altwarperin und kennt den alten Dünenschäfer noch aus Kindertagen. Sie schaffte 2017 eine Herde „Rauwollige Pommersche Landschafe“ an und die Beweidung mit der alten, in der Region beheimateten Haustierrasse begann.
Herausforderung Wolf
Eine Herausforderung stellte der Umgang mit dem Wolf dar, der das Gebiet durchstreift. Nach intensiver Beratung schützt die Herde am Tage ein Gitter-Elektrozaun. Die Nacht verbringen die Tiere in einem umgebauten Transportwagen, genannt „Sch(l)afwagen“. Der sichere Nachtpferch erhöht dabei auch den angestrebten Nährstoffentzug, da der im Wagen anfallende Mist nicht auf die Flächen zurückgeführt wird. Mittlerweile ziert den Sch(l)afwagen ein Portrait des letzten Altwarper Schäfermeisters, Fritze Krüger. Dieser hatte am Standort bis um 1970 „Pommern-Schafe“ gehütet; zum Projektstart in 2017 hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert.
Gegen den Trend
Der Bundesforst ist ein Geschäftsbereich der BImA. Deren Vorstandsmitglied Paul Johannes Fietz erläuterte, wie sich die Region mit dem Projekt gleich mehrfach gegen den Trend stemmt. „Der traurige Normalfall ist, dass schafhaltende Betriebe aufgeben müssen, weil sie keine wirtschaftliche Perspektive haben. Hier dagegen beginnt ein Betrieb mit der Schafhaltung. Alte Rassen, auch das rauwollige Pommersche Landschaf, stehen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Haustierrassen. Hier dagegen gibt es eine neue Herde“, stellte Paul Johannes Fietz klar. „Historisch gewachsene Kulturlandschaften fallen brach oder werden intensiviert. Hier dagegen werden sie erhalten, und mit ihnen eine Vielfalt von Arten und Lebensräumen.“
Zukunftsweisende Beweidung
Besonders erfreulich für alle Beteiligten ist, dass die Binnendüne „nur“ den ersten Schritt im Projekt darstellt: Gemäß Naturerbe-Entwicklungsplanung für die Ueckermünder Heide sollen weitere Magerstandorte mit Schafen extensiv beweidet werden. Ersteinrichtende Maßnahmen auf den betreffenden Flächen sind bereits erfolgt. Die Lämmer von der Düne dienen nun dem weiteren Herdenaufbau. Ab 2019 soll der Dünenschäfer weiterziehen – auf die nächste Projektfläche.
Die Preisverleihung
Till Backhaus verlieh den UN-Dekadepreis für das Projekt „Der Dünenschäfer kehrt zurück“ sichtlich zufrieden – wen wundert es ob so viel gemeinschaftlichen Engagements für Natur und Kultur in „seinem“ Bundesland. „Die Dünenschäferei trägt zum Erhalt eines faszinierenden Lebensraumes und bedrohter Arten bei“, würdigte er. Auch der Leiter der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Dietmar Weier, und der Bürgermeister der Gemeinde Altwarp, Rolf Bauer, zeigten sich froh, dass das Beweidungsprojekt so erfolgreich angelaufen ist. Beide waren von Anfang an in das Projekt eingebunden und betonten: Das Projekt locke Touristen an, vor allem aber bedeute das Wiederaufleben der tradierten Nutzung für die Bürger ein Stück Heimat. Als Ehrengast der Veranstaltung war natürlich auch die Familie des letzten Altwarper Schäfermeisters geladen und schwelgte in Erinnerungen. Nur die Schafe ließ der Rummel auf der Fläche augenscheinlich unbeeindruckt. Während der Ehrung machten sie einfach ihren Job – kauen und verdauen.
Naturschutz auf rund 70.000 Hektar ehemaliger Militärfläche
Die gemeinnützige DBU-Tochter versteht sich als Treuhänderin des Nationalen Naturerbes für nachfolgende Generationen. Die DBU-Naturerbefläche Ueckermünder Heide ist eine von 70 Flächen der Gesellschaft. Sie hat die rund 6880 Hektar (ha) große Liegenschaft, die zukünftig auf 9600 ha erweitert wird, 2008 vom Bund als Teil des Nationalen Naturerbes übernommen. In enger Zusammenarbeit mit den Bundesforst-Beschäftigten vor Ort sollen auf bundesweit insgesamt rund 70.000 ha im Eigentum der Stiftungstochter – größtenteils ehemalige Militärflächen – offene Lebensräume mit seltenen Arten durch Pflege bewahrt, Wälder möglichst ohne menschlichen Eingriff ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, artenarme Forste zu naturnahen Wäldern umgewandelt und Feuchtgebiete sowie Gewässer ökologisch aufgewertet oder erhalten werden.
Ansprechpartner für Fragen zur Fläche: Thomas Schroeder, Tel. 039771|5296-0