Degradierung, Zerstörung und Fragmentierung von Habitaten gehören zu den Haupttreibern des Artenverlustes. Besonders die landwirtschaftlich intensiv genutzte Kulturlandschaft in der nordwestdeutschen Tiefebene sind davon zunehmend betroffen. Diese Region ist von Grünland dominiert; der Artenverlust betrifft jedoch auch andere Landschaftselemente wie Gehölzstrukturen oder Gewässerrandstreifen. Übergeordnetes Ziel dieses Projektes ist daher, im Sinne der Nationalen Biodiversitätsstrategie zur biologischen Vielfalt (NBS) den Artenverlust in der Kulturlandschaft zu stoppen. Ein funktionsfähiger Biotopverbund (BV) kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten, um die Auswirkung der Landschaftsfragmentierung und der damit verbundenen Isolation von Lebensräumen bzw. Populationen zu mindern. Voraussetzung für die proaktive Umsetzung und Verstetigung eines BV-Systems sind institutionelle und organisatorische Strukturen, die eine zentrale Koordination des Umsetzungsprozesses mit regionalen Interessensgruppen realisieren. In diesem Projekt soll ein Konzept für die Gestaltung solcher BV-Koordinationsstellen (BVKS) erarbeitet werden, das skalierbar ist, landes- bzw. bundesweit auf unterschiedliche Regionen übertragen werden kann sowie behördliche Zuständigkeiten berücksichtigt, um die Schaffung von Doppelstrukturen zu vermeiden. Perspektivisch soll das erarbeitete Konzept als Leitbild für die Bewertung von Organisationen dienen, die die Rolle einer BVKS einnehmen wollen. Dadurch kann die Eignung von unterschiedlichen Organisationen geprüft und regional angepasste Prozesse und Strukturen entwickelt werden.
In Zusammenarbeit mit drei repräsentativen Trägereinrichtungen, die eine große Bandbreite wesentlicher Akteursgruppen in Niedersachsen abbilden, wurden die Voraussetzungen für die Koordination und Realisierung eines regionalen BV-Systems ausgearbeitet. Die Eignung der Trägereinrichtungen als BVKS und deren zweckmäßige Vernetzung innerhalb ihrer Regionen wurden beispielhaft analysiert. Die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen, geeignete Finanzierungsprogramme und Fördermaßnahmen sowie die Erfordernisse thematischer Gebietskooperation (GKO) wurden recherchiert und durch Gespräche und Interviews mit Behörden, Verwaltung und BV-relevanten Akteursgruppen bewertet. Zudem wurden gemeinsam mit den Trägereinrichtungen für ihre Regionen Konzepte für BV-Systeme entworfen, die eine erste Auswahl an Biotoptypen und Zielarten sowie zugeschnittene Umsetzungs- und Monitoringmaßnahmen skizzieren. Im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit wurden unterschiedliche Kanäle und Veranstaltungsformen genutzt, um Projekt und Thematik bekanntzumachen, für die Beteiligung zu werben und verschiedene Akteursgruppen zu mobilisieren, BV-Systeme auf breiter Landschaftsebene umzusetzen. Ausgehend vom beschriebenen Vorgehen sowie den Strukturen und Kompetenzen der Trägereinrichtungen wurden Anforderungskriterien entworfen, die eine anzugliedernde BVKS erfüllen sollte, um BV-Systeme durch zentrale Koordination planen und umsetzen zu können. Alle beschriebenen Ansätze und Konzepte wurden derart gestaltet, dass sie skalierbar und auf andere Regionen übertragbar sind.
Aus der Projektarbeit, Recherche, Zusammenarbeit mit den Trägereinrichtungen und zahlreichen Gesprächen / Interviews mit relevanten Akteursgruppen - beispielsweise aus der Landwirtschaft, von Behörden oder von Verbänden - hat sich ein umfangreiches Bild der Struktur und Anforderungen an eine BVKS ergeben. Zunächst bleibt festzuhalten, dass es als sinnvoll erachtet wird, eine zentral gesteuerte BVKS, anstatt einer dezentralen thematischen GKO aufzubauen. Im Sinne rechtlicher und administrativer Rahmenbedingungen gibt es - zumindest in Niedersachsen - für beide Varianten keine konkreten Vorgaben. Für die praktische Planung und Umsetzung des BV sind allerdings die offiziellen Zuständigkeiten zu beachten, weshalb ein enger Austausch mit der örtlichen Verwaltung wie der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) zwingend erforderlich ist, unter anderem um den Aufbau von Doppelstrukturen zu vermeiden. Im Projekt wurden drei Systemdesigns entwickelt und deren Stärken und Schwächen analysiert.
Die Analyse befasste sich nicht nur mit den organisatorischen und institutionellen Strukturen einer BVKS, sondern auch mit Anforderungen, die sich aus der naturschutzfachlichen Ausgestaltung eines BV sowie einer gelingenden Akteursbeteiligung in der Fläche ergeben. Die Anforderungen an eine BVKS umfassen institutionelle und finanzielle Voraussetzungen, koordinative und kommunikative Fähigkeiten sowie naturschutzfachliche, planerische und umsetzungsorientierte Expertise. Der resultierende Anforderungskatalog beinhaltet acht Hauptkategorien: institutionelle Anforderungen, Finanzierung, Neutralität und Akzeptanz, Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Wissen, Instrumente und Mindset.
Die Analyse der drei Trägereinrichtungen zeigte deren Stärken und Schwächen, die in einem Netzdiagramm visualisiert wurden. Insgesamt können die Trägereinrichtungen jedoch einen großen Teil der Kernanforderungen erfüllen und sind daher für den Aufbau und Betrieb einer BVKS gut aufgestellt. Insbesondere fachlich bringen sie alle Voraussetzungen mit und sind gut in ihren Regionen vernetzt. Schließlich wurde durch die vorhandene Verwaltungsstruktur der Trägereinrichtungen sowie die Tatsache, dass sie bereits unabhängig von diesem Projekt BV-Vorhaben mitdenken, umsetzen oder sogar offiziell dafür zuständig sind, die Annahme unterstrichen, dass es sinnvoll ist, BVKS an bestehende Organisationen anzugliedern, statt gänzlich neu aufzubauen.
Im Zuge der Projektarbeit haben Treffen, Gespräche und Interviews mit einer großen Bandbreite regionaler und überregionaler Akteurs- und Interessengruppen stattgefunden - von Landwirten, über Behörden und Verbände, bis hin zu Anbietern erneuerbarer Energien. Diese Treffen wurden auch immer dazu genutzt, sowohl das laufende Projekt als auch die Konzepte und Planung für das angestrebte Nachfolgeprojekt vorzustellen. Zusätzlich können sich Interessierte über die jeweiligen Internetauftritte des Projektteams selbständig zum Projekt informieren. Der NABU hat einerseits die wichtigsten Aspekte guter Öffentlichkeitsarbeit zur erfolgreichen Implementierung von BV-Systemen herausgearbeitet. Andererseits hat er durch Vor-Ort-Termine mit Ehrenamtlichen auf eigenen Flächen und aktive Ansprache von Privatpersonen für Mitarbeit und Flächenbereitstellung geworben. Den drei im Projekt beteiligten Trägereinrichtungen hat der regelmäßige Austausch mit dem Projektteam (Treffen, Surveys, Workshop) die Möglichkeit eröffnet, ihre regionalen Netzwerke über die aktuelle Projektarbeit auf dem Laufenden zu halten. So wurden beispielsweise zwei Pressemitteilungen zur Projektbeteiligung herausgegeben.
Projekt Website auf der Homepage des GrünlandzentrumsDer Bedarf an koordinativen Stellen, die in ihren Regionen aus zentraler Position heraus die mittel- bis langfristige Implementierung des BV steuern, besteht unverändert fort. Daran haben auch Regularien wie der Niedersächsische Weg oder die grundsätzliche Zuständigkeit der örtlichen Behörden wenig geändert. Denn es fehlt weiterhin an Kapazitäten bzw. ausreichender Finanzierung, um die gesetzlich verbriefte Umsetzung des BV planmäßig zu erreichen. Die kontinuierliche Finanzierung, vor allem des erforderlichen Personals, stellt die größte Hürde für Aufbau und Betrieb der angeregten BVKS dar. Allerdings könnten sie, anders als es der Verwaltung möglich ist, sowohl aus einem breiteren Spektrum an Fördertöpfen schöpfen als auch gezielt nach dem Bottom-Up-Prinzip auf Akteursebene arbeiten. Neben der naheliegenden naturschutzfachlichen Arbeit und dem engen Austausch mit den Behörden zur Vermeidung von Doppelstrukturen sind dies zwei der wichtigsten Punkte, die zum erarbeiteten Anforderungsprofil für BVKS gehören. Zudem wurde eine Vielzahl von zusätzlichen Anforderungen identifiziert, die für eine effektive Arbeit einer BVKS wichtig sind. Der daraus abgeleitete Fragebogen ermöglicht potenziellen Trägereinrichtungen eine systematische Selbstbewertung der eigenen organisatorischen und institutionellen Fähigkeiten. Die Praktikabilität eines daraus abgeleiteten Governancekonzepts soll in einem Anschlussprojekt überprüft werden.