Bad Bramstedt/Osnabrück. „Dass wir alle ein Teil vom Ganzen sind und es spannend ist, sich in der Natur zu bewegen – das Verständnis ist abhanden gekommen.“ Mit diesen Worten bemängelt Polarforscher Arved Fuchs (55), dass Natur für Viele zu etwas völlig Abstraktem geworden sei. Im Interview mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) sagt er, Natur habe einen Freizeitpark-Charakter bekommen und müsse funktionieren. Das führe zu Problemen. Er fordert besonders junge Menschen auf, vom Rechner aufzustehen und in der Natur zu leben. Dort erführen sie deren Komplexität und schärften ihre Sinne. Als „kolossal wichtiges pädagogisches Element“ stuft Fuchs den direkten Umgang von Kindern mit Pflanzen und Tieren ein. Im Rahmen des DBU-Jugendwettbewerb „Entdecke die Vielfalt der Natur!“ stiftet er einen Tag auf dem Expeditionsschiff „Dagmar Aaen“. Noch bis zum 19. Oktober können Zehn- bis 14-Jährige mitmachen und sich künstlerisch oder naturwissenschaftlich mit der biologischen Vielfalt beschäftigen.
Natur nicht einfach nur theoretisch vermitteln
Der Polarforscher warnt: Pädagogen sollten „sich hüten, Natur einfach nur theoretisch zu vermitteln.“ Natürlich könne man in einem Klassenraum über Gletscher referieren oder von gefährdeten Arten erzählen. „Wenn ich über Wale spreche, ist das das Eine. Aber wenn ich anschließend rausgehe und einen Wal sehe, der vier Meter neben dem Schiff ist – dann hat das eine völlig andere Wirkung! Das ist wirklich: dieses Erfassen der ganzen Komplexität. Das löst bei jungen Menschen etwas aus!“ Natürlich müsse man dazu nicht nach Afrika oder Grönland fahren. „Sie findet hier draußen statt. Dadurch kann man auch hier eine Begeisterung bei jungen Menschen schaffen und eine Sensibilität.“
Ein Kaleidoskop der Sinne - unterwegs in der Natur
Fuchs beklagt, dass es Wandertage heute in Schulen nicht mehr gebe, obwohl sie „eine großartige Art der Vermittlung“ seien. „Gerade die Natur vor der Haustür sollte nicht einfach durch Lehrbücher, sondern durch das Erleben vermittelt werden!“ Kinder und Jugendliche würden dadurch etwas erfassen, „dass sie es auch mal in die Hand nehmen, etwas riechen. Dass sie etwas machen, bei dem ihre Sinne gefordert sind“, das sei „ganz, ganz wichtig!“ In der Natur unterwegs zu sein, sei „immer ein Kaleidoskop der Sinne.“
Sport öffnet eine Tür zur Naturliebe
Er selbst habe als Kind jede freie Minute draußen verbracht und Natursportarten wie Paddeln, Reiten, Laufen und Wandern betrieben. Er sei davon überzeugt, dass Sport eine Tür zur Naturliebe öffnet: „Die Natur zu erfahren, ist immer etwas Aktives. Wenn man paddelt oder wandert, entdeckt man hinter jeder Wegbiegung, hinter jeder neuen Hecke wieder etwas anderes.“ Man müsse Freude an Bewegung und am Vorankommen haben. „Je fitter man ist, desto mehr kann man machen!“
Abenteuer: die Freiheit aufzubrechen und sich Stuationen zu stellen
Den Begriff Abenteuer definiere er nicht als Suche nach möglichst riskanten Situationen, sondern als etwas, das im Kopf stattfinde: „die Freiheit, aufzubrechen und sich Situationen zu stellen“. Für ihn sei das „ein kreatives Element, sich mit der Natur auseinanderzusetzen“, indem man mit möglichst wenig Dingen in der Natur lebe.
Heranwachsende Generation muss mit veränderter Natur umgehen
Für die Jugend engagiere er sich, weil es ihm Spaß mache, mit jungen Menschen zu arbeiten. Auch sehe er sich dazu in der Pflicht: „Man kann nicht über Klimawandel lamentieren und irgendwelche Schuldzuweisungen treffen, ohne selbst aktiv zu werden!“ Die Generation, die heute heranwachse, werde mit der veränderten Natur umzugehen haben. „Die kann man am ehesten erreichen, und die werden es sein, die irgendwann die Weichenstellung treffen.“
Informationen zum DBU-Jugendwettbewerb gibt es unter http://www.entdecke-die-vielfalt.de/
Hinweis für die Redaktionen: Den vollständigen Wortlaut sowie O-Ton-Ausschnitte des Telefoninterviews befinden sich zur kostenfreien Veröffentlichung hier.