Citizen Science (oder auch Bürgerwissenschaft) ist ein Ansatz, bei dem Menschen außerhalb der akademischen Welt aktiv an Forschungsprojekten teilnehmen. Die Bevölkerung bereichert die wissenschaftliche Forschung beispielsweise mit der intellektuellen Mitarbeit, bei der Sammlung von Daten, dem Beobachten von Sachverhalten oder dem Einbringen von lokalem Wissen. Im Prozess erwerben die Bürger*innen (und auch die Forschenden) neues Wissen, Fähigkeiten und/oder ein tieferes Verständnis wissenschaftlicher Arbeit. Das hat wiederum zur Folge, dass die Forschung demokratischer und offener wird (Socientize project 2013).
Besonders im Kontext von Umweltkrisen und der Beziehung zwischen Gesellschaft, Umwelt und Technologie ist Citizen Science vielversprechend. Hierbei werden dialogische Verfahren angewendet, um gemeinsam Lösungen zu finden. Es geht darum, dass Bürger*innen und Wissenschaftler*innen zusammenarbeiten, um relevante Fragen zu beantworten und nachhaltige Lösungen zu entwickeln – digitale Technologien helfen diese Brücken zu bauen (Jaeger-Erben/Rigamonti 2023).
Eines der ersten Projekte, das die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Bereich Citizen Science in Deutschland zusammengebracht hat, war das Fledermaus-Online Projekt der Universität Ulm aus dem Jahr 1992. Hier konnten Bürger*innen Fledermausausrufe aufnehmen und diese den Forschenden über eine Plattform zur Verfügung stellen. Seitdem sind viele weitere Projekte und Initiativen entstanden – beispielsweise in der Klimaforschung, Biologie oder Geowissenschaften.
Eine Form von Citizen Science, die erst im vergangenen Jahrzehnt aufgekommen ist, ist die des verteilten Rechnens. Dabei stellen Bürger*innen Rechenkapazität von Computern zur Verfügung, um in einem Cluster aus verschiedensten Endgeräten und Servern große Berechnungen durchzuführen. Damit können beispielsweise Hochschulen komplexere Modellberechnungen durchführen. Eines der ersten Projekte kommt aus dem Jahr 2005 und war Einstein@Home (AEI Hannover 2009). Spätestens seit der Corona-Pandemie ist diese Art der Bürgerbeteiligung in der breiten Öffentlichkeit angekommen, als Menschen weltweit mit ihren privaten Computern im Projekt Folding at Home halfen, den Covid-19-Erreger zu erforschen. (Kohlhof 2020).
„Citizen Science zeigt die Macht der kollektiven Forschung“ – so drückt es Caren Cooper in ihrem Ted-Talk aus. Schaut euch den Talk von Caren Cooper gerne an und erfahrt etwas über die Möglichkeiten von Citizen Science:
Für den Erfolg dieser Art von ehrenamtlicher Beteiligung ist Anerkennung sehr wichtig. Dies hat auch das Weißbuch Citizen Science Strategien 2030 für Deutschland unterstrichen. Dies wurde unter anderem von der Helmholz- und der Leibniz-Gesellschaft geschrieben. Die Autor*innen schlagen vor diese Anerkennung durch verschiedene Instrumente, wie z. B. Rentenpunkte, zu erproben (Bonn et al. 2022, 5). Ebenfalls unterstreicht das Weißbuch, dass Citizen-Science-Daten ein enormes Potenzial für Wissenschaft, aber auch für Gesellschaft bergen. Es ist aber wichtig, dass die Daten in einer gewissen Qualität aufbereitet werden, hierfür könnte man sich an den FAIR-Prinzipien (Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und Wiederverwendbarkeit) orientieren (ibid.).
Außerdem weisen die Autor*innen darauf hin, dass Citizen Science den gesellschaftlichen Mehrwert entfaltet, wenn es konsequent in Entscheidungsprozessen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene berücksichtigt wird. Dafür benötigt es z. B. Koordinationsstellen und Beratungsangebote für die jeweiligen Projekte (ibid., 7). Beides sind Punkte, die auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt in der Förderung adressiert.
Der Einsatz von digitalen Technologien, dies zeigen auch unsere Good-Practice-Beispiele, bieten diverse Chancen für die Citizen Science. Durch die ortsunabhängige Vernetzung wird nicht nur die Datenerhebung, sondern auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren verbessert (ibid., 33).
Hinzukommen, dass die Digitalisierung auch den Kompetenzaufbau verbessert, wenn Informationen aus der Wissenschaft spezifisch aufbereitet werden oder aber das generierte Wissen open source zur Verfügung gestellt wird, wie das Nitrat-Projekt der Universtitäten Osnabrück und Oldenburg es getan hat.
Auf zwei Grenzen, die beachtet werden sollten, möchten wir kurz eingehen. Zum einen ist es der Rahmen, in dem Akteure der Citizen Science agieren können, zum anderen sind Verzerrungen und das mögliche Missachten wissenschaftlicher Standards ein Problem (Schweda, 2024). Ein sich daraus ergebendes Problem ist, dass den Forschungsergebnissen der Citizen Science mitunter nicht die gleiche Anerkennung bzw. der gleiche wissenschaftliche Wert beigemessen wird, wie der klassischen Forschung. Hier ist es wichtig im kritischen Dialog über inkludierende und exkludierende Faktoren zu bleiben und zusätzlich passende Rahmenwerke und Zugänge zu schaffen (Bonn et al. 2022, 21).
Das bereits zuvor erwähnte Weißbuch beinhaltet einen Ausblick, der aufzeigt, was notwendig ist, damit Citizen Science befördert wird. Diese vier Punkte sind den Autor*innen nach zentral: