Einführung in nachhaltige Wertschöpfungsketten

Dass Lieferketten fragil sind, haben die verschiedenen Krisen der vergangenen Jahre deutlich gezeigt. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die Corona-Pandemie oder die Blockade des Suezkanals durch einen festgefahrenen Frachter.  In diesem Baustein widmen wir uns deshalb etwas näher dem Thema Lieferketten. Dabei möchten wir nicht das klassische Supply-Chain-Management und den Aufbau von Lieferketten betrachten, sondern die Auswirkungen der Digitalisierung auf Lieferkettenmanagement unter nachhaltigen Aspekten.

Starten werden wir mit einer Betrachtung der aktuellen Trends:

Diese Beispiele verdeutlichen, wie die Digitalisierung verschiedene Aspekte der Lieferkette transformiert, angefangen von der Prognose der Nachfrage bis zur Lagerverwaltung und Transparenz über die gesamte Lieferkette hinweg.

Die aufgezeigten Trends orientieren sich entlang der Downstream-Logik der Wertschöpfungskette. Das heißt, die Lieferkette wird linear von der Förderung der Rohstoffe, über die Veredelung bis hin zu den Endkund*innen betrachtet. Die entgegengesetzte Richtung wird erst in jüngerer Zeit durch die aufkommende Beachtung der Circular Economy diskutiert. Eine konsequente Circular Economy hat dabei enorme ökologische und soziale Potenziale, die wir in dem gleichnamigen Baustein schon eingehender betrachtet haben.

Bei der Integration von digitalen Technologien profitieren Unternehmen von dem bereits vorhandenen Digitalisierungsgrad. Ist dieser höher, deutet es auf eine Sensibilität der Mitarbeitenden für digitale Technologien und somit auf eine bessere Adaption von neuen Tools hin. Beides: Der Digitalisierungsgrad und die Integration von digitalen Technologien haben einen positiven Einfluss auf die Resilienz der Lieferketten (Zouari/Ruel/Viale 2020).

Die zuvor genannten Vorteile werden von einer Vielzahl an Herausforderungen begleitet, die derzeit nicht näher in der wissenschaftlichen Literatur behandelt werden. Dies wird sowohl in den Nachrichten als auch in den Medien deutlich, wo es an Wissen darüber mangelt, wie die zunehmende Menge an Daten für die strategische Vision des Lieferkettennetzes eingesetzt und genutzt werden kann. Daraus resultiert nicht nur der Value-Action-Gap (Initiative D21, 2024), sondern auch ein schwer abzuschätzendes Kosten-Nutzen-Verhältnis für Unternehmen (Quaing, 2023).  Eine weitere Herausforderung im Kontext der Daten ist eine angemessene Bewertung und Erkennung von Verzerrungen sowie der Informationsaustausch über die Grenzen rechtlich unabhängiger Organisationen hinweg. Eine solche Datenteilung hilft insbesondere auch kleinen und mittleren Unternehmen, die über begrenzte Ressourcen in der Datenerfassung und -verarbeitung verfügen (Feng/Shanthikumar, 2018). Ein weiterer Aspekt, der in der wissenschaftlichen Literatur nicht ausreichend untersucht wurde, ist das Vertrauen in die gemeinsame Nutzung von Wissen, das vor allem in Anbetracht des zunehmenden Bedarfs an der Speicherung geschützter Daten in einer global vernetzten, digitalisierten Umgebung von entscheidender Bedeutung ist. So zögern beispielsweise Ausrüstungslieferanten oft, den Status ihrer Maschinen mitzuteilen, was sich letztlich auf Produktivität und Qualität auswirkt (Schniederjans/Curdao/Khalajhedayati, 2020).

Doch auch unabhängig von der hohen Krisendichte der letzten Jahre bewegen sich die Stakeholder-Erwartungen immer stärker im Bereich Transparenz und Handlungen für mehr Nachhaltigkeit in Lieferketten. Dabei sind drei zentrale Trendthemen zu erkennen:

(Gartner 2020)

Um nachhaltige Beschaffung in die Lieferkette zu integrieren, spielen Zertifizierungen und Standards eine entscheidende Rolle. Unternehmen können auf anerkannte Normen zurückgreifen, um sicherzustellen, dass ihre Beschaffungspraktiken den niedergelegten ökologischen und sozialen Standards entsprechen. Mit solchen Leitplanken kann neben den ökologischen Aspekten auch der sozialen Verantwortung und der entsprechenden Sorgfaltspflicht nachgekommen werden. Gerade für letzteres sind Eckpunkte beispielsweise im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz berücksichtigt. Dies wird hier nicht näher betrachtet, da es gesondert in einem späteren Beitrag aufgegriffen wird. Im Folgenden gehen wir kurz auf die  die ISO (International Organization for Standardization) und ESG (Environmental, Social, Governance) Kriterien ein.

ISO-Zertifizierungen

Die ISO 14001 ist eine international anerkannte Norm für Umweltmanagement und bietet einen guten Rahmen, zur Orientierung auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Unternehmenspraxis. Unternehmen, die diese Zertifizierung anstreben, verpflichten sich dazu, Umweltauswirkungen zu überwachen, zu reduzieren und kontinuierlich zu verbessern.

n Bezug auf die Lieferkette verlangt die ISO 14001, dass Unternehmen sicherstellen, dass ihre Lieferanten nachhaltige Praktiken verfolgen. Dies beinhaltet die Evaluierung von Umweltauswirkungen in der gesamten Lieferkette, angefangen bei der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Auslieferung der Produkte. Unternehmen sind dazu angehalten, Lieferanten zu wählen, die umweltfreundliche Prozesse implementiert haben und sich aktiv bemühen, ihre ökologischen Handabdrücke zu reduzieren.

Ein weiterer Aspekt der ISO 14001 im Zusammenhang mit der Lieferkette ist die Anforderung an Unternehmen, klare Umweltziele und -leistungskennzahlen festzulegen. Dies ermöglicht es, den Fortschritt bei der Reduzierung von Umweltauswirkungen zu verfolgen und sicherzustellen, dass nachhaltige Praktiken nicht nur ein Lippenbekenntnis sind, sondern aktiv umgesetzt werden. Durch die Integration dieser Norm in die Lieferkette können Unternehmen nicht nur ihre eigenen Umweltauswirkungen minimieren, sondern auch sicherstellen, dass ihre Partner den gleichen Standards gerecht werden.

Zusammenfassend ist die ISO-Norm ein effektives Instrument, um nachhaltiges Umweltmanagement in die Lieferkette zu integrieren. Sie schafft klare Richtlinien für Unternehmen, um Umweltauswirkungen zu evaluieren, Ziele zu setzen und kontinuierlich Verbesserungen zu fördern. Durch die Anwendung dieser Norm können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Lieferkette Umweltstandards entspricht und somit einen bedeutenden Beitrag zur Circular Economy leisten.

Darüber hinaus können Unternehmen ISO 20400 in Betracht ziehen, eine Norm, die sich speziell auf die nachhaltige Beschaffung konzentriert. Diese gibt klare Leitlinien für ethische Beschaffungspraktiken und unterstützt Unternehmen dabei, Lieferanten zu wählen, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Verantwortung übernehmen.

ESG-Kriterien

ESG-Kriterien sind ein weiterer wichtiger Bestandteil nachhaltiger Beschaffung. ESG steht für Environmental, Social, and Governance und umfasst damit Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Investoren und Verbraucher legen zunehmend Wert darauf, dass Unternehmen nicht nur finanzielle, sondern auch nachhaltige und ethische Kriterien erfüllen.

Durch die Integration von ESG-Kriterien in die Lieferkette verpflichten sich Unternehmen dazu, Umweltauswirkungen zu minimieren, soziale Gerechtigkeit zu fördern und gute Unternehmensführung zu gewährleisten. Dies geht über reine Umweltthemen hinaus und berücksichtigt auch soziale Standards und ethische Geschäftspraktiken. Die Erfüllung von ESG-Kriterien stärkt nicht nur das Unternehmensimage, sondern bietet auch einen klaren Wettbewerbsvorteil in einem zunehmend auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Markt.

Insgesamt spielen ISO-Zertifizierungen und ESG-Kriterien eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung, dass Unternehmen nicht nur ihre eigenen, sondern auch die nachhaltigen Praktiken ihrer Lieferanten im Blick behalten. Diese Standards schaffen klare Richtlinien für eine verantwortungsbewusste Lieferkette und tragen dazu bei, eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf globaler Ebene zu fördern.

Noch mehr Wissensdurst? Hier geht es zu weiteren Bausteinen:

nachhaltig.digital Bausteine

Quellen

DBU (2020). tip me Global UG (haftungsbeschränkt). Abgerufen am 17.01.2024, von https://www.dbu.de/projektbeispiele/tip-me-global-ug-haftungsbeschraenkt/
Feng, Q., & Shanthikumar, J. G. (2018). How Research in Production and Operations Management May Evolve in the Era of Big Data. Production and Operations Management, 27(9), 1670-1684. https://doi.org/10.1111/poms.12836
Gartner (2022). Gartner for Supply Chain. 3 Key Trends in Supply Chain Sustainability. Abgerufen am 17.01.2024, von https://emt.gartnerweb.com/ngw/globalassets/en/supply-chain/documents/trends/sc-sustainability-trends.pdf
Initiative D21 (2024). https://initiatived21.de/publikationen/d21-digital-index
Quaing, J. (2023). DBU nachhaltig.digital Monitor 2022. Osnabrück: Deutsche Bundesstiftung Umwelt. DOI: 10.24359/vjmz-wd57
Schniederjans, D. G., Curado, C., Khalajhedayati, M. (2020). Supply chain digitisation trends: An integration of knowledge management. International Journal of Production Economics, Vol. 220. https://doi.org/10.1016/j.ijpe.2019.07.012
Zouari, D., Ruel, S. and Viale, L. (2021). Does digitalising the supply chain contribute to its resilience?, International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, Vol. 51 No. 2, pp. 149-180. https://doi.org/10.1108/IJPDLM-01-2020-0038
DBU (2020). tip me Global UG (haftungsbeschränkt). Abgerufen am 17.01.2024, von https://www.dbu.de/projektbeispiele/tip-me-global-ug-haftungsbeschraenkt/