MOE-Fellowship: Dr. Artem Pungin

Flechten als Indikator der Qualität der Umwelt am Beispiel des Kaliningrader Gebiets

Flora der Flechten

Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat die Menschheit unseren Planeten verändert. Die Entwicklung der Technologie, der Industrie, der Landwirtschaft, das Wachstum der Städte – das alles verunreinigt den Boden, das Wasser und die Luft. In den Städten ist das Problem besonders akut.
Umweltschützer in den Städten machen Überwachungsstudien, identifizieren Verschmutzungsquellen, bieten eine Reihe von Maßnahmen, um die Schadstoffemissionen zu verringern und negative Auswirkungen zu minimieren. Öfters forscht und bewertet man die Wirkungen der Verschmutzung der Luft mit Hilfe der Pflanzen und der Tiere, die schnell auf die Verschlechterung der Umweltbedingungen reagieren – dieser Prozess wird Bioindikation genannt.
Das Objekt meiner Forschung sind Flechten. Flechte ist eine symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen einem Pilz, dem so genannten Mykobionten, und einem oder mehreren Photosynthese betreibenden Partnern (Photobyonten). Der Mykobiont bildet einen Thallus (den Körper der Flechte), wo sich die Zellen des Photobyonten befinden.
Weltweit etwa seit 30 Jahren benutzt man Flechten als Bio-Indikator für die Umweltverschmutzung der Städte oder natürliche Ökosysteme. Flechten reagieren extrem empfindlich auf Umweltbelastungen, insbesondere auf Luftverschmutzung, Eutrophierung und Klimaänderung. Negative Wirkungen der Eutrophierung auf Ökosysteme durch luftgetragene Nährstoffe sind vielfältig. Infolge der gewandelten Immissionssituation hat sich die epiphytische Flechtenflora in weiten Gebieten Mitteleuropas zugunsten eutrophierungstoleranter Arten stark verändert. So führt die Eutrophierung zu einer Verringerung der biologischen Vielfalt der Flechten.
Zusätzlich zur Veränderung des Artenspektrums eignet sich auch der Gesamtgehalt an Stickstoff (N) im Flechtenthallus als messbare Größe, um die Wirkung eutrophierender Immissionen zu erfassen. Die Blattflechte Parmelia sulcata erweist sich hierfür als besonders geeignet, weil ihr N-Gehalt mit der Höhe des Stickstoffeintrags (z. B. Nitrat, Ammonium, Ammoniak) korreliert.
Ein weiterer Aspekt der Wirkung von Schadstoffen auf Flechten ist eine Veränderung im Stoffwechsel, z. B. in der Photosynthese. Nach der Umweltbelastung erscheinen Veränderungen in den physiologischen Parametern schneller als Veränderungen in den morphologischen Parametern. Deswegen ist die Chlorophyllgehaltveränderung eine vielversprechende und operative Methode der Umweltbewertung.
Die Flechtenflora in der Stadt Gießen und dem Land Hessen ist sehr gut untersucht. Auf dem vorliegenden Territorium werden die Forschungen schon seit 40 Jahren durchgeführt. In der Stadt Kaliningrad und im Kaliningrader Gebiet ist das Territorium kaum erforscht. Untersuchungen der Luftverschmutzung und der Eutrophierung der Umwelt, Untersuchungen der Wirkung der Eutrophierung auf die physiologischen Parameter in Flechten sind aktuelle Forschungen. Diese Forschungen sind bisher nicht durchgeführt worden.

Zweck und Ziele
Der Hauptzweck ist die Untersuchung der Flechten als Indikatoren für die Luftqualität an unterschiedlich verkehrsbelasteten Messpunkten in Hessen.
In diesem Zusammenhang sind die Aufgaben des Projektes:
1. Aneignung der neuen Methoden der Lichenoindication.
2. Kartierung der Diversität epiphytischer Flechten als Indikatoren für Luftgüte und Eutrophierung.
3. Erfassen von Stickstoffanreicherungen in der Blattflechte Parmelia sulcata zum Nachweis von Immissionswirkungen.
4. Bestimmung des Chlorophyllgehaltes in Parmelia sulcata.


Methoden
Ich habe 20 Versuchsstandorte in Giessen ausgesucht, um die Artenzusammensetzung der Flechten zu kartieren und Probenahme zur Messung von Stickstoff und Chlorophyll durchzuführen. Weitere vier Versuchsstandorte liegen im ländlichen Hessen.
Als Objekt für die Untersuchung von Stickstoff und Chlorophyll wurde die epiphytische Flechtenart – Parmelia sulcata ausgewählt.
– Die Methode der Kartierung der Diversität epiphytischer Flechten als Indikator für Luftgüte und Eutrophierung wurde nach VDI-Richtlinie 3957 Blatt 13 vorgenommen.
– Das Erfassen von Stickstoffanreicherungen in der Blattflechte Parmelia sulcata zum Nachweis von Immissionswirkungen, nach VDI-Richtlinie 3957 Blatt 18 war weiterer Bestandteil der Untersuchungen.
– Die Bestimmung des Chlorophyllgehaltes in Parmelia sulcata mittels spektrophotometrischer Methode wurde durchgeführt.


Vorab-Ergebnisse 
1. Methode «Erfassen von Stickstoffanreicherungen in der Blattflechte Parmelia sulcata zum Nachweis von Immissionswirkungen. VDI-Richtlinie 3957 Blatt 18» erlernt.
2. Flechtenkartierung an 100 Bäumen auf 20 Versuchsstandorte (16 in Giessen und 4 außer der Stadt) durchgeführt. Luftreinster Punkt war der Berg Taunus. Luftqualität – ist gut, Einfluss eutrophierender Luftverunreinigungen ist mäßig. Am stärksten luftverschmutzter Ort ist Autobahn Giessen-Frankfurt am Main. Luftqualität – ist schlecht, Einfluss eutrophierender Luftverunreinigungen ist sehr hoch.
3. Derzeit sind 100 Proben von Parmelia sulcata für Stickstoffbestimmung gesammelt und vorbereitet und wurde der Stickstoffgehalt in 50 Proben (dreifach) bestimmt. Der höchste Gehalt an Stickstoff wurde in Thallus Parmelia sulcata in der Stadt Gießen gefunden: Marburger Str. (3,160±0,138 %) und Grünberger Str. (3,113±0,343 %). Den niedrigsten Stickstoffgehalt haben Schloßborn am Taunus (1,235±0,186 %) und Asel im Raum des Edersees (1,249±0,114 %).
4. Chlorophyllgehalt wurde in 100 Proben bestimmt. Der höchste Gehalt an Chlorophyll „a“ im Thallus von Parmelia sulcata wurde in Gießen gefunden: Marburger Str. (6,159±0,994 ?g/mg Luft-Trockengewicht des Thallus) und Heinrich-Buff-Ring (6,569±0,750 ?g/mg). Der niedrigste Gehalt an Chlorophyll „a“ in Schloßborn am Taunus (2,893±0,237 ?g/mg) und in Asel im Raum des Edersee (2,904±0,276 ?g/mg) gefunden.
5. Es wurde eine starke direkte positive Korrelation in den 50 Proben zwischen dem Chlorophyll- und Stickstoffgehalt in Parmelia sulcata (Spearman-Rangkorrelationskoeffizient r = 0,862, Signifi-kanzniveau von p = 0,01) gefunden.

AZ: 30015/573

Zeitraum

01.04.2015 - 31.03.2016

Land

Kaliningrad

Institut

Technische Hochschule Mittelhessen FB Krankenhaus- und Medizintechnik, Umwelt- und Biotechnologie (KMUB)

Betreuer

Prof. Dr. Ute Windisch