Lüneburg. Ist das Thema Nachhaltigkeit in deutschen Berufsschulen bereits angekommen? „Individuell gibt es hervorragende Unterrichtskonzepte, Lehrerfortbildungen und Einzelprojekte. Die Rückkopplung in das staatliche Bildungssystem, der Erfahrungsaustausch oder gar die umfassende Aufnahme in berufsschulische Lehrpläne und die Schulorganisation finden bisher eher unsystematisch statt: Die Herausforderungen sind weitgehend unbewältigt“, sagt Prof. Dr. Werner Wahmhoff, Vize-Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Das soll sich ändern. Mit rund 372.000 Euro fördert die DBU ein Projekt der Leuphana Universität Lüneburg, das dieses Defizit beheben, bis zu 100 Berufsschulen und Studienseminare beteiligen, vernetzen und so die fachspezifischen Kompetenzen von Auszubildenden und Lehrern in Niedersachsen, aber auch bundesweit in Hinblick auf Ökologie, Ökonomie und Soziales ausbauen will. Wahmhoff übergab heute in Lüneburg das Bewilligungsschreiben an Prof. Dr. Andreas Fischer.
Auszubildende sollen soziale, ökologische und ökonomische Dimension ihres eigenen beruflichen Handels verstehen
Wie das Projekt konkret ablaufen soll, verdeutlichte Fischer an einem Beispiel. Für den Ausbildungsberuf „Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung und Klimatechnik“ sollten spezifische Unterrichtseinheiten zu „Energieeffizienz“ und „Solaranlagen“ entwickelt werden. Gleichzeitig könnten die Ergebnisse aufgrund ihrer Relevanz auch in die Ausbildung für die Elektro- sowie Bautechnik – beispielsweise für Dachdecker – integriert werden. Für Einzelhandelskaufleute wiederum könnten Fragen zu Wertschöpfungs- und Produktionsketten sowie fairem Handel wichtig sein. Ziel sei es, dass Auszubildende den Kundennutzen erkennen und erläutern könnten und die soziale, ökologische und ökonomische Dimension ihres eigenen beruflichen Handelns verstünden. Das sei jedoch nur ein Beispiel, verdeutlicht Fischer. Die Themenfestlegung erfolge letztlich nach dem Bedarf der Berufsschulen und Lehrer.
Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unterrichts-, Personal- und Schulentwicklung anschieben
Mit dem Aufbau eines umfassenden Netzwerks aus Berufsschulen und Studienseminaren solle eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unterrichts-, Personal- und Schulentwicklung angeschoben werden. Auch regionale Unternehmen sollten in das Vorhaben einbezogen werden. In der ersten Projektphase erfolge eine Qualifizierung von Leitungs- und Lehrkräften an Berufsschulen, die so in die Lage versetzt würden, in thematischen Arbeitsgruppen und im schulübergreifenden Austausch Unterrichtskonzepte und -mate-rialien zu erstellen, weiterzuentwickeln und modellhaft im Unterrichts- und Schulalltag zu erproben. Parallel dazu würden Konzepte und Maßnahmen für eine nachhaltig ausgerichtete Schulentwicklung durch Mitglieder der Schulleitungen in einer gesonderten Arbeitsgruppe erarbeitet und ein Kriterienkatalog „Nachhaltige Berufsbildende Schulen“ entwickelt, so Fischer weiter.
Erkanntes strukturelles Defizit einer nachhaltigen Berufsbildung deutlich abbauen
Vorgesehen seien elf Themenschwerpunkte/Berufsfelder, darunter „Energie- und Ressourceneffizienz“ (Metall/Elektro, IT/Computer), „Nachhaltiges Bauen und Wohnen“ (Bau, Architektur, Vermessung), „Erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe“ (Metall/Elektro, Landwirtschaft), „Gesunde Lebensmittel und nachhaltiger Konsum“ sowie „Nachhaltige Logistik und nachhaltige Mobilität“ (Wirtschaft, Verwaltung). Parallel werde auf Leitungsebene die nachhaltige Schulentwicklung auf den Feldern Beschaffung, Profilentwicklung, Lehrerfortbildung sowie effizientes Ressourcen- und Qualitätsmanagement weiter spezifiziert, um so das Thema Nachhaltigkeit fest in den Berufsschulen zu verankern. Fischer: „Mit dem Projekt wird es gelingen, das erkannte strukturelle Defizit einer nachhaltigen Berufsbildung mit einer großen Gruppe von Berufsbildungsakteuren durch systematischen, partizipativen Netzwerkaufbau themen- und berufsfeldbezogen deutlich abzubauen.“
Ansprechpartner für Fragen zum Projekt (AZ 30979): Prof. Dr. Andreas Fischer, Telefon: 04131/6772063