Im September 2022 hat der Deutsche Museumsbund eine "Empfehlung zur Energieeinsparung durch die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung " veröffentlicht. In dieser wird empfohlen, einen großzügigeren Klimakorridor bei der Museumsklimatisierung zuzulassen und damit die bisher eng gefassten Sollwerte für Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit unter bestimmten Bedingungen auszuweiten.
Der empfohlene Klimakorridor sieht einen Temperaturbereich von 18°C-26°C (max. +/-2 °C innerhalb von 24h) und einen Luftfeuchtigkeitsbereich von 40-60% (max. +/- 5 Prozentpunkte innerhalb von 24h) vor.
Aktueller Anlass für die Empfehlung war die drohende Energieknappheit und insbesondere das Ziel, den CO2-Fußabdruck von Museen als öffentliche Institutionen zu reduzieren und damit nachhaltig zum Klimaschutz beizutragen.
Obwohl dieser erweiterte Klimakorridor für viele Materialien in Museumssammlungen vermutlich unbedenklich ist, erfordert die Risikobewertung für besonders klimaempfindliche Materialien zusätzliche Untersuchungen. Zu dieser Risikobewertung durch Restaurator:innen, Naturwissenschaftler:innen und Materialexpert:innen fordert der Deutsche Museumsbund in Punkt 5 der Empfehlung auf.
Poröse Malschichten, die eine geringe Menge an hygroskopischem Bindemittel enthalten, bilden eine dieser besonders klimaempfindlichen Materialkategorien.
Ziel unseres Projektes ist es zu untersuchen, welchen Einfluss die langfristige und sich zyklisch wiederholende Schwankung der relativen Luftfeuchte im Bereich zwischen 40-60% auf die Kohäsion poröser Malschichten mit hygroskopischen Bindemitteln und auf die Kontaktfläche zwischen Pigmentoberfläche und Bindemittel hat. Zum ersten Mal wird die Beziehung dieser zwei Aspekte auf Makro- und Mikroebene systematisch untersucht und korreliert.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert das Forschungsvorhaben mit 85.000 Euro. Durchgeführt wird es an der Technischen Hochschule Köln, am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS), unter Leitung von Prof. Dr. Ester S.B Ferreira und unter Mitarbeit von Charlotte N. Stahmann (M.A.), sowie den Studierenden Emma Helfrich und Thanh Vu. Interne Partner im Projekt sind Prof. Dr. Jörg Lüderich und Andreas Käckel von Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik der TH Köln. Externe Partner sind Martin Muckelbauer (Powerlyze GmbH, Nürnberg) und Dr. Nicholas Phillips (Paul-Scheerer-Institut, Villigen, Schweiz).
Die Untersuchungen werden an Probekörpern durchgeführt, deren Materialien repräsentativ sind für eine Vielzahl farblich gefasster Kunst- und Kulturobjekte. Deren Beispiele reichen von dekorativen Wandmalereien in norwegischen Stabkirchen [1], über australische indigene Rindenmalereien [2], Artefakte aus Papua-Neuguinea [3] und Tüchleinmalerei [4]. Die Materialwahl beinhalt die hygroskopischen Bindemittel Gelatine und Kasein (Proteine), sowie Gummi Arabicum (Polysaccharid). Als Pigmente werden Champagner Kreide, Roter Ocker und Rebschwarz verwendet. Insgesamt ergeben sich daraus Malschichten in neun verschiedenen Materialkombinationen von denen jeweils ein Set mit einem geringen, und ein Set mit einem ausreichenden hohen Bindemittelanteil hergestellt wird.
Zur Ermittlung des Einflusses der schwankenden relativen Luftfeuchtigkeit auf poröse Malschichten mit hygroskopischen Bindemitteln arbeiten wir mit der Methode der künstlichen Alterung. Bei dieser werden die zu untersuchenden Malschichten kontrolliert erzeugten Schwankungen der relativen Luftfeuchtigkeit ausgesetzt.
Neben den erwähnten Luftfeuchtigkeitsschwankungen zwischen 40-60%, die anlässlich der neuen Klimaempfehlungen im Fokus dieser Untersuchungen stehen, wird jeweils ein Probekörper-Set zu Vergleichszwecken den folgenden Klimasituationen ausgesetzt:
20-80%, repräsentativ für eine nicht klimatisierte Umgebung,
45-55%, repräsentativ für die bisher verbreitete Empfehlung für die Klimatisierung in Museen von der American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineer (ASHREA) [5] und einer auf 54% relativen Luftfeuchtigkeit stabilisierten Umgebung, repräsentativ für eine mit gesättigter Magnesiumnitrat-Salzlösung ausgestattete Vitrine.
Die Temperatur wird bei allen Versuchen konstant bei 22°C gehalten.
Für die Überprüfung der Kohäsion der Malschichten nach der künstlichen Alterung wird in Kooperation mit dem Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik der TH Köln ein standardisiertes und automatisiertes Testverfahren entwickelt.
Ergänzend zu den Untersuchungen der Kohäsion, zoomen wir mittels Rasterelektronenmikroskopie und Synchrotron Röntgen-Ptychographie auf die Nanoebene des Inneren der Malschichten heran und untersuchen die Kontaktflächen zwischen Pigmentoberfläche und Bindemittel sowie die Morphologie der Bindemittelbrücken in 3D.