Landshut. Die kleine Waldblume liebt schattige Plätze mit ausreichend Feuchtigkeit. Ihre Bestände gehen vielerorts zurück, da naturnahe Feuchtwälder immer seltener werden. Auf dem ehemaligen Standortübungsplatz Landshut, heute eine Fläche der gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), dem DBU Naturerbe, wächst die „Blume des Jahres 2022“ noch: die vierblättrige Einbeere. Mit ihrer Wahl hat die Loki Schmidt Stiftung zum Schutz dieser Pflanze und ihres artenreichen Lebensraumes – dem alten, wilden und naturnahen Wald – aufgerufen.
‚Blume des Jahres 2022‘ liebt schattige Waldstandorte mit alten Bäumen
Die Einbeere ist gerade jetzt im Hochsommer gut zu erkennen: Die bis zu 30 Zentimeter große Pflanze hat vier Laubblätter unter der mittig sitzenden Frucht. Eine einzige schwarze oder dunkelblaue Beere thront quasi über der Pflanze. Einbeere – der Name ist Programm. Zeitgleich mit Heidelbeeren reift die Frucht zwischen Juli und September heran. Für den Menschen ist die glänzende Beere allerdings giftig. Mäuse und andere Waldtiere fressen die Beere jedoch und verbreiten sie mit ihren Ausscheidungen. Die Einbeere wächst oft in Gruppen, da sie sich wie Buschwindröschen vor allem unterirdisch über Erdsprossen, sogenannte Rhizome, ausbreitet. Mehrere überirdische Pflanzen können so unter dem Boden miteinander verbunden sein. Die einzelnen Triebe sind Klone, die genetisch identisch sind. Über die Rhizome und die einzige Beere kann sich die ‚Blume des Jahres‘ allerdings nur langsam vermehren – in einem Jahr überbrückt sie so oft nur weniger als 30 cm. Sie bevorzugt einen langlebigen, natürlichen Laubwald mit konstanten, stetig feuchten, Bedingungen. Klimawandel, Trockenheit und Bodenverwundungen durch schwere Maschinen machen der Einbeere zu schaffen.
Belting: „Wir brauchen mehr Wasser in der Landschaft“
Die ‚Blume des Jahres 2022‘ kommt vor allem in Hartholz-Auenwäldern, feuchten Buchenwäldern, Erlen-Eschenwäldern und Erlenbruchwäldern vor. Sie bevorzugt feuchte, nährstoffreiche Böden und zeigt hohe Grundwasserstände und Sickerwasser an. „Viele Böden in Deutschland werden über Gräben entwässert, um sie wirtschaftlich besser nutzen zu können“, erklärt Dr. Charlotte Seifert, Koordinatorin für die DBU Naturerbe-Entwicklungsplanung. Da naturnahe, feuchte Wälder immer seltener werden, ist die Einbeere in mehreren Bundesländern Norddeutschlands mittlerweile eine gefährdete Pflanzenart. Der Wald im DBU Naturerbe soll langfristig sich selbst überlassen werden und sich natürlich entwickeln – auch auf dem ehemaligen Standortübungsplatz Landshut. „Im Zuge des Klimawandels werden Hitzewellen und Dürren zukünftig viel häufiger vorkommen. Wenn wir unsere feuchten Lebensräume erhalten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass mehr Wasser in der Landschaft bleibt“, meint Susanne Belting, Fachliche Leiterin im DBU Naturerbe. Verstärkt setze das DBU Naturerbe auf seinen 71 Flächen in zehn Bundesländern mit insgesamt rund 70.000 Hektar darauf, Feuchtgebiete zu renaturieren und möglichst wiederzuvernässen.
Landshut: vom militärischen Übungsplatz zum Nationalen Naturerbe
Die DBU-Naturerbefläche Landshut ist rund 190 Hektar groß und liegt in der Stadt Landshut. Magere Rasen, Streuobstwiesen, alter Mischwald und Kleingewässer bieten außergewöhnlich vielfältige Strukturen und Lebensräume. Ab 1880 begann die militärische Nutzung der Fläche. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gebiet amerikanischen Truppen als Übungsplatz. 1968 löste die Bundeswehr die Amerikaner ab. Vor allem mit Panzern wurde hier trainiert. 1992 wurde der militärische Übungsbetrieb eingestellt. Heute gehört die Fläche zum Nationalen Naturerbe – und damit zu einer Flächenkulisse von insgesamt rund 164.000 Hektar, die der Bund dem Naturschutz gewidmet und beispielsweise an Stiftungen wie der DBU übertragen hat.