Osnabrück. Seit rund 7.000 Jahren entwickelt sich durch menschliche Nutzung die heutige europäische Kulturlandschaft. In früheren Zeiten entstanden durch traditionelles Bewirtschaften vielfältige Landstriche, an die sich zahlreiche neue Tier- und Pflanzenarten anpassten. Doch in den letzten Jahrzehnten ist ein deutlicher Artenrückgang im Agrarland Mitteleuropas festzustellen. „Landwirtschaft und Naturschutz müssen gemeinsam Wege für den Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft finden“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Alexander Bonde, gestern während eines zweitägigen DBU-Fachforums. Mit Expertenwissen aus Naturschutz und Landwirtschaft könne zum Beispiel ein auf den Betrieb zugeschnittener „Biodiversitätsplan“ mit konkreten, regional passenden Zielen und Maßnahmen ausgearbeitet werden. Beim Forum, das zusammen mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und dem World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland in der DBU stattfand, diskutierten über 130 Teilnehmer.
Biodiversitätspläne könnten Naturschutz und Wirtschaftlichkeit verbinden
Derzeit wird mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt, rund 16,7 Millionen Hektar. Davon bestehen 71 Prozent aus Ackerland. Gleichzeitig ist der stärkste Rückgang der Artenvielfalt in Agrarlandschaften zu verzeichnen. Die Ursachen für diesen Verlust sind vielfältig. Sie reichen von der Flächenumnutzung bis hin zur Intensivierung. Strukturarme und vereinheitlichte Gebiete bieten nur noch begrenzt Lebensraum für wildlebende Tier- und Pflanzenarten. „Um die Ziele der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung zu erreichen, ist eine Trendwende erforderlich. Wir brauchen eine wirksame Umsetzungsstrategie“, so Prof. Dr. Werner Wahmhoff, DBU-Abteilungsleiter Umweltforschung und Naturschutz. Durch Biodiversitätspläne auf Betriebsebene werde angestrebt, die vorhandenen Naturschutzpotenziale auf den vorrangig für das Erzeugen von Nahrungs- und Futtermitteln genutzten Flächen bestmöglich zu verwirklichen. Welche Maßnahmen dazu erforderlich seien, werde von Naturschutzzielen der Region abhängig sein. Einen Nebeneffekt erhoffen sich die Kooperationspartner dadurch, dass der dann erfolgende integrierte Pflanzenbau mit einem geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auskomme.
Zusammen mit Partnern Lösungswege für die Umsetzung entwickeln
Mit WWF Deutschland und DLG hat die DBU wichtige Partner aus Naturschutz und Landwirtschaft gewonnen, um Lösungswege zu erarbeiten. Das sei sehr bedeutsam für eine erfolgreiche Umsetzung. „Trotz vielfältiger Agrar-Umwelt-Programme und umfangreicher Modellprojekte ist es bisher nicht gelungen, den Trend des Artenrückgangs in der Fläche zu stoppen oder gar umzukehren. Eine Biodiversitätsstrategie für Agrarlandschaften muss sich an den Biodiversitätszielen der Region orientieren und in der Agrarförderung ausreichend Berücksichtigung finden. Zusammen sollen Landwirte und Naturschützer dann Pläne ableiten, die ganz gezielt bedrohte Tier- und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft fördern, aber auch flächenhaft den Druck auf beispielsweise Insekten oder die biologische Vielfalt in Böden nachhaltig senken“, so Prof. Dr. Diana Pretzell, Leiterin Naturschutz beim WWF Deutschland. „Ein ‚Zurück‘ zu traditionellen Bewirtschaftungsformen wird nicht die Lösung sein. Um hohe Erträge zu erzielen, wurden jahrzehntelang Produktionsprozesse im Pflanzenbau vereinfacht – zum Nachteil der Biodiversität. Jetzt geht es darum, Wege zu finden, um hohe Erträge zu erzielen und gleichzeitig hohen Nachhaltigkeitsstandards gerecht zu werden“, sagte Hubertus Paetow, Präsident der DLG. Betriebliche Biodiversitätspläne seien so ein Weg.
Ausgestaltung der Finanzierungsinstrumente muss nachgebessert werden
Weiterentwickelte ackerbauliche Verfahren, wie die mechanische, sensorgesteuerte Bekämpfung von konkurrierenden Pflanzen, die den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zukünftig ersetzen, bieten nach Darstellung der Kooperationspartner eine Chance für die Artenvielfalt. Ebenso gilt das zum Beispiel für angepasste Fruchtfolgen sowie das Anlegen von Buntbrachen und Blühstreifen oder ein späteres Bearbeiten von Stoppelfeldern. Während landwirtschaftliche Betriebe mehr Verantwortung für die Biodiversität in der Agrarlandschaft übernehmen müssten, erarbeite die Forschung die Grundlagen und die Politik setze die Rahmenbedingungen. Finanzierungsinstrumente gebe es bereits heute in Form von Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz. Ihre derzeitige Ausgestaltung und Umsetzung führe aber bisher nicht zu den erwünschten Erfolgen. Hier müsse, so eine Forderung von DBU, DLG und WWF, nachgebessert werden.