Ziel des Projekts „Oat12“ ist die Entwicklung und Charakterisierung eines mit Vitamin B12 angereicherten Ausgangsstoffs auf Haferbasis für die Herstellung von Milchersatzprodukten mit reduzierter CO₂-Bilanz. Vitamin B12 beschreibt eine Gruppe von Cobalaminen, welche essenziell für den menschlichen Organismus sind. Vitamin B12 wird von Bakterien gebildet und ist hauptsächlich in tierischen Produkten zu finden. Untersuchungen zeigen, dass durch Einsatz von Propionsäurebakterienkulturen Vitamin B12 in Sauerteigen und Broten aus verschiedenen Getreiden und Pseudo-Getreiden angereichert werden kann. Dieser innovative Ansatz wird im Rahmen dieses Projekts auf flüssige Hafererzeugnisse übertragen, in welchen durch Fermentation Vitamin B12 angereichert wird.
Im Rahmen des Projekts erfolgt die fermentative Anreicherung von Vitamin B12 in Haferextrakt (ugs. Haferbase) durch die Umsetzung verschiedener Prozessschritte.
Im ersten Schritt ist eine enzymatische Vorbehandlung der Haferbase vorgesehen, um ihre Eigenschaften für den Fermentationsprozess zu optimieren. Hierbei werden spezifische Enzyme eingesetzt, deren Funktion es ist, die Nährstoffverfügbarkeit für die Vitamin-B12-produzierenden Mikroorganismen zu verbessern. Im Anschluss erfolgt die Durchführung der Fermentation unter kontrollierten Bedingungen. Die Auswahl geeigneter Mikroorganismen, insbesondere Propionsäurebakterien, die typischerweise in der Käseherstellung eingesetzt werden, spielt dabei eine zentrale Rolle. Abschließend wird die fermentierte Haferbase auf ihre Eignung als Lebensmittelzutat in pflanzlichen Milchalternativen untersucht.
Parallel zur Entwicklung des Fermentationsprozesses wird ein Modell zur Bewertung der CO₂-Bilanz unter Berücksichtigung der Nährstoffdichte von Lebensmitteln entwickelt. Dieses Modell berücksichtigt sowohl die Umweltauswirkungen der Produktionsprozesse als auch die ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Produkte. Ziel ist es, trotz eines zusätzlichen Prozessschrittes, der fermentativen Vitamin B12-Anreicherung, eine signifikante Verbesserung der CO₂-Bilanz unter Berücksichtigung der Nährstoffdichte zu erreichen.
Umweltauswirkungen, wie der Ausstoß von Treibhausgasemissionen werden in der Regel als massenbasierte funktionelle Einheiten (mFU) wie kg CO₂e pro kg Lebensmittel angegeben. Dies hat den Vorteil, dass Unterschiede in der Verpackungsgröße ausgeglichen werden und somit die Umweltauswirkungen verschiedener Lebensmittel vergleichbar sind. Außerdem sind nur wenige Daten über das Lebensmittel erforderlich. Dieser „klassische“ Ansatz wird jedoch den Unterschieden in der Nährstoffdichte der Lebensmittel nicht gerecht, die mit einbezogen werden sollten. Eine Möglichkeit, die Nährstoffdichte in die Ökobilanz von Lebensmitteln einzubeziehen, ist die Verwendung von nährstoffbasierten funktionellen Einheiten (nFU). Dabei wird die Nährstoffdichte des Lebensmittels anhand eines Nährstoffindexes quantifiziert.
Ein im Rahmen des Projektes entwickeltes Modell zur Bewertung der Umweltauswirkungen von Lebensmitteln unter Berücksichtigung der Nährstoffdichte wurde zur Bewertung von Milchprodukten und deren pflanzlichen Milchalternativen eingesetzt und mit der "klassischen" Methode verglichen.
Die Anwendung der klassischen mFU resultiert in einer 2,3- bis 2,7-fach höheren CO₂-Bilanz von Milch im Vergleich zu Haferdrink ohne und mit Nährstoffanreicherung. Demgegenüber zeigt sich unter Anwendung der nFU lediglich eine 1,5-fache höhere CO₂-Bilanz von Milch im Vergleich zu einem mit Lebensmittelzusatzstoffen (u.a. Vitamin B12) angereicherten Haferdrink. Ein Vergleich von Milch und Haferdrink ohne Lebensmittelzusatzstoffe zur Nährstoffanreicherung auf Basis der nFU zeigt, dass sich der Trend umkehrt. Die CO₂-Bilanz des Haferdrinks ist demnach um den Faktor 2,8 höher als die von Milch. Die Anwendung der mFU führt bei Käse und Joghurt zu einer jeweils um den Faktor 3,1 und 1,5 höheren CO₂-Bilanz im Vergleich zu den pflanzlichen Alternativprodukten. Beim Wechsel zu einer nFU ist die CO₂-Bilanz lediglich um den Faktor 1,2 für Käse und 1,1 für Joghurt erhöht.
Auf der Woche der Umwelt vom 04.06. und 05.06.2024 hat sich die Hochschule Hannover mit dem Fachforum Pflanzlich, per se besser? beteiligt. Es wurde die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten der Konsumenten im Hinblick auf tierische Produkte diskutiert, wobei insbesondere der Rückgang des Fleischkonsums und die Entwicklung von pflanzlichen Alternativen thematisiert wurden.
Die Hochschule Hannover hat sich im Rahmen des Projekts mit dem Vortrag "Kühe, Mandeln oder Hafer: Die bunte Welt der Milch" an der KinderUniHannover, einer Vorlesungsreihe speziell für acht- bis zwölfjährige Kinder beteiligt. Das Ziel der KinderUniHannover ist in anschaulich gestalteten, kindgerechten Veranstaltungen spannende Einblicke in die Welt der Wissenschaft zu vermitteln und bei den teilnehmenden Kindern Neugier und Forschungsdrang zu fördern.
Weiterhin war die Hochschule Hannover auf der Veranstaltung "Zukunftsfähig leben in Stadt und Region Hannover" vertreten. Bei der Veranstaltung trafen sich Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zum Dialog, um Lösungen für die drängenden Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende und soziale Ungleichgewichte zu erarbeiten.
Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass die Wahl der funktionellen Einheit einen erheblichen Einfluss auf die abgeschätzten Treibhausgasemissionen von Milchprodukten und ihrer pflanzlichen Alternativen hat. Haferdrink hat nur nach Anreicherung mit Zusatzstoffen (u.a. Vitamin B12) eine geringere CO₂-Bilanz als Milch, wenn die Nährstoffdichte als Faktor mit berücksichtigt wird. Inwieweit eine natürliche fermentative Anreicherung von Haferdrinks mit Vitamin B12 auch die CO₂-Bilanz verbessern kann, soll in weiteren Untersuchungen im Rahmen des Projektes geklärt werden.