Projekt 37880/01

Mittelalterliche Wandmalereien in Kirchendachräumen: Forschung und Transfer zu umweltindizierten Prozessen am Denkmal Beispiel des Giebels der Nikolaikirche in Frankfurt/Oder

Projektdurchführung

Fachhochschule Potsdam Fachbereich 2 Studiengang Restaurierung
Kiepenheueralle 5
14469 Potsdam

Zielsetzung

Mittelalterliche Giebel in Kirchendachräumen stellen einen Sonderfall in der Denkmalpflege dar. Nicht selten erfuhren monumentale Bauten wie Kirchen im Laufe der Jahrhunderte bauliche Veränderungen, wodurch die mittelalterlichen Giebel verdeckt und für die Öffentlichkeit heute verborgen sind.
Einige der betroffenen Giebel trugen farbkräftige Außenwandmalereien und stellten monumentale, stadtbildprägende Bildwerke mit großer Öffentlichkeitswirkung dar.

Allein im Land Brandenburg sind mindestens vier solcher Beispiele unter Dach erhalten:
- am Ostgiebel des Langhauses der Nikolaikirche in Frankfurt (Oder)
- am Nordgiebel der Marienkirche in Frankfurt (Oder),
- am Ostgiebel des Langhauses der Katharinenkirche in Brandenburg an der Havel
- am Ostgiebel des Langhauses der Jacobikirche in Perleberg.

Im Fokus des Projektes steht der 1303 errichtete monumentale Ostgiebel der Nikolaikirche in Frankfurt (Oder) mit seinen zahlreichen Bildnischen, die in leuchtenden Farben mit Heiligen, Fabelwesen und christlichen Szenen bemalt waren. Bereits 70 Jahre nach der Errichtung, kam es zum Neubau eines modernen Hallenumgangschores mit einem größeren Dachstuhl, unter dem der bemalte Giebel komplett verschwand. Gegenwärtig sind die Nischen verschalt; wo Malerei sichtbar ist, ist sie durch Pigmentveränderung verschwärzt.

Die Zugänglichkeit zu diesen Denkmalen ist für Fachleute und die Öffentlichkeit stark eingeschränkt, da unsichere Erschließungswege, mangelnde Fluchtwege und die Belastung vieler Dachstühle mit umwelt- und gesundheitsschädigenden Holzschutzmitteln dies in der Regel verhindern.
Aus diesen Gründen ist im Vergleich zu Wandmalereien in Kircheninnenräumen weit
weniger über die Erhaltungszustände, Schadensentwicklungen und den Konservierungsbedarf bekannt.
Auch zu Fragen der anthropogenen Umweltschädigung sowie der Klimakrise mit ihren möglichen Auswirkungen auf den Bestand und Zustand dieser Werkgruppe gibt es bisher kaum Untersuchungen und Erkenntnisse.

Das Projekt setzt sich zum Ziel, am Beispiel des Giebels der Nikolaikirche in Frankfurt (Oder) „Zugangswege“ zum umweltbedingt gefährdeten Kulturerbe in Kirchendachräumen zu entwickeln.
Vor diesem Hintergrund sieht das Projekt ein Programm aus zielgerichteten aufeinander abgestimmten Messungen und verschiedener naturwissenschaftlicher Untersuchungen in Verbindung mit bewährten und innovativen Methoden vor. Zudem werden modellhafte Konzepte erarbeitet und praktische Maßnahmen ausgeführt.

Arbeitsschritte

Ein zentrales Ziel des Projektes ist die vermessungstechnische Erfassung des Chordachstuhls und des Giebels der Nikolaikirche im hochauflösenden 3D-Scan. Aufgrund der besonderen Verortung sollen die Malereien in ihren räumlichen Kontext erfasst werden und die Aufnahmen als Grundlage für nahezu alle weiteren Arbeitsschritte dienen. Auf dieser Basis werden alle Untersuchungsergebnisse ausgewertet und visualisiert.

In einem Zeitraum von drei Jahren sollen Klima- und Schadstoffmessungen im Dachstuhl der Nikolaikirche erfolgen, um Verständnis für die Prozesse und jeweiligen Besonderheiten in den Dachräumen zu erlangen und langfristige Konsequenzen für die Erhaltung abzuschätzen.
Eine modellhafte Konservierung einer Musterfläche am Giebel der Nikolaikirche soll daraufhin angepasst und die praktische restauratorische Gesamtmaßnahme vorbereiten.

Ein weiteres Projektziel ist die Bestands- und Zustandserfassung der Malereien am Giebel der Nikolaikirche. Besonderer Fokus wird vor allem auf die fast flächig erscheinende „Verschwärzung“ der Malereien am Giebel der Nikolaikirche gelegt. Die maßgeblichen Ursachen könnten chemisch-mineralogische Pigmentveränderungen sein, welches durch die Kombination komplementärer Analyseverfahren (mobile RFA, REM/EDX-Analysen an Querschliffen, FTIR- und Ramanspektroskopie) untersucht werden sollen. Bildgebende Verfahren wie die Multispektral- und Hyperspektralanalysen sollen für eine erste Differenzierung von Pigmenten und für eine Rekonstruktion unterstützend zum Einsatz kommen.

Viel Aufmerksamkeit wird dem Transfer in Verbindung von Denkmalschutz und Umweltforschung gewidmet. Das Projekt will daher innovative Wege beschreiten, um schwer zugängliche Denkmale auf verschiedenen Wegen erlebbar zu machen. Die Vermittlung soll in Form einer Dauerausstellung mit analogen und digitalen Exponaten u.a. aus den Forschungserkenntnissen in der Nikolaikirche erfolgen. Das Ziel besteht darin, jüngeren und älteren Besuchern der Ausstellung ein Angebot zur Identifikation und Teilhabe am Denkmal- und Umweltschutz zu bieten.
Als eine besondere Stärkung der umwelt- und denkmalpädagogischen Vermittlung ist die Einbindung des Gymnasiums Campus Stift Neuzelle zu sehen, an dem seit einigen Jahren der Schwerpunkt „Denkmalkunde“ in der Oberstufe gelehrt wird. Die Schüler*innen dreier Kursjahrgänge sollen mit eigenen Exponaten, wie Modellen, Schauobjekten und einer Hörstation, Stadt- und Objektgeschichte in Bezug auf die Umwelt reflektieren.

Übersicht

Fördersumme

249.980,00 €

Förderzeitraum

01.10.2022 - 30.09.2025

Bundesland

Brandenburg

Schlagwörter

Brandenburg