Revitalisierung und nachhaltige Entwicklung von Brachflächen
Seit Beginn des 19 Jahrhunderts entstanden im Zuge der Industrialisierung in Europa kontaminierte Standorte, vor allem ehemalige Industrie-und Bergbauflächen. Heute sind in Europa etwa 250.000 solcher Altlasten bekannt, und es wird davon ausgegangen, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2025 verdoppeln wird.
Auf solchen Flächen (auf engl. „Brownfields“ genannt), die meist brach liegen, sind Boden und Grundwasser typischer Weise durch gesundheitsgefährdende Stoffe verunreinigt. Die Sanierung des Untergrunds, die vor einer Wiedernutzung der Flächen erforderlich ist, ist oft sehr aufwendig und teuer. Die deshalb weiter ungenutzten Brachflächen stellen eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit, für Ökosysteme, und für die Wirtschaft dar. Andererseits sind sie eine wertvolle Ressource: Die Wiedernutzung von Brachflächen wird als eine wichtige Strategie zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme angesehen.
Durch die große Zahl unbekannter Parameter (z.B. das Ausmaß der Kontaminationen, die Kosten für deren Sanierung) und die oft gegenläufigen Interessen der Beteiligten (z.B. lokale Behörden, private Bauherren, Grundeigentümer, Investoren usw.) ist die Wiedernutzung von Brachflächen sehr komplex. Erfolgreiches Flächenrecycling erfordert einen optimalen Kompromiss zwischen günstigen Sanierungsstrategien und wirtschaftlich wertvoller Nachnutzung. Dabei müssen zusätzlich die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Stadt-und Regionalentwicklung berücksichtigt werden, um die Vorteile der Wiedernutzung in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Für die adäquate Berücksichtigung der Vielfalt der relevanten Parameter aus diesen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen können Computer-basierte Entscheidungs-Unterstützungs-Systeme (engl. Decision Support Systems, DSS) sehr hilfreich sein, welche Entscheidungen durch die Analyse quantitativer und qualitativer räumlicher Daten in geografischen Informationssystemen (GIS) unterstützen.
Während meines Aufenthaltes in Tübingen wende ich ein solches System – die SAFIRA II Megasite Management Toolsuite (MMT) – für die Beurteilung von Nachnutzungsoptionen auf einer Industriebrache in Hunedoara, Rumänien, an. Diese Studie hat zum Ziel, die effiziente und nachhaltige Wiedernutzung des Standorts zu unterstützen, indem sie (i) Boden- und Grundwassersanierungskosten, (ii) marktorientierte wirtschaftliche Beurteilung (Marktwert), und (iii) den erwarteten Beitrag der geplanten zukünftigen Nutzung zur nachhaltigen Stadt-und Regionalentwicklung ermittelt.
Da die MMT-Software erst in den letzten Jahren entwickelt wurde, hat sie derzeit noch einige Einschränkungen. Eine dieser Einschränkungen ist, dass die MMT bei der Berücksichtigung von Grundwasserschäden nur vom Status Quo ausgeht, ohne das Verhalten der Schadstoffe über die Zeit zu betrachten. Letzteres spielt aber für die Planung eine wichtige Rolle, da bis zu einer abgeschlossenen Sanierung lange Zeiträume vergehen können, die kreativ genutzt werden können und bei der Planung berücksichtigt werden sollten. Deshalb gehört neben der Anwendung der MMT auch die Entwicklung neuer Methoden zu meinen Aufgaben, u.a. die Kopplung der MMT mit einem Grundwasserströmungs- und Schadstofftransport-Modell. Gemeinsam mit dem Team der MMT-Entwickler erarbeite ich so Bausteine für die Umsetzung neuer Ideen und Konzepte in Entscheidungsunterstützungsinstrumente, die die Nutzungsplanung für Brachflächen weiter verbessern und vereinfachen können.