Tiefgefrierkonservierung von Eberspermatozoen als ein Modell zur Erhalung der BiodiversitätDie globale Artenvielfalt der Haus- und Nutztiere gilt als bedroht. Weltweit ist eine große Anzahl von Haustierrassen in ihrem Bestand gefährdet oder wurde bereits ausgerottet. Von 6379 Zuchtpopulationen sind 9% unmittelbar vom Aussterben bedroht und weitere 39% in ihrem Bestand gefährdet. Bei der Spezies Schwein sind nahezu 30% der weltweit 500 Rassen vom Aussterben bedroht. Die Schweineproduktion beschleunigt die Herausbildung einer geringen Anzahl hochspezialisierter Rassen, um den Ansprüchen an qualitativ hochwertiges Schweinefleisch gerecht zu werden. Daraus resultiert eine schnelle und unkontrollierte Zunahme ausgestorbener und vom Aussterben bedrohter Rassen. Fortgeschrittene Reproduktionstechnologien offerieren in diesem Kontext prinzipiell wirksame Möglichkeiten zur Erhaltung der genetischen Diversität.Die Tiefgefrierkonservierung des tierischen Genoms in Form von Embryonen, Eizellen und Spermatozoen stellt eine entscheidende Möglichkeit zur Erhaltung der Artenvielfalt dar. Die Tiefgefrierkonservierung von Spermatozoen repräsentiert dabei eine viel versprechende Option zur Erhaltung des männlichen Genoms in vitro für einen unbegrenzten Zeitraum. Sie ist ein wirksames Instrumentarium zur Etablierung von Nukleusherden mit erhaltenswerten Genomeigenschaften unter Aufrechterhaltung eines hohen Gesundheitsstatus. Zusätzlich minimiert tiefgefrorener Samen in Form einer Genomreserve die Folgen eines plötzlichen Seuchenausbruches oder einer Naturkatastrophe und ist die erste Wahl, wenn der Bestand einer Rasse schnell abnimmt. Die Erstellung einer effektiven Genreserve hängt unmittelbar von der Verfügbarkeit funktionell intakter, tiefgefrorener Keimzellen ab. Trotz der potentiellen Vorteile wird tiefgefrorenes Ebersperma kommerziell kaum in der Schweinezucht genutzt (weniger als 1% weltweit). Die Ursachen sind darin zu sehen, dass Eberspermatozoen für gewöhnlich sehr sensibel auf niedrige Temperaturen reagieren. Im Gegensatz zu anderen Spezies sind porcine Spermatozoen sehr empfindlich gegenüber einem so genannten Kälteschock. Auf Grund dieser Eigenschaft sind sie dafür prädestiniert, als Modell für die Erforschung von Einflüssen der Abkühlung und Kryokonservierung auf Spermatozoen zu dienen. Es wird vermutet, dass substantielle Membranschäden bereits während der Abkühlungsphase auf + 5°C auftreten und entscheidend für den Erfolg der Tiefgefrierkonservierung sind. Eberspermatozoen durchlaufen während der Tiefgefrierkonservierung einen kapazitationsähnlichen Prozess, Kryokapazitation genannt, der die Spermienmembranen destabilisiert und die Fertilität beeinträchtigt. Gleichzeitig ist die Kryokonservierung mit großen osmotischen Belastungen für die Spermatozoen verbunden. Das Ausmaß der zuvor genannten Prozesse kann allerdings durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden.Es wurde gezeigt, dass Seminalplasma (SP) sowohl einen protektiven Effekt gegenüber der Abkühlung von Spermatozoen hat als auch einen regulierenden Effekt auf Kapazitation und Volumenregulation ausübt. Dieser schützende Effekt mag sich ebenfalls bei durch Abkühlung induzierten Schäden während der Tiefgefrierung der Spermatozoen als günstig erweisen. In einem ähnlichen Ausmaß stellt bovines Serumalbumin (BSA) eine Verdünnerkomponente mit positiven Effekten auf die Spermienmembranen und Motilität dar. Neuere Forschungsergebnisse des hiesigen Labors deuten darauf hin, dass Interaktionen zwischen SP, BSA und anderen kälteschockprotektiven Substanzen (CSP) während der Kryokonservierung bei Eberspermatozoen bestehen.Die Erfassung von Kälteschäden erfordert sensitive diagnostische Methoden, die über die Standardspermatologie hinausgehen. Für eine präzise Beurteilung des Samens im Zuge der Kryokonservierung, sollte das Methodenspektrum insbesondere computergestützte, funktionelle Testverfahren umfassen. Das Ziel der gegenwärtigen Studie ist es daher, den Effekt von SP, BSA und CSP während des Abkühlvorganges auf die Qualität kryokonservierten Eberspermas mittels moderner sensitiver Methoden zur Spermabeurteilung zu charakterisieren. Die beste Faktorenkombination wird in der Folge in das bestehende Tiefgefrierprotokoll integriert. Als Ergebnis wird ein optimiertes Protokoll zur Tiefgefrierung von Ebersperma erwartet. Verdünnte Spermaproben von Ebern aus der Population der Reproduktionsmedizinischen Einheit der Kliniken werden bei drei unterschiedlichen Temperaturen gelagert (17°C, 10°C, 5°C). Der Einfluss einzelner Komponenten (Basisverdünner (z. B. Androhep), bovines Serumalbumin (BSA), Seminalplasma (SP), kälteschockprotektive Substanzen (CSP)) und deren Kombinationen auf die Spermaqualität während der Abkühlphase wird in einem multifaktoriellen Ansatz getestet. Die Proben werden nach 6 h, 24 h und 72 h Lagerungsdauer wie folgt untersucht:Neben der Routineuntersuchung des Spermas (durchgeführt am Frischsamen) erlaubt die Färbung mit Propidiumjodid (PI) und an FITC gekoppeltes peanut agglutinin (FITC-PNA) eine sehr sensitive Beurteilung der Integrität der Plasma- und Akrosommembran. Die Analyse der angefärbten Spermatozoen wird unter Verwendung eines Durchflusszytometers durchgeführt.Die computer-assistierte Spermienanalyse (CASA) der Spermienmotilität stellt detaillierte Informationen zu 11 Motilitätsparametern bereit und offeriert ebenso Ergebnisse zu einem der wichtigsten Parameter in der Spermabeurteilung, nämlich dem Anteil progressiv motiler Spermatozoen. Die Motilitätsbeurteilung mit CASA-Systemen ist eine objektive Methode, die die Subjektivität einer mikroskopischen Motilitätsschätzung durch den Menschen eliminiert.Nach Herausarbeitung der besten Faktorenkombination wird im weiteren Projektverlauf diese in ein Tiefgefrierprotokoll implementiert. Da, im Gegensatz zur einfachen Abkühlung, der Einfriervorgang die Spermatozoen nicht nur allgemein (Membranintegrität, Motilität) sondern auch in subtilerer Weise schädigt (Funktionalität der Membran, Chromatinintegrität), werden in den zukünftigen Experimenten die Evaluierungsmethoden durch Verfahren zur Bestimmung der Chromatinintegrität und Volumenregulationsfähigkeit der Spermatozoen ergänzt. Zum Vergleich der Ergebnisse und zur Beurteilung des modifizierten Tiefgefrierprotokolls wird der Samen vor und nach der Tiefgefrierung beurteilt.Durch eine Optimierung der Spermatiefgefrierung am Modell der Spezies Schwein wird für die Zukunft erwartet, diese Biotechnologie deutlich effizienter zur Erhaltung der Biodiversität bedrohter Haus- und Nutztierrasen einsetzen zu können.