institut für finanzdienstleistungen e. V.
Grindelallee 100
20146 Hamburg
Das Forschungsprojekt stärkte den Hebel der nachhaltigen Geldanlage für die Transformation zu einer nachhaltigen Welt. Um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen, muss die Wirtschaft eine Transformation hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen vollziehen. Ein zentraler Anreiz hierfür kann an Nachhaltigkeitskriterien gekoppeltes Kapital sein. Insofern können nachhaltige Anlageentscheidungen von Verbraucher:innen einen Beitrag zu einer Nachhaltigkeitstransformation leisten.
Trotz wachsendem Interesse an nachhaltigen Geldanlagen von Kleinanleger:innen spiegelte sich dies bislang nicht in den tatsächlichen Investitionsentscheidungen wider.
In der Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung wird überwiegend eine top-down Perspektive eingenommen. Dieser Perspektive stellten wir ergänzend die Perspektive der Verbraucher:innen auf dem Finanzmarkt entgegen. Vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID II) die Mitte 2022 in Kraft tritt, ist dieser Fokus auf Verbraucher*innen nicht nur aus Sicht der Forschung dringlich, sondern auch politisch gefordert.
Das Kooperationsprojekt wurde vom institut für finanzdienstleistungen (iff) und dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie (IWKG) der Leibniz-Universität Hannover (LUH) durchgeführt. Das interdisziplinäre Team verfügt über umfangreiche Forschungserfahrung in den Bereichen Finanzdienstleistungen, nachhaltiger Konsum, soziale Präferenzen und Mobilisierung von Privatkapital, sowie über eine hervorragende institutionelle Einbindung. Die Kooperation aus LUH mit Einbindung auch in die universitäre Lehre, sowie dem iff mit engen Kontakten zu Verbraucherverbänden und Anbietern von Finanzdienstleistungen, stellte den Praxisbezug der Forschung sicher.
Die Erkenntnisse des Forschungsprojekts adressierten die Bereiche „Institutionen stärken, Wissen generieren und teilen“ und „Transparenz verbessern“ der Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung sowie die Umsetzung der MiFID II Richtlinie. Damit unterstützen unsere Ergebnisse die Verbesserung der nachhaltigen Finanzintermediation sowie sustainable financial literacy. Schließlich tragen sie dazu bei das volle Potenzial privater nachhaltiger Geldanlagen auszuschöpfen - und damit fördern sie auch die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.
Mittels 3 verschiedener Arbeitspakete wurden Erkenntnisse zur Realität und den Präferenzen Kleinanleger:innen generiert. Dank der Interdisziplinarität der Kooperationspartner kamen im Projekt Methoden und Ansätze aus dem Bereich der Nachhaltigkeitsforschung, Finanzwissenschaft und Wirtschaftsgeographie zum Einsatz. Ein eigenes Synthese Arbeitspaket konzentrierte sich auf die Vermittlung der Forschungsergebnisse an eine breite Öffentlichkeit, etwa über Workshops. Die Forschungsergebnisse fanden auch Eingang in die Lehre der Geographiestudiengänge der LUH, sowie in die Beratungstätigkeiten bei Verbraucherverbänden des iff.
Im Arbeitspaket 1 wurde die Frage beantwortet, mit welcher Realität Kleinanleger:innen konfrontiert sind, wenn sie versuchen, nachhaltige Anlageentscheidungen zu treffen. Um ein kohärentes Bild über den Stand der Dinge sowie über die Probleme des derzeitigen Systems zu erhalten, führten wir Expert:inneninterviews mit wichtigen Akteuren im Bereich der nachhaltigen Finanzen durch. Zudem hat eine Portfolioanalyse zu nachhaltigen Anlageprodukten dazu beigetragen, Einblicke in die Angebotsseite nachhaltiger Anlagen zu erhalten. Schließlich wurden in diesem Arbeitspaket gängige Nachhaltigkeitskategorien, wie der tripple bottom line Ansatz (Enquete Kommission 1998), oder der in der Literatur viel diskutierten Unterscheidung zwischen wirkungsorientierter, werteorientierter und performanceorientierter nachhaltiger Geldanlage (2° Investing Initiative (2020)) zusammengetragen. Dieses Arbeitspaket wurde federführend vom iff e.V. durchgeführt.
In Arbeitspaket 2 ging es darum, die Präferenzen der Kleinanleger:innen in Bezug auf nachhaltige Investitionen zu verstehen. Um Einblicke in die Kleinanleger:innenpräferenzen zu gewinnen, wurden Fokusgruppendiskussionen (FGD) mit Kleinanleger:innen durchgeführt, die sich für nachhaltige Geldanlagen interessieren. Die Teilnehmer:innen der FGD wurden über öffentliche Aufrufe über Blogs, Podcasts aber auch über Finanzanbieter und mittels einer Aufwandentschädigung akquiriert. Zu Beginn erarbeiteten wir mit den Teilnehmer:innen eine Definition von nachhaltigen Investitionen. Welche Dimension von Nachhaltigkeit für Kleinanleger:innen im Vordergrund steht, kann für verschiedene Kleinanleger:innen unterschiedlich sein und damit auch einen entscheidenden Einfluss auf die für die Anlageentscheidung benötigten Informationen haben. Die Kernfrage der FGDs war, welche Art von Informationen Kleinanleger:innen für wichtig halten, um nachhaltige Anlageentscheidungen zu treffen, die ihre Präferenzen und ihre Verbraucher:innenidentität widerspiegeln. Zudem untersuchten wir regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern, sowie zwischen ländlichen und urbanen Räumen. Die Fokusgruppen, wurden je nach Zusammensetzung der Teilnehmenden und pandemischer Lage in Präsenz oder virtuell durchgeführt. Dieses Arbeitspaket wurde federführend von der LUH durchgeführt.
Das Arbeitspaket 3 zielte darauf ab, die Ergebnisse der beiden Arbeitspakete zusammenzufassen und so aufzuarbeiten, dass die Verwertung der Ergebnisse in Politik und Praxis gegeben ist. Zentral war hier die Synthese der erarbeiteten Nachhaltigkeitspräferenzen aus Arbeitspaket 2 mit bestehenden Nachhaltigkeitskategorien aus Arbeitspaket 1. Die Erkenntnisse sollten in die laufenden Diskussionen zur nachhaltigen Anlageberatung einfließen und an bestehende Indikatorensysteme anknüpfen, etwa denen des FNG-Siegels, des imug-rating oder der 2° Investing Initiative. Wir planten entsprechend einen Workshop zu den Ergebnissen des Projekts mit Akteure aus dem Verbraucherschutz, der Politik und der Beratungscommunity. Darüber hinaus planten wir eine Reihe politischer Veröffentlichungen. Dieses Arbeitspaket wurde besonders intensiv durch die Expertise des Beirats unterstützt.
Das Ziel des Projektes, Hindernisse von Privatanleger:innen in die Debatte zur Regulierung der nachhaltigen Geldanlage einzubringen ist erreicht worden. Dies war möglich, indem zum Einen die Perspektive von Privatanleger:innen erhoben wurde und zum anderen die Erkenntnisse des Forschungsprojekts Eingang in den politischen Diskurs gefunden haben.
Die große Herausforderung des Projekts, war die Rekrutierung der Fokusgruppenteilnehmende. Für die Rekrutierung wurde verschiedene Kanäle gewählt:
• Auslegen von Flyern in Geschäften
• Aufruf über LinkedIn
Über diese Vorgehensweise konnten vor allem Diskussionsteilnehmer:innen für die Fokusgruppendiskussion rekrutiert werden, die bereits über Kenntnisse zum Thema nachhaltige Geldanlagen verfügten. Um darüber Personen zu erreichen, die über kein fundiertes Wissen zu diesem Thema verfügen wurden zusätzlich zu diesen Kanäle ein Dienstleister beauftragt, Probrand:innen für die Diskussion zu identifizieren.
Der Beirat unterstützte beide Forschungspartner darin, die Ergebnisse in zentralen Institutionen bekannt zu machen. Die Weiterführung des Projekts wird insbesondere dadurch sichergestellt, dass die Projektergebnisse in der Arbeit des iff, konkret in die bestehenden Beratungstätigkeiten bei Verbraucherverbändern und Anbietern von Finanzdienstleistungen eingebracht werden. Zudem werden die Ergebnisse im Rahmen von etablierten Austauschformaten wie der jährlich stattfindenden iff-Konferenz oder der Bundesinitiative Impact Investing berücksichtigt.
Darüber hinaus wurden die Ergebnisse auf der Website des iff frei zur Verfügung gestellt. Die durch das Projekt gewonnen Erkenntnisse werden die Forschung von LUH und iff prägen und entscheidenden Einfluss auf den wissenschaftlichen Nachwuchs nehmen. Die Forschungsergebnisse werden Eingang in der Lehre an der LUH finden. Insbesondere können die Ergebnisse im Rahmen eines wirtschaftsgeographischen Hauptseminars im Bachelorstudium, oder aber im Forschungsprojekt des Masterstudiengangs genutzt werden. Besonders geeignet sind auch Abschlussarbeiten zu projektnahen Themen.
Über den Kanal der Beiratsmitglieder wurde, wie im letter of intent festgehalten, sichergestellt, dass die Ergebnisse in den politischen und technischen Diskurs zur Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit bei der Anlageberatung von Kleinanleger:innen einfließen. So sollten die Erkenntnisse über den Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung, in den politischen Diskurs eingebracht werden. Über Ökofinanz 21 und die HASPA sollten die Erkenntnisse weitergegeben werden an nachhaltigkeitsaffine Anlageberater:innen und eher konventionelle Anlageberater:innen. Durch die Beiratsmitgliedschaft des Geschäftsführers der Qualitatssicherungsgesellschaft Nachhalter Geldanlagen mbH, die als FNG-Tochter über die Zertifizierung von Finanzprodukten, Gutachten und die Entwicklung von Standards und Dienstleistungen zur Qualitätssicherung nachhaltiger Investments beiträgt, wurde sichergestellt, dass die Erkenntnisse auch bei den Auditierungsprozessen von Produkten der nachhaltigen Geldanlagen Berücksichtigung finden. Nur so werden die Anlageberater:innen in die Lage versetzt, nachhaltigkeitsrelevante Informationen zu den Anlageprodukten Kleinanleger:innen adäquat zur Verfügung zu stellen.
Aus Sicht des Projektteams hat sich die Vorgehensweise des Forschungsprojekts bewährt, um die Perspektive der Verbraucher:innen in den Diskurs zum Thema nachhaltige Geldanlage einzubringen. Erfolgsfaktoren waren dafür aus Sicht des Projektteams
1. Nutzung qualitativer Forschungsmethoden
In den letzten Jahren sind Wissenschaftler:innen, Investmentfirmen und Nachhaltigkeitsexpert:innen zu der Auffassung gelangt, dass die Verbraucher:innen unterschiedliche Beweggründe haben, sich an nachhaltigen Investitionen zu beteiligen. Diese Erkenntnis basiert vor allem auf quantitativen Befragungen, die qua Erhebungsform den Befragten bereits Beispiele für Nachhaltigkeitskriterien bei Anlageentscheidungen vorgeben.
Die vorliegende Studie fügt diesem Diskurs eine neue innovative Perspektive hinzu: Durch den qualitativen Erhebungsansatz der Studie, wird den Verbraucher:innen mehr und unvor-eingenommenes Gehör gegeben.
2. Einbeziehung eines Beirats
Der Beirat wurde eingerichtet, um die Forschungspartner darin zu unterstützen, die Ergebnisse in zentralen Institutionen bekannt zu machen. Als Erfolg für die Verbreitung der Ergebnisse und die Berücksichtigung der Ergebnisse bei den verschiedenen Akteuren kann verzeichnet werden, dass die Erkenntnisse und die Implikationen aus dem Forschungsprojekt in das Positionspapier des Sustainable Finance Beirats ein-geflossen sind.