Wiesenfelden. „Hubert Weinzierl ist einer der ganz wenigen Zeitzeugen, die den organisierten Naturschutz aus der Nische in das Zentrum unserer Gesellschaft gerückt haben.“ Mit diesen Worten würdigte heute Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), das Lebenswerk des Umwelt- und Naturschützers. Seit 60 Jahren engagiere sich der gelernte Land- und Forstwirt national und international für Ökologie- und Naturschutz. Bottermann: „Weinzierl ist nicht eine, er ist die tragende Persönlichkeit des Naturschutzes in Deutschland. Er hat wichtige Akzente für Nachhaltigkeit, Schöpfungsverantwortung und den Schutz der Artenvielfalt gesetzt. Er versteht es, seine Leidenschaft für die Natur mit modernem Unternehmergeist zu verbinden.“ Dafür wird Weinzierl (78) am 26. Oktober bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises der DBU in Kassel von Bundespräsident Joachim Gauck den „Ehrenpreis Lebensleistung“ der DBU überreicht bekommen.
"Profiliertester Naturschützer Deutschlands"
„Vordenker, Visionär, Naturschutzpräsident: Hubert Weinzierl gilt vielen als profiliertester Naturschützer Deutschlands und Integrationsfigur von klassischem Naturschutz und moderner Umweltpolitik“, sagte Bottermann. Für Weinzierl sei Naturschutz kein Beruf, sondern eine Denkweise. Seit seinem Studium der Forstwissenschaft habe sich Weinzierl aktiv und mit viel Zivilcourage in der Naturschutzbewegung engagiert. Eine besonders prägende Phase seines Naturschützer-Wirkens sei das Schaffen des Nationalparks im Bayerischen Wald gewesen sowie sein Mitwirken beim Zustandekommen des ersten Umweltministeriums in Bayern. Der wohl wichtigste Prozess, den der unternehmerische Naturschützer angeschoben habe, war es, Ökologie und Politik zueinander zu bringen, den Naturschutz parteiübergreifend politikfähig zu machen. Dafür habe er auch die Auseinandersetzung mit der Politik nicht gescheut, immer mit dem Ziel einer globalisierten, ganzheitlichen Welt- und Umweltpolitik vor Augen.
Vom Unternehmer zum bedeutenden Vorreiter der Ökologiebewegung
„Weinzierls Lebensgeschichte vom Unternehmer zum bedeutenden Wegbereiter der Ökologiebewegung in Deutschland ist ein Beweis dafür, dass Ökonomie und Ökologie kein Widerspruch sein müssen“, sagte Bottermann. Als Sohn einer Unternehmerfamilie, die einen Steine-und-Erden-Betrieb unterhielt, habe er es in beispielhafter Weise verstanden, seine Leidenschaft für die Natur mit modernen Managementmethoden eines Unternehmers zu verbinden. Er habe bereits in den 50er Jahren großräumige Rekultivierungsmaßnahmen von Kiesgruben initiiert. Bei der Umstellung seines Landwirtschaftsbetriebs auf Biolandbau habe er Pionierarbeit geleistet und damit zur Entwicklung des ökologischen Landbaus beigetragen.
Impulse für nachhaltigen Lebensstil und praktischen Artenschutz gegeben
Beispielhaft seien besonders seine Impulse für die Umweltbildung, einen nachhaltigen Lebensstil, für die Begegnung von Kultur- und Naturwissenschaft sowie für den praktischen Artenschutz - etwa die Wiedereinbürgerung von ausgerotteten Tierarten wie Biber, Uhu, Luchs oder Wildkatze. Weinzierl habe immer zu Bedenken gegeben, dass Deutschland einen großen Nachholbedarf beim Erhalt der biologischen Vielfalt habe und dass die Verringerung der Artenvielfalt ungebremst voranschreite. Die Zerstörung der biologischen Vielfalt und das Artensterben würden durch den Klimawandel und die Konkurrenz um Flächen noch verstärkt. Moore und intakte Waldgebiete müssten als Speicher von Kohlendioxid geschützt werden. Auch der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien sei für ihn angesichts der Endlichkeit fossiler Energieträger, der messbaren Klimaveränderungen und der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ohne Alternative. Weinzierl habe den „Ehrenpreis Lebensleistung“ der DBU verdient, weil er Natur- und Umweltschutz als eine persönliche Berufung betrachtet und in Zeiten des mit vielen Umweltbelastungen verbundenen Wirtschaftswachstums persönlich auch stets praktiziert und gelebt habe. So habe er mit der 1970 von ihm gegründeten Aktion „Saubere Landschaft“ den damals ganz neuen Gedanken des Recyclings zum Kampf gegen die dramatische Umweltverschmutzung durch achtloses Wegwerfen von Müll angestoßen.
Modernes Verständnis von umweltpolitischen Naturschutzverbänden
Die Liste von Weinzierls ehrenamtlichen Funktionen und Ämtern in Naturschutzverbänden und -organisationen ist lang: 1964 Mitglied im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings (DNR), 1965 bis 1972 ehrenamtlicher Regierungsbeauftragter für Naturschutz in Niederbayern und 1970 Sonderbeauftragter des Deutschen Naturschutzrings für das Europäische Naturschutzjahr. Von 1969 bis 2002 war Weinzierl Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern (BN). Mit Hilfe von Weinzierls unternehmerischen Organisationsstrategien sei dort schon in Weinzierls jungen Jahren die Wende vom kleinen, unpolitischen und eher geselligen Verein zu einem bedeutsamen naturschutz- und umweltpolitischen Interessenverband sowie die bundesweite Ausdehnung zum Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vollzogen worden. Diesem saß er von 1983 bis 1998 vor. Weinzierl habe ein modernes Verständnis von Nicht-Regierungsorganisationen in Deutschland geprägt und vorgelebt.
Großes Engagement für die DBU: Sicherung des Nationalen Naturerbes
Zehn Jahre lang war Weinzierl von 2002 bis 2012 Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und von 2001 bis 2013 Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. Für ein Jahrzehnt hatte Weinzierl von 2003 bis 2013 den Vorsitz des Kuratoriums der DBU inne, den er mit großem Zeitaufwand ausgeführt habe. „Sein Engagement für die DBU kam aus Überzeugung, tiefstem Herzen und großem Verantwortungsbewusstsein. Als Kuratoriumsvorsitzendem waren ihm die Sicherung des Nationalen Naturerbes, die Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Debatte über Lebensstile ein großes Anliegen“, betonte Bottermann. So habe Weinzierl 2007 die Gründung der Naturerbe GmbH, eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der DBU, mit forciert. Mit der Übernahme und Sicherung von rund 60.000 Hektar großen, weitgehend unzerschnittenen Lebensräumen ist die DBU seither auch selbst im heimischen Natur- und Artenschutz aktiv.
Auf der internationalen Umweltschutzbühne aktiv gewesen
Auch international habe Weinzierl auf der großen Bühne des Umweltschutzes schon früh eine zentrale Rolle gespielt: 1972 auf der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen (United Nations, UN) in Stockholm, 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro und 2002 als Mitglied der deutschen Delegation auf dem Erdgipfel in Johannesburg. Auf Weltreisen in alle Kontinente habe sich Weinzierl in den 60er- und 70er-Jahren vor Ort über die Naturschutzprobleme informiert. In über 50 Publikationen und zahlreichen Fachaufsätzen habe Weinzierl seine Erfahrungen, Eindrücke und sein Expertenwissen zum Thema Naturschutz und Umweltpolitik festgehalten.
Lebensleistung: Naturschutz als Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung
Bottermann: „Der ‚Ehrenpreis Lebensleistung‘ soll ein sichtbares Zeichen für die Leistung und den Einfluss von Hubert Weinzierl auf wichtige ökologische Entwicklungen, Ereignisse und Erfolge sein.“ Für ihn sei der Naturschutz bereits seit rund 60 Jahren ein integrativer Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung. Deshalb habe Weinzierl dem Engagement der Umwelt- und Naturschutzstiftungen immer eine wichtige und zukunftsorientierte Funktion zugeschrieben. Gemeinsam mit seiner Frau, der Theologin Beate Seitz-Weinzierl, baute er in Wiesenfelden in Niederbayern ein Umweltbildungszentrum auf, umgeben von Naturschutzgebieten und vielfältigen Landschaften als Lern- und Erlebnisorte. Um das Bildungszentrum dauerhaft zu erhalten, gründete er 2006 mit seiner Frau die „Beate und Hubert Weinzierl Stiftung“ zur Förderung von Umweltbildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Umwelt- und Naturschutz.
"Ehrenpreis Lebensleistung" zum vierten Mal verliehen - 10.000 Euro Preisgeld
Die DBU verleiht dieses Jahr zum vierten Mal den mit 10.000 Euro dotierten „Ehrenpreis Lebensleistung“ im Rahmen des Deutschen Umweltpreises, des mit insgesamt 500.000 Euro höchst dotierten Umweltpreises Europas. Bisher wurden Michail Gorbatschow, Professor Dr. Hannelore „Loki“ Schmidt (†) und Professor Heinz Sielmann (†) mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet.