Das Forschungsprojekt hat die Entwicklung eines Verfahrens zur Trennung von Beschichtungen und Textilien zum Ziel. Speziell geht es um persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Form von Arbeitsschutzhandschuhen mit Nitrilkautschuk-Beschichtung, deren Basisrohstoffe zurückgewonnen und wiederverwertet werden sollen. Ansprüche an das Vorhaben sind das Schließen von Lücken in der Kreislaufwirtschaft sowie Vermeidung von Abfällen. Daher wird angestrebt, ein Downcycling der gewonnenen Rohstoffe zu vermeiden und aus ihnen wieder beschichtete Textilien herzustellen. Zur Umsetzung dieses Vorhabens soll ein mehrstufiges Recyclingverfahren zum Trennen der in den Schutzhandschuhen enthaltenen Wertstoffe entwickelt werden. Die von den Projektpartnern zu erarbeitenden und zu untersuchten Prozessschritte beinhalten dabei neben Wasch- und Sortiervorgängen auch das Schreddern und Feinmalen der Arbeitsschutzhandschuhe mit anschließendem Sieben oder Windsichten zur Rückgewinnung der Ausgangsmaterialien, um diese schmelzfiltern oder granulieren zu können.
Anlass des Projektes ist der Anfall hoher Abfallmengen an beschichteten Handschuhen, was bspw. bei der Daimler Truck AG rund 5,8 Mio. Paare pro Jahr ausmacht. Potenziell als Abfall anfallen können ca. 124 Mio. Paare pro Jahr (ca. 6.200 t), wenn man von der Gesamtmenge produzierter Ware in diesem Segment ausgeht.
Die beschichteten Handschuhe werden am Endes ihres Gebrauchs der Müllverbrennung zugeführt. Grund der thermischen Verwertung ist die Untrennbarkeit der Beschichtungen vom Substrat mit der bestehenden Prozesstechnik. Bei der Seiz Industriehandschuhe GmbH machen die zur Entsorgung aussortierten Handschuhe ca. 35 t aus, was 7 % von 500 t Reinigungsware entspricht. Unbeschichtete Textilien werden aufgerissen und z. T. in Abmischungen mit Neufasern in Vliesstoffen für den nicht sichtbaren Bereich im Automobil, als Putzlappen, Füllstoffe und in weiteren Anwendungen eingesetzt. Diese Verwendung recycelbarer Wertstoffe ist bisher für beschichtete Handschuhe nicht möglich. Eine Rückführung der Handschuhrohstoffe kann jedoch den Rohstoffverbrauch für Neuprodukte reduzieren und somit eine Energieeinsparung bei der Produktion begünstigen. Die nebenstehende Abbildung führt eine Soll-Ist-Darstellung der Kreislaufwirtschaft im geplanten Projekt auf.
Beim Recycling von Arbeitsschutzkleidung allgemein, und bei Handschuhen im Besonderen, muss beachtet werden, dass es sich um Funktionstextilien handelt mit der Aufgabe, ihren Träger vor Umwelteinwirkungen zu schützen. Die Handschuhe stellen einen Verbundwerkstoff dar, der aus Polyamid 6.6 (Nylon) und Nitril-Butadien-Kautschuk (NBR) besteht. Der Nylon-Bestandteil ist ein linear aufgebautes Polyamid aus der Gruppe der Copolymere, welches nach dem Schmelzen zu Endlosfasern (Filamenten) ausgesponnen und zur textilen Fläche verstrickt wird. Der Synthesekautschuk für die Handschuhbeschichtung ist das Co-Polymerisat von Acrylnitril und 3-Butadien und wird zum Erreichen von Chemikalienfestigkeit auf die Arbeitsschutzhandschuhen aufgebracht (s. Bestandteilkombination eines Arbeitsschutzhandschuhs in nebenstehender Abbildung).
Die Arbeitsschutzhandschuhe mit NBR-Beschichtung werden derzeit einer Wiederverwendung nach Wiederaufbereitung durch Waschen zugeführt. Diese kann die Handschuhe jedoch nicht ewig vor Verschleiß und daher der thermischen Verwertung bewahren. Grund ist, dass derzeit keine passenden Trennverfahren für NBR-PA-Verbunde bekannt sind. Die Herstellung neuer Arbeitsschutzhandschuhe aus wiederaufbereiteten Bestandteilen ist ein Bestreben des Forschungsprojektes. Die bisherigen Recyclingansätze innerhalb der Textilindustrie sind dafür jedoch nicht geeignet.
Im Rahmen des Projektes soll weiterhin eine Analyse des Produktportfolios beim Schutzhandschuhhersteller Seiz erfolgen, um Sortiervorgaben und Prozesswege für das Recycling zu definieren. Weiterhin sollen Vorgaben für Neuentwicklungen und die Beschaffung von Rohstoffen festgelegt werden, um die Produkte umweltneutraler zu gestalten.
Die im Projekt erarbeiteten Ergebnisse können im Anschluss an das Vorhaben auf weitere beschichtete Materialien aus der Textilwirtschaft übertragen werden. Hier gibt es eine Vielzahl an Anwendungen im Bereich Regenschutz, Kunstleder für verschiedenen Anwendungen oder auch Heimtextilien, die aktuell der energetischen Verwertung zugeführt werden und mit dem entstehenden Projekt-Know-how weiterhin als wertvolle Rohstoffe zur Verfügung stehen können.
Beim Recycling spielt die Zusammensetzung des zu verwertenden Abfallguts eine zentrale Rolle zur Wiedergewinnung des Ausgangsmaterials. Zur Trennung von Materialien ist aber auch die Oberfläche entscheidend, welche bei beschichten Textilien eine dauerhafte Verbindung einer geschlossenen Schicht (Beschichtung) auf einem offenporigen, unebenen Untergrund (Gestrick) ist. Durch reibschlüssigen Bindung des Nitril-Kautschuks an die Polyamid-Gestrickoberfläche kommen dichteabhängige Sortierverfahren, wie z. B. in der Kunststoffverwertung, des PA-NBR-Verbundes nicht infrage.
In Vorversuchen der Projektpartner wurde festgestellt, dass es über eine Vermahlung unter bestimmten Prozessbedingungen möglich ist, die Haftung zwischen Beschichtung und Textil so weit zu schwächen, dass sich die Stoffe bei weiterer mechanischer Behandlung trennen lassen. Die nebenstehende Abbildung zeigt die nach der Vermahlung über Sieben getrennte Fraktionen aus Polyamid-Fasern und NBR-Beschichtungspartikeln. In den behandelten Fasern sind kaum noch Beschichtungsrückstände vorhanden.
Diese Art der Vermahlung eignet sich für elastische, zähe und temperaturempfindliche Materialien (auch für Kautschuk oder faserige Produkte), wobei gezielt gewählte Prozessparameter zu einer Materialversprödung und damit zur Verbesserung des Bruchverhaltens führen. Dies geht mit besserem Ablösungsvermögen elastischer Materialien von Untergründen einher, was bei Nitril-Kautschuk ein entscheidender Faktor zur Trennung des Materials vom Polyamid-Untergrund ist. Durch den Prozess verkürzte PA-Fasern können durch einen Schmelz- und Spinnprozess wieder zu Filamenten aufbereitet werden. Eine Trennung von PA und NBR ist jedoch unerlässlich, sodass ein Separationsprozess dem Mahlprozess nach- bzw. zwischengeschaltet werden muss. Die Trennung der Partikel kann über Siebverfahren oder Windsichten erfolgen. Bei Letzterem wird zur Trennung feiner und gröberer Mischteile ein trockener, spiralförmiger Luftstrom verwendet.
Eine Vermahlung mit anschließender Separation wird derzeit nicht zum Recyceln von Textilien verwendet, erscheint jedoch als zielführende Methode für Arbeitsschutzhandschuhe mit NBR-Beschichtung. Dafür besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der einzustellenden Parameter zur Trennung von NBR und PA, um die Rohstoffe in entsprechender Qualität wieder dem Wertstoffkreislauf zuzuführen. Um eine Aussage zu den Nachhaltigkeitsgrenzen des Prozesses machen zu können – abhängig von Rohstoff- und Energiekosten – muss eine Bewertung der anfallenden Prozesskosten erfolgen.
Im Forschungsprojekt betrachtet werden folgende Prozesse: Vermahlung der Handschuhe, Trennverfahren (Ablösen der Beschichtung), Separationsverfahren (Sieben, Windsichten) und das Regranulieren mit verschiedenen Anlagetechniken. Die thermoplastischen Komponenten sollen wieder zu Fasern gesponnen oder im Spritzguss verwendet werden. Versuche zum Faserspinnen neuer Polyamidfasern und Strickversuche im Unterauftrag zur Bewertung der Ergebnisse sind eingeplant. Entstehende Materialgemische werden ebenfalls auf Einsatzwecke untersucht, um ihren Recyclingaufwand zu senken. Für Reststoffe wird eine sinnvolle Verwendung gewählt. Es wird eine Energiebilanzierung vorgenommen, um den Prozess und seine Einzelstufen zu vergleichen und eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorzunehmen.
Für die Umsetzung des Forschungsvorhabens sind 2 Jahre eingeplant, vom 01.01.2023 bis 31.12.2024. Die Arbeitspakete untergliedern sich in die übergreifenden Punkte:
Recherche und Marktbeobachtung, Definition der Produkt- und Sortiervorgaben,
Versuche zur Prozessentwicklung (Waschen, Schreddern und Vermahlung, Trennverfahren Sieben/Windsichten),
Charakterisierung der entstehenden Produkte,
Demonstratorversuche (Schmelzspinnen, Spritzguss),
Berichtswesen und Projektleitung.
Das erste halbe Jahr der Projektlaufzeit wird für die Definition der Produkt- und Sortiervorgaben aufgewendet. Anschließend folgen die parallel ablaufenden Arbeitspakete Prozessentwicklung und Charakterisierung der entstehenden Produkte, wobei letzteres sukzessiv mit dem Fortschreiten der Erkenntnisse aus der Prozessentwicklung erfolgt und wofür je 1 Jahr Bearbeitungszeit eingeplant ist. Wichtigster Meilenstein in der Bearbeitung des Forschungsprojekts stellt die endgültige Festlegung der Prozessabläufe dar. Daran schließen sich im letzten Halbjahr der Projektlaufzeit die Demonstratorversuche an.