Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Das Thema gewinnt jedoch für sie an Relevanz – beispielsweise, wenn sie als Zulieferer großer Firmen zu denen von ihnen verursachen CO2-Emissionen entlang der Lieferketten Auskunft geben sollen. Zudem bieten Nachhaltigkeitsbewertungen auch für die Unternehmen selbst Chancen, Ressourcen und Energie einzusparen. Das Problem dabei: KMU verfügen nur selten über das Personal, die Ausstattung und die Infrastruktur, um die dafür nötigen Daten im Unternehmen bereitzustellen. Doch wie wäre es, wenn einfache, anwendungsnahe Ökobilanzierungen (Life Cycle Assessment, LCA) für KMU möglich wären und sich dies obendrein auch ökonomisch rechnen würde?
Dies ist die Idee hinter einem Vorhaben des Manufacturing Technology Institute (MTI) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen von Prof. Dr.-Ing. Thomas Bergs und der senseering GmbH aus Köln. Auf Basis bestehender Modelle und Methoden entwickeln die Projektbeteiligten ein Bewertungsmodell, mit dem sich die Ökobilanzen von Produktionsprozessen in KMU prozessspezifisch erstellen lassen. Um eine Bilanzierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu ermöglichen, wird im Projekt ein digitaler Marktplatz geschaffen, auf dem Unternehmen Prozessdaten und Sachbilanzen handeln und den Service zur Kalkulation des CO2-Fußabdrucks bereitstellen können – nach dem Motto: In Kooperation schaffen wir die notwendige Transparenz in die ökologische Nachhaltigkeit unserer Prozesse und befähigen uns, Einsparpotenziale zu identifizieren.
Prognosen zur Nachhaltigkeit möglich
Je mehr Daten dem Marktplatz und dem LCA-Service zur Verfügung stehen, umso transparenter und genauer die Ergebnisse der Ökobilanzierungen. Die am Marktplatz beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen werden monetär motiviert, ihre Daten auf dem Marktplatz zu teilen. Dies entspricht dem digitalen Geschäftsmodell der Datenmonetarisierung, wodurch das Handeln von Daten lukrativ gestaltet werden soll. Ein weiterer Vorteil: Durch die im System vorhandenen Informationen sind Prognosen zur Nachhaltigkeit zukünftiger Produktionsprozesse für einzelne Unternehmen möglich und erleichtern (Investitions-)Entscheidungen, da sich alternative Handlungswege vergleichen lassen.
Datensicherheit durch Distributed Ledger Technologie
Um die Datensouveränität und -sicherheit zu gewährleisten, wird für den digitalen Marktplatz die sogenannte Distributed Ledger Technologie (DLT) verwendet. Die für den Handel vorgesehen Daten werden dezentral gehalten und im Bedarfsfall peer-to-peer zwischen zwei Unternehmen ohne zwischengeschalteten Intermediär gehandelt. Erste Meilensteine des Projektes sind erreicht: Inzwischen ist das Bewertungsmodell entwickelt worden und ein Prototyp des digitalen Marktplatzes entstanden.
„Unternehmen brauchen Anreize und Möglichkeiten, um ihre Daten oder ihr Wissen anderen zur Verfügung zu stellen und so die vorhandene Daten- und Wissensbasis zu erhöhen, ohne dabei ihren eigenen Wettbewerbsvorteil zu verlieren. Wenn es einen großen Nutzen gibt, sind die Menschen bereit, etwas auszuprobieren“, wissen die Projektbeteiligten. Als nächstes möchten sie den digitalen Marktplatz mit realen Unternehmen erproben und weiterentwickeln.
AZ 37332 // Der Beitrag ist zu erst im Newsletter der DBU erschienen.