Der Kleinspecht ähnelt auf den ersten Blick seinem Verwandten, dem Buntspecht. Doch die Körpergröße macht den Unterschied: Er ist der kleinste europäische Specht und kaum größer als ein Spatz. Er lebt in strukturreichen Auwäldern, Feldgehölzen und alten Streuobstwiesen mit hohem Anteil an Totholz. Er ernährt sich ganzjährig von Insekten und Spinnen. Für Deutschland liegen bisher wenig verlässliche Zahlen zu seinen Beständen vor.
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Es gibt jedoch Anzeichen, die auf eine stete Abnahme des Kleinspechts hindeuten. In Großbritannien etwa sind Bruterfolg und Bestände in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen – die Gründe dafür sind kaum wissenschaftlich erforscht. Gibt es auch hierzulande vergleichbare Abnahmen des Kleinspechts wie in Großbritannien? Dieser Frage geht das DBU-Projekt „Kleiner Specht – große Rolle, Citizen Science-Projekt zum Kleinspecht in Bayern und Hessen“ der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung nach – und zwar mit Unterstützung von Bürger*innen als Citizen Scientists. Das bedeutet, dass sie mitforschen, indem sie helfen, Daten zum Vorkommen der Kleinspechte und deren Brutgewohnheiten in größerer Menge zu sammeln.
Ziel ist es, Bürger*innen durch spezielle Schulungen zu Kleinspecht-Expert*innen zu machen und sie dadurch zu befähigen, die in der Regel schwer zu erfassende Vogelart kartieren zu können. Die Citizen Scientists lernen in Schulungen, worauf sie bei der Erfassung der Kleinspechte achten müssen. Dabei werden ihnen ausführliche Informationen zum Lebensraum des Spechts sowie Tipps zum Anlegen der Kartierungs-Routen vermittelt. Mit dem Wissen aus den Schulungen kartieren sie die Kleinspechte auf den von ihnen festgelegten Routen an drei Terminen während der Balz- und Brutsaison. In der ersten Projektsaison 2021 haben 66 Citizen Scientists aktiv bei der Datensammlung und Kleinspechtsuche mitgearbeitet, in der zweiten Saison stieg die Zahl der aktiven Bürgerinnen und Bürger auf über 200.
Für die Dateneingabe im Gelände wird das „Specht-Modul“ in der App „NaturaList“ verwendet, das vom Dachverband Deutscher Avifaunisten e. V. (DDA) speziell für die Specht-Kartierung entwickelt worden ist. Die Beobachtungsdaten werden nach jeder Eingabe der Citizen Scientists automatisch mit dem Onlineportal ornitho.de synchronisiert. Zusätzlich werden von den Projektteilnehmenden einmalig auch Daten zum jeweiligen Lebensraum an den verschiedenen Messstandorten entlang der Route erfasst. Mithilfe der Citizen Scientists konnten 2021 neun Bruthöhlen von Kleinspechten in Streuobstwiesen, Laub- und Auwäldern gefunden werden: Vier in Bayern und fünf in Hessen. Von den neun Brutstätten waren sechs erfolgreich.
Aus den gewonnenen Erkenntnissen sollen Empfehlungen abgeleitet werden, wie die Habitate und damit die Bestände des Kleinspechts geschützt werden können. Diese sollen zum Beispiel in Forstämtern und Landschaftspflegestellen in die Praxis übertragen werden. Außerdem soll überprüft werden, inwieweit ein Citizen-Science-Projekt qualitativ hochwertige Daten für die Wissenschaft liefern kann.
Der Beitrag ist zuvor im DBU Newsletter erschienen.
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