Osnabrück. Das neue Hörspiel mit dem „Graslöwen“ steht in den CD-Regalen der Plattenläden - ein Umweltkrimi mit dem Umweltbotschafter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für Kinder. In der bei Terzio erschienenen „Currywurst-Lüge“ geht es um Aroma- und Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln, um die Fleischherstellung und den Billigpreis-Kampf der Imbissbuden. Neben dem Schauspieler Stefan Kaminski und dem Komiker Kurt Krömer ist auch Anke Engelke mit von der Partie. Sie spricht Chemie-Professorin Schunckel. Die DBU hat Anke Engelke gefragt, wie sie ihre Lebensmittel auswählt und was sie vom Kinderfernsehen hält.
DBU: Frau Engelke, wann haben Sie das letzte Mal eine Currywurst gegessen?
Engelke: „Im Dezember in Kaiserslautern auf dem Weihnachtsmarkt. So etwas ist für mich immer noch ein großes Ereignis, denn ich war 20 Jahre Vegetarierin und esse erst seit drei Jahren wieder Fleisch.“
DBU: Regelmäßig tauchen Nahrungsmittelskandale in den Medien auf: Gammelfleisch, Pestizide im Salat oder Acrylamid in Pommes frites. Im Graslöwen-Hörspiel haben Sie als Professorin Schunckel in Ihrer Vergangenheit für die Firma „Superfresschen“ die „Mundbombe“ entwickelt, eine Substanz, die alles nach saftigem Fleisch schmecken lässt. Können wir im wirklichen Leben als Käufer überhaupt noch beeinflussen, was wir essen?
Engelke: „Wir haben die Chance, Einfluss auf die Nahrungsmittelindustrie auszuüben, wenn wir gezielter und kritischer einkaufen. Das ist unser einziges Mittel. Wenn wir bestimmte Dinge nicht mehr kaufen, dann sinkt die Nachfrage. Mit ein bisschen Glück, guter Organisation und einer bewussten Handhabung dieser Situation werden dann diese Dinge auch nicht mehr hergestellt. Der Käufer, der Verbraucher muss sich mehr seiner Position klar sein. Nicht immer bestimmt das Angebot die Nachfrage. Die Nachfrage muss das Angebot mehr bestimmen, gerade was die Nahrungsmittel angeht! Wir müssen uns alle bewusster ernähren und dementsprechend auch bewusster kaufen.“
DBU: Wie genau achten Sie selbst beim Einkaufen und Essen gehen auf Inhaltsstoffe und Herkunft der Nahrungsmittel?
Engelke: „Die Möglichkeiten sind da. Ich zum Beispiel unterstütze in Köln einen Biosupermarkt meines Vertrauens. Da gehe ich zweimal die Woche einkaufen. Dessen Sortiment kommt mir und meinen Interessen sehr entgegen. Wer möchte, kann andere Menschen darauf hinweisen, was sie da essen, was sie da zu sich nehmen – unbewusst, manchmal auch bewusst. Das finde ich dann aber manchmal schon ein bisschen übertrieben. Wenn mir jemand erzählen würde: ’Hör mal zu, das ist nicht so gut, das solltest Du nicht essen und das hier ist in Ordnung, davon müsstest du mehr essen!’ – dann wäre ich recht schnell genervt. Das ist ein Prozess, den man selber durchmachen muss. Man muss erst einmal einiges falsch machen um zu begreifen, wie es richtig geht.
Dann gibt es ja auch nicht für alles ein absolutes „Richtig“ und „Falsch“. Das muss jeder für sich selber entscheiden. Wenn wir alle schon mal einen Schritt in die richtige Richtung tun, ist das gut. Den muss man nur bewusst und eigenständig tun. Und mein ganz privater Umgang mit der Situation ist die Wahl der Produkte in Läden, die auf fairen Handel aus sind, deren Hersteller sich sehr damit auseinandersetzen, was für Zusatzstoffe drin sind, die nur Firmen anbieten, die weitestgehend auf Zusatzstoffe verzichten, die nicht gut sind für den Menschen. Dann ist das schlechte Gewissen vertretbar, wenn man mal eine unglückliche und zusatzstoffreiche Currywurst isst.“
DBU: Im Graslöwen-Umweltkrimi erklären Sie den Kindern Selma und Flo, wie man den Geschmack von Essen fälschen kann. In „Findet Nemo“ haben Sie die schusselige Fischdame Dorie synchronisiert, der Mutter des kleinen Eisbären Lars haben Sie Ihre Stimme geliehen, und Sie werden die Känguru-Mama im Animationsfilm „Horton hört ein Hu“ sprechen. Haben Sie ein Faible für mütterliche Stimmen in Kinderstücken?
Engelke: „Überhaupt nicht. Als Kind habe ich Kinder gespielt und gesprochen, als Erwachsene spiele ich Erwachsene. Man sollte immer das sprechen, was einem ein bisschen entgegen kommt, was vom Alter und von der Stimmung passt – von allem. Inhaltlich ist das noch mal etwas anderes. Man kann ja Sympathen oder Unsympathen spielen. Aber grundsätzlich versuche ich schon zu gucken, dass es altersgemäß passt.“
DBU: Das Fernsehen ist ein Großteil Ihrer Arbeit. Dennoch sagen Sie: ‚Für Kinder und Jugendliche ist das Fernsehen Müll!’ Spricht da die Mutter aus Ihnen oder der einst angestrebte Lehrerberuf?
Engelke: „Da spricht der ganz normale Fernsehzuschauer aus mir oder!? Da muss man weder Mutter, noch Journalistin, noch ambitionierte Ex-Lehramtsanwärterin sein. Das sieht jeder, dass Vieles totaler Müll ist, was da läuft. Heute behaupte ich, ich würde mich als Kind da nicht wohl fühlen. Die Kinder fühlen sich aber wohl, weil es nichts anderes gibt. Das ist natürlich wieder eine Frage von Angebot- und Nachfrage. Auch wenn vieles Geschmacksache ist: Die Kinder gucken heute so einige Sachen, die de facto nicht gut sind. Das Fernsehen machen ja Menschen, die davon ausgehen, dass sie das tollste Fernsehen der Welt machen! Aber ich persönlich finde vieles ziemlich schlecht. Lieblose Zeichentrickserien, Kindershows, bei denen die Kinder im Studio aber nur Staffage sind. Nichts ist live, nichts ist spontan, sogar die Texte von Moderatoren sind oft von Autoren geschrieben.
Aber es gibt so ein paar kleine schöne Inseln, ein paar Fernsehsendungen, bei denen man merkt, dass sich Menschen dabei etwas denken. Auch über den Rahmen der Sendung hinaus: ‚Was geben wir da den Kindern mit, wenn wir unsere Sendung jetzt so und so gestalten?’ Und im Idealfall schauen die Eltern dann mit den Kindern gemeinsam fern. Ich erschrecke immer, wenn neue Zahlen veröffentlicht werden darüber, wie viele Stunden Kinder täglich allein vor dem Fernseher verbringen.
Aber es gibt reichlich Gutes für Kinder! Ich habe zum Beispiel eine kleine Rubrik in der WDR-Sendung ‚Die Sendung mit dem Elefanten’. Das ist eine Vorschulkindersendung, die sehr erfolgreich ist. Es ist schön zu sehen, wie diese Menschen arbeiten, wie die Redaktion die Sendung zusammenbaut. Es ist ein großes Vergnügen, weil sie sich sehr wohl dessen bewusst sind, was sie da lostreten, wenn sie bestimmte Dinge ansprechen, wenn sie sich für bestimmte Themen entscheiden. Das, was sie in der Sendung thematisieren, nimmt ja durchaus nachhaltig Einfluss auf die Kinder. Das macht zum Beispiel richtigen Spaß. Das ist eine sehr gute Sendung: tolles Team, tolle, tolle Sendung.“
DBU: Ihrer Meinung nach müsste grundsätzlich mehr getan werden für gutes Kinderfernsehen?
Engelke: „Absolut! Ich glaube es gibt zu viele Sendungen, die so ganz und gar ohne Anspruch sind – reine Zeitverschwendung! Da kann man wirklich lieber rausgehen und draußen spielen! Die Kinder einfach nur vor den Fernseher zu setzen – das machen ja meistens nur die Eltern, die keine Alternative haben. Und die Kinder dann so lieblose Zeichentrickserien schauen zu lassen, das finde ich schade. Die sind mir alle zu plump und zu platt und zu laut und zu schrill, ohne Grund. An sich finde ich laut und schrill super – aber nur, wenn man auch weiß warum. Ich finde auch bescheuert super, auch mal verrückt. Und ich finde es gut, wenn Sachen mal keinen Sinn machen. Aber wenn etwas eine halbe Stunde oder eine ganze Stunde während einer ganzen Episode einer Zeichentricksendung keinen Sinn macht, finde ich das sehr hohl und total überflüssig!“
DBU: Wie früh sollte man damit anfangen, Kinder für die Natur und einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt zu begeistern?
Engelke: „Vom ersten Tag des Lebens an! Als Eltern und Familie gibt man das dem Kind natürlich mit, wenn man selber die Augen auf hat. Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, dann wird das schon ein Säugling mitkriegen. Ein Baby, das den ganzen Tag nur zu Hause ist, widerwillig durch die Gegend geschoben wird und nicht das Vergnügen vermittelt bekommt, mal draußen zu sein und die Augen aufzuhalten, mal genauer hinzuhören, mal genauer hinzugucken, verpasst so viel. Wenn das nicht vermittelt wird von Anfang an, wie soll das ein Kind mitkriegen? Da gibt es keinen Zeitpunkt, an dem es am Besten ist. Das muss schon von Anfang an losgehen – wie man immer so schön sagt ‚mit der Muttermilch’! Das Kind ist auf der Welt, zack direkt rausgehen, hingucken, hinhören! Man kann stundenlang auf Wiesen liegen, durch Wälder latschen. Man kann sich einfach hinlegen und mal die Augen zumachen und hören, was da um einen herum surrt und brummt. Auf den Bauch legen und gucken, was da auf der Wiese alles los ist und im Wald. Einfach mal ein bisschen rumspinnen! Das ist doch wunderbar, viel aufregender als so manche Sache, die aus dem Fernseher kommt.“
DBU: Im Mai berät die Internationale Gemeinschaft über den Schutz der biologischen Vielfalt auf der UN-Naturschutzkonferenz. Deutschland ist Gastgeber. Was für eine Wirkung hat die Tatsache auf Kinder, dass bestimmte Tierarten – wie zum Beispiel Eisbären – vom Aussterben bedroht sind?
Engelke: „Kinder finden Tiere natürlich super. Das muss man ihnen erst einmal vermitteln, dass viele ihrer Lieblingstiere in Gefahr sind. Man sollte das für Kinder allerdings richtig portionieren, dass sie nicht Panik kriegen oder Angst. Man kann ja nicht sagen: ‚Pass auf, wenn ihr in den Zoo geht, unterstützt ihr eigentlich die gewaltsame Domestizierung von Tieren’. Man muss immer den Willen zum Gleichgewicht vermitteln und sagen: ‚Wir müssen bestimmte Tiere schützen’. Dazu gehört auch, sie in Zoos zu hüten und dafür zu sorgen, dass sie sich weiter fortpflanzen können. Was zum Beispiel im Urwald im Kongo los ist mit den Gorillas, die dort vom Aussterben bedroht sind, das kann ein Kind in Deutschland nicht unbedingt nachvollziehen. Ganz oft hat so etwas zum Beispiel politische Gründe, dass sich um Tiere nicht gekümmert wird, dass Tiere ausgerottet werden, dass Tiere geschlachtet werden. Da sollte man wirklich aufpassen, dass man das so vermittelt, dass Kinder nicht sofort ein großes Grauen assoziieren mit bestimmten großen Tieren.
Wenn man ihnen sagen würde, was die Japaner in Sachen Walfang machen – ich glaube, das würde die Kinder wahnsinnig erschrecken! Damit muss man ganz behutsam umgehen. Aber grundsätzlich ist es natürlich wichtig zu vermitteln, dass wir Menschen der einzige Grund sind, warum Tiere aussterben! Da kann man ruhig mal schön den Menschen die Arschkarte zuschieben und sagen: ‚Wir sind schuld!’ Wenn die Kinder dann älter werden, Teenager, kleine Erwachsene, dann kann man ihnen vermitteln, dass schon die Wahl des Urlaubsortes und der Einsatz bei einer Tierschutzorganisation, bei einer Umweltgruppe und auch die Wahl des Zoos, die Unterstützung einer bestimmten Organisation maßgeblich helfen kann! Das kann man vermitteln!“
Das Interview führte Taalke Nieberding, DBU.