Die Jahre 2021 und 2022 sind wichtige Meilensteine und bieten Interventionspunkte, um politische Strategien und praktische Maßnahmepakete gegen den Biodiversitätsverlust in Deutschland, Europa und der Welt voranzubringen.
Im Jahr 2010 hatten die Vertragsstaaten des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) ein strategisches Rahmenwerk verabschiedet, das Ursachen des Biodiversitätsverlustes adressiert und Wege aufzeigt, diese Ursachen zu bekämpfen (Strategic Plan for Biodiversity 2011-2020). Die darin enthaltenen Aichi-Biodiversitätsziele waren die bisher wichtigsten globalen Vorgaben für die Erhaltung der Biodiversität. Sie sollten auf nationaler Ebene umgesetzt werden, wozu sich die Vertragsstaaten damals bekannten. Ende 2020 lief der Strategische Plan der CBD aus und die meisten der 20 Aichi-Ziele wurden weit verfehlt. Dies zeigen sowohl der 2019 veröffentlichte Globale Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES, als auch der globale Biodiversitätsausblick (GBO-5) der CBD. Vor diesem Hintergrund wird aktuell intensiv über neue globale Naturschutzziele (Global Biodiversity Framework – GBF) für die Dekade nach 2020 diskutiert und verhandelt.
Die neuen globalen Naturschutzziele sollen auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (COP, Convention of the Parties, 7.- 9. Dezember 2022) verabschiedet werden.
Die 15. CBD COP mit ihren zu erzielenden Beschlüssen fällt in eine Zeit, in der Wirtschaft und Gesellschaft weltweit nicht nur durch die Corona-Pandemie, sondern auch den Ukraine-Krieg geprägt sind. Es besteht die Gefahr, dass der Biodiversitätsschutz an öffentlicher und politischer Aufmerksamkeit verliert und die Maßnahmen, die nötig wären, um natürliche Lebensgrundlagen zu sichern, nicht in genügendem Ausmaß und Tempo ergriffen werden. Vor diesem Hintergrund gilt es, das Thema Biodiversitätsschutz zum einen in die breite Öffentlichkeit zu tragen und zum anderen politische Strategien und praktische Umsetzungsmaßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt voranzubringen.
Ziel der Abendveranstaltung war es, den Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu den wesentlichen Prozessen der Biodiversitätsgovernance zu stärken und politische Strategien und praktische Maßnahmenpakete gegen den Biodiversitätsverlust in Deutschland, Europa und der Welt voranzubringen. Bewusst wurde auch prominent auf das Thema Digitale Sequenzinformationen (DSI) eingegangen. Denn das Monitoring und die globale Erfassung der Artenvielfalt relevanter Organismengruppen, z.B. wasser- oder bodengebundener Kleinstlebewesen, Bakterien, Pilze, Tiere und Pflanzen, ist nur mit genomischen Methoden realisierbar. Der freie, uneingeschränkte Zugang zu DSI ist essentiell für die Grundlagenforschung, viele Monitoring-Elemente des post-2020 GBF und für den in den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) verankerten Wissen- und Technologietransfer. Der offene Zugang ist die absolute Voraussetzung für die zukünftige Entwicklung des globalen Südens.
Die Konzeption der für den 15.3.2022 angesetzten Abendveranstaltung begann im Dezember 2021. Das Datum für die Abendveranstaltung war trotz diverser vorhergehender Verschiebungen des CBD Ablaufs günstig: vom 14.-29.03.2022 fanden in Genf weitere Vorbereitungstreffen für die CBD-COP 15 statt. In der Vorlaufzeit zur Abendveranstaltung wurde in enger Absprache mit der DBU zunächst ein Programm für die Veranstaltung entworfen. Die Themen wurden so gewählt, dass dabei sowohl Aspekte beleuchtet werden, die in Vorbereitung zur COP anzusprechen sind („Was ist noch zu klären/ anzustoßen?“), als auch einen Ausblick auf die Zeit nach der COP vorgenommen wird („Was ist anzugehen? Welche Implikationen und Perspektiven für die Politik lassen sich ziehen? Welche notwendigen Maßnahmen und Lösungsansätze gilt es für/in Deutschland zu diskutieren? Welche strategischen Ziele werden verfolgt, wie steht es um Möglichkeiten der konkreten praktischen Umsetzung?“). Als Zielgruppen sollten Parlamentarier und Multiplikatoren/Stakeholder erreicht werden, denen aufbereitetes Wissen zu aktuellen Biodiversitätsthemen so bereitgestellt wird, dass es leicht rezipierbar und als Grundlage für Entscheidungsprozesse nutzbar ist. Darüber hinaus sollten Interessierte aus Wissenschaft und (Fach-) Öffentlichkeit über die aktuellen, z.T. komplexen politischen Prozesse informiert werden, mit dem Ziel, Teilhabe an den wichtigen laufenden Prozessen zum Biodiversitätsschutz auf nationaler, europäischer und globaler Ebene zu erhöhen. Es wurden mögliche RednerInnen identifiziert und der Teilnehmendenkreis definiert. Da die Veranstaltung per Livestream übertragen wurde, war eine gesonderte technische Ausstattung sowie eine minutengenaue Ablaufplanung des Abends von Nöten. Nachdem das Konzept und das Programm finalisiert und gelayoutet und die Inhalte der Vorträge mit den RednerInnen abgestimmt wurden, wurde die Abendveranstaltung beworben. Da die Abendveranstaltung aufgrund der im März 2022 geltenden strengen Hygienevorschriften bedingt durch Covid19 auf rund 60 Gäste beschränkt und nur für geladene Gäste möglich war, wurde die Anmeldung in Form eines persönlichen Emailverkehrs abgewickelt. Im Nachgang wurden die wichtigsten Ergebnisse der Abendveranstaltung zusammengefasst und im Pageflow-Format, das textbasierte Inhalte in Kombination mit Bildern und Videoausschnitten ansprechend und interaktiv darstellt, online veröffentlicht.
Auf dem Weg zur Weltnaturkonferenz – welche Weichen für die deutsche und europäische Politik gilt es jetzt zu stellen? Dieser Frage wurde auf der Abendveranstaltung nachgegangen. Den Eröffnungsvortrag hielt Steffi Lemke (Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz). Kürzere Impuls-/ Fachvorträge wurden von Prof. Katrin Böhning-Gaese (Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums) und Prof. Jörg Overmann (Direktor des Leibniz Instituts DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH) gehalten. Die Diskussionsteilnehmenden waren Dr. Bettina Hoffmann (Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesumweltministeriums), Alexander Bonde (Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, DBU) und Prof. Johannes Vogel (Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, MfN) gemeinsam mit Frau Böhning-Gaese und Herrn Overmann. Des Weiteren wurden im Rahmen der Veranstaltung zwei neue Studien vorgestellt und diese auch an die Bundesumweltministerin überreicht. 1) Dr. Yves Zinngrebe (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH, UFZ): Studie des UFZ und des Instituts für Biodiversität – Netzwerk (ibn) im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz gibt Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Nationalen Biodiversitätsstrategie. 2) Dr. Kirsten Thonicke (Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität, LFN Biodiv): 10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung. Moderiert wurde die Abendveranstaltung von Frau Angela Grosse.
Konsens der Podiumsdiskussion war, dass künftige Biodiversitätsziele so konkret formuliert sein müssen, dass Erfolge und Misserfolge messbar werden. Wesentliche Faktoren für einen erfolgreichen Biodiversitätsschutz sind neben der Vergrößerung und des besseren Managements von Schutzgebieten auch das Adressieren indirekter Treiber für den Biodiversitätsverlust – etwa nicht nachhaltiges Wirtschaften und Konsumieren oder umweltschädliche Subventionen – sowie eine Priorisierung von Biodiversität in der Planung.
Neben der Politik müsse aber auch der Dialog mit der Praxis weiter vorangebracht werden, da an dieser Schnittstelle ein hohes Potenzial liege, den Biodiversitätsschutz nachhaltig voranzubringen. „Es braucht kontinuierliche Sichtbarkeit der Biodiversitätsziele – und eine Sichtbarmachung der damit verbundenen komplexen Themen, Zusammenhängen und Handlungserfordernissen“ resümierten Prof. Dr. Marianne Darbi (Hochschule Geisenheim, HSG) und Dr. Nike Sommerwerk (Museum für Naturkunde Berlin, MfN), die Organisatorinnen des Abends. Die Bewältigung der Biodiversitätskrise könne nur dank intensiver Zusammenarbeit gelingen – Zusammenarbeit verschiedener Ressorts, wissenschaftlicher Disziplinen, mit der Praxis und der Gesellschaft. Und genau hier setzt NeFo (NetzwerkForum zur Biodiversitätsfroschung Deutschland) an.
Weitere Ergebnisse finden sich hier: https://nefo.pageflow.io/auf-dem-weg-zur-weltnaturkonferenz-nefo-abendveranstaltung-am-15-maerz-2022#333619
Erfreulicherweise ist die Abendveranstaltung auf großes Interesse gestoßen und der Sauriersaal des Museums für Naturkunde war - trotz Corona-bedingter Absagen - mit 62 Leuten komplett ausgelastet (gemäß der damals geltenden Corona-Vorschriften durften max. 50 Sitzplätze und 12 Stehplätze vergeben werden).
Die Veranstaltung wurde über den YouTube-Kanal der DBU gestreamt, wobei die Möglichkeit bestand, Fragen und Anregungen über einen Live-Chat einzubringen. Dadurch konnte eine breite (Fach-) Öffentlichkeit erreicht und über die aktuellen, z.T. komplexen politischen Prozesse zum Thema Biodiversitätsschutz auf nationaler, europäischer und globaler Ebene informiert werden. Außerdem ermöglichte die interaktive Chatfunktion eine Teilhabe an den laufenden Prozessen. Im Livestream waren zu Höchstzeiten 260 Leute zugeschaltet, wobei ein Großteil davon (ca. 200 Leute) bis zum Schluss zugeschaltet blieb. Darüber hinaus wurde während der Veranstaltung getwittert und auf die Abendveranstaltung aufmerksam gemacht, wodurch eine noch breitere Masse an Leuten erreicht wurde.
Im Anschluss an die Abendveranstaltung gab zahlreiche Pressemitteilungen, u.a. durch das Naturkundemuseum (https://www.museumfuernaturkunde.berlin/de/ueber/neuigkeiten/veranstaltung-zur-biodiversitaet-mit-ministerin-lemke), die Hochschule Geisenheim (https://www.hs-geisenheim.de/hochschule/mitteilungen-veranstaltungen-termine/nachrichten/archiv/detail/n/wir-brauchen-fuer-einen-erfolgreichen-schutz-der-natur-die-akzeptanz-und-unterstuetzung-der-gesamten/), sowie den Informationsdienst Wissenschaft (https://idw-online.de/de/news790576). Auch auf Twitter wurde im Nachgang auf die Veranstaltung verwiesen (https://twitter.com/hsgeisenheim/status/1506204331258880000?s=20&t=WmKjPk8WTqAxxv6btIeyBw). Die Rede von Steffi Lemke wurde auf der Webseite des BMUVs veröffentlicht (https://www.bmuv.de/rede/rede-von-steffi-lemke-bei-der-veranstaltung-auf-dem-weg-zur-weltnaturkonferenz).
Abschließend hat NeFo die wichtigsten Ergebnisse der Abendveranstaltung zusammengefasst und im Pageflow-Format, durch das textbasierte Inhalte in Kombination mit Bildern und Videoausschnitten interaktiv und ansprechend dargestellt werden können, online veröffentlicht. Die Pageflow-Zusammenfassung ist unter folgendem Link zu finden: https://nefo.pageflow.io/auf-dem-weg-zur-weltnaturkonferenz-nefo-abendveranstaltung-am-15-maerz-2022#333237.
Die Aufzeichnung der Veranstaltung steht weiterhin unter dem Link https://www.youtube.com/watch?v=QB18st6iZ4s zur Verfügung. Stand 11/2022 wurde das Video des Livestreams knapp 1100-mal aufgerufen.
Dank guter Abstimmung und Zusammenarbeit mit der DBU konnte NeFo eine erfolgreiche Abendveranstaltung ins Leben rufen, die auf großen Anklang bei den Teilnehmenden und in der Presse gestoßen ist. Die Abendveranstaltung sowie der interaktive Livestream haben den Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zu den wesentlichen Prozessen der Biodiversitätsgovernance ermöglicht und gefördert. Insbesondere auch, da die Abendveranstaltung nach langer Corona-Pause eines der ersten größeren Events war, das relevante AkteurInnen aus dem Bereich Biodiversität zusammenbrachte.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die gut besuchte, reibungslos abgelaufene und medienwirksamen Abendveranstaltung die Dringlichkeit des Biodiversitätsschutzes wieder ein Stück mehr in das Feld der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt hat - was in Zeiten von multiplen Krisen, in denen die Naturschutzziele für die kommenden 10 Jahre auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene festgelegt werden, von enormer Bedeutung ist. Denn auch in einer Zeit von Pandemie und Krieg gilt es, die Biodiversität zu schützen und die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu erhalten.