Grundlagenentwicklung zur automatisierten Beschaffung von relevanten Größen für die Kreislaufwirtschaft von textilen Produkten durch Evaluierung der dafür notwendigen Logik-, Daten- und Technologiestrukturen
Projektdurchführung
Global Textile Scheme GmbH
Pariser Str. 107
40549 Düsseldorf
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Das ambitionierte Ziel hinter dem Green Deal der EU besteht darin, zukünftig in allen Wirtschaftsbereichen Geschäftsmodelle zu ermöglichen und zu fördern, bei denen mehr wirtschaftlicher Erfolg nicht automatisch mit mehr Ressourcenverbrauch einhergeht.
Ein mächtiges Instrument auf diesem Weg ist die so genannte Ökodesignrichtlinie (Englisch ESPR), die mit dem so genannten Digital Product Passport dafür sorgen soll, dass die dafür notwendigen Daten für Konsumenten, für Sortierer, aber auch für den Gesetzgeber (konkret die Aufsichtsbehörden) in der notwendigen Form vorliegen und mit einem vertretbaren Aufwand bereitgestellt werden können.
Da die schiere Menge an notwendigen Daten dadurch erheblich steigt, kommt automatischem Austausch dieser Daten erhebliche Bedeutung zu. Automatisierung ist in diesem Bereich nur möglich, wenn die auszutauschenden Daten im möglichen Rahmen harmonisiert werden.
Deshalb haben sich GTS, circular.fashion und +IMPAKT für dieses Projekt mit anderen Unternehmen zusammengeschlossen, um unter anderem die Synchronisierung ihrer Datensysteme und -strukturen im maximal möglichen Umfang zu erreichen.
Dafür beteiligte sich der Technologiepartner des Antragsstellers, die Pranke GmbH in Karlsruhe, an dem Projekt.
Die Olymp Bezner KG beteiligt sich ebenfalls, um frühzeitig Know-how aufzubauen und den Praxisbe-zug sicherzustellen.
Die SML (Central Europe) GmbH aus Mettmann steuert RFID- und Software-Know-how zum Source-Tagging bei.
Drei Verbände, nämlich der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. (Gesamtverband textil + mode) aus Berlin, der GermanFashion Modeverband Deutschland e. V. aus Köln und der Industrieverband Veredlung - Garne - Gewebe - Technische Textilien e.V. (IVGT), wollten frühzeitig Know-how aufbauen, um die Verbreitung der Projektergebnisse am Ende des Projekts mit ihrer großen Mitgliederbasis zu unterstützen.
Zusammengefasst drehten sich die im nächsten Absatz beschriebenen Arbeitspakete um die folgenden 4 Themenbereiche:
1. Die Synchronisierung des GTS-L-Datenkatalogs, dem technologischen Herzstück des neuen GTS Standards mit dem Recyclingdatenkatalog von crircular.fashion und dem PCDS-Datenset von
+IMPAKT.
2. Die Evaluierung von Ansätzen für eine neue RFID-Technologie zur Identifizierung textiler Produkte bei der End-of-Life-Sortierung.
3. Die Evaluierung von Möglichkeiten zur Erweiterung von Stücklisten im Rahmen des "GTS Datenmodells als strukturelle Ausgangsbasis für zukünftige Datenübertragungen.
4. Die Einbeziehung des PCDS-Ansatzes in den Stücklisten-Ansatz zur Wahrung der Anonymität der Lieferketten.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Rahmen des Projektes fanden die folgenden Arbeitsschritte statt:
1) Interoperabilität zwischen circularity.ID, GTS und PCDS Systemen:
1.1 Harmonisierung Datenstruktur und Vokabular
1.2 Erweiterung des GTS Ansatzes (konzeptionelle Validierung) mit:
1.3 Erstellung Konzept für Stücklistendurchgriff
1.4 Erstellung Konzept für Rechte-/Rolle Verwaltung
1.5 Erstellung Konzept für Token-Verwaltung im n:n:n Umfeld für Daten auf der Plattform und Verbindung von Webservices bei Empfänger und Sender
1.6 Entwicklung und Programmierung eines Demonstrators in GTS Language & GTS-Cat zum Holen von Daten über Stücklisten.
2) Effiziente Programmierung von RFIDs mit der SML GmbH:
2.1 Definition RFID Anforderungen an eine circularity.ID
2.2 Evaluierung kundenspezifische Entwicklung eines Transponders
2.3 Evaluierung geeigenter Privacy Maßnahmen auf Basis von anerkannten RFID Risk Assessment Methoden (PIA).
3) Pilotierung (Konzeptionelles "Durchspielen" mit einem real produzierten Produkt) mit der Olymp Bezner KG:
3.1 Definition der notwendigen Daten
3.2 Evaluierung von PCDS bei sensiblen Lieferkettendaten
3.3 Konzeptionelle Evaluierung "Holen von Daten für die circularity.ID"
3.4 Integration der circularity.ID in einem Produkt von Olymp.
4) Definition API Schnittstellen (konzeptionell - nicht programmiert):
4.1 Konzeptionelle Planung einer API Schnittstelle
4.2 Dokumentation einer solchen API Schnittstelle.
Zusätzlich: Anbindung der GTS Plattform an die Datenbank von circular.fashion, Erstellung eines Digitalen Produktpasses in der Sortiersoftware von circular.fashion und Proof of Concept an einer realen Sortierstation von circular.fashion in Bethel in Bielefeld.
Ergebnisse und Diskussion
Während der Projektlaufzeit wurde im März 2022 von der EU die Ökodesign Richtlinie (ESPR) mit der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien veröffentlicht, die zum ersten Mal in Form des so genannten Digitalen Product Passport (DPP) das Thema erweiterte Produktdaten adressierte.
Der Digitale Product Passport soll bei allen Konsumgütern (außer Lebensmitteln, Futtermitteln und Pharmazeutika) die Daten liefern,
- die Konsumenten für nachhaltige Kauf Entscheidungen benötigen;
- die Sortierer für automatisierte und richtige Sortierungsentscheidungen benötigen sowie
- der Gesetzgeber, für KI-unterstützte Kontrollen einer ganzen Serie von neuen Gesetzgebungsverfahren - nicht nur im Kontext des Green Deal.
Das ist deshalb besonders erwähnenswert, weil im Oktober 2022 das sogenannte CIRPASS (https://cirpassproject.eu/) Projekt gestartet wurde, das die für den Digitalen Produkt Passport notwendigen Datenstrukturen, übergeordneten Systeme (Architekturen, Protokolle, etc.) und notwendigen Standards evaluieren soll und in dem circular.fashion, +Impact und GTS, der Zuwendungsempfänger dieses Projektes (als Co-Sector Lead Textile) in einem Expertenkreis aus 31 Organisationen wesentliche Vertre-ter des Textilbereichs sind.
Die im Folgenden genannten Ergebnisse sind, was bei dieser Art der Projekt recht ungewöhnlich ist, dadurch direkt in die Vorbereitung einer der wesentlichsten Europäischen Gesetzgebungsverfahren hin zu mehr Nachhaltigkeit eingeflossen, was umso wichtiger ist, da inzwischen bekannt ist, dass der Textilsektor nach Batterien ab ca. 2026 der nächste mit dem Digital Product Passport regulierte Sektor werden wird.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
1) Interoperabilität zwischen circularity.ID, GTS und PCDS Systemen:
Im Juni 2023 erteilte die EU Kommission dem Europäische Komitee für Normung (CEN) den Auftrag, bis Oktober 2025 das für die Einführung des Digital Product Passport notwendige System einzuführen. Teil dieses DPP-Systems wird zur Unterstützung des Gesetzgebers eine Sektorübergreifende Ontologie (das sind diesem Zusammenhang sektorübergreifend harmonisierte Klassifizierungssysteme mit definierter Semantik und definierten Vergaberegeln dieser Vokabularien). Da der Global Textile Scheme Standard aktuell das einzige Klassifizierungs-System mit definierter Semantik ist, das vom Rohmaterial bis zum Recycling & auf das Übersetzen/Mappen von Daten angelegt ist, kann davon ausgegangen werden, dass GTS das Design dieser Sektorübergreifende Ontologie beeinflussen wird. In diesem Kontext ist es ein wichtiges Ergebnis dieses Projektes, dass die Interoperabilität zwischen circularity.ID, GTS und PCDS Systemen vollumfänglich hergestellt wurde.
Das ist wichtig, weil damit die Erfahrungen von circular.fashion, konkret welche Daten Textilsortierer brauchen in GTS integriert wurde und die Semantik der Produktbeschreibenden Attribute von GTS und circular.fashion harmonisiert wurden.
Der aktuelle PCDS Katalog, der komplexe Nachhaltigkeits-Sachverhalte in einfache, für Konsumenten verständliche Formate herunterbricht wurde ebenfalls vollumfänglich in den GTS Standard integriert.
In anderen Worten profitiert die gesamte, textilorientierte Arbeit des CIRPASS Projektes von den Erfahrungen und der Vorarbeit, die dieses Projekt im Bereich Erstellung einer Sektorübergreifenden Ontologie bereits geleistet hat.
a. Erweiterung des GTS Ansatzes (konzeptionelle Validierung)
Der vorher rein bilaterale n:n Ansatz von GTS sollte erweitert werden, um zukünftig Modemarken (z. B. den Bekleidungshersteller Olymp) in die Lage zu versetzen, circular.fashion als quasi Dritte für das Abholen von Stücklisten in GTS-Cat freizuschalten, um so n:n:n via Stückliste an die Lieferanten und Komponenten-IDs zu kommen, um wiederum so die Daten zu den verwendeten Materialien holen zu können.
Ergebnisse des Punkts Erweiterung des GTS Ansatzes (konzeptionelle Validierung):
Im Laufe des Projektes stellte sich heraus, dass dieser Ansatz keinen Sinn macht, weil es besser ist, wenn die Stücklistendaten direkt von den Unternehmen geholt werden, in deren Systemen die Stücklisten verwaltet werden. Deshalb wurde die geplante und beantragte Auf-lösung der Stücklisten in GTS nicht programmiert.
Vielmehr wurde in Absprache mit dem Fördergeber das aktuelle Datenmodell der Produktidentifizierung (Artikel-Größe-Farbe) erweitert um die beiden Ebenen 1) Produktionsauftrag und Lot sowie 2) Einzelteilebene, da die zukünftige Kreislauf Orientierung des Textilsektors dies erfordern wird, z. B. um u. a. Reparaturen dokumentieren zu können, die auf Einzelteilebene erfolgen werden.
b. Harmonisierung Datenstruktur und Vokabular
Für eine Interoperabilität sind eine harmonisierte Datenstruktur und ein synchronisiertes Vokabular notwendig. Deshalb wurden GTS Language, PCDS und circularity.ID Open Data Standard dort, wo es sinnvoll war, harmonisiert und ggf. ergänzt. Im Ergebnis enthält GTS L heute den kompletten, aktuellen PCDS Katalog und alle von Textilsortierern als obligatorisch (mandatory) eingestuften Datenelemente von circular.fashion.
2) Effiziente Programmierung von RFIDs
circular.fashion nutzt für die Verknüpfung zwischen physischem Objekt (Kleidungsstück) und Datenobjekt (Eintrag der Produktspezifikation in Produktdatenbank) RFIDs und NFC Transponder.
In diesem Projektteil gab es die folgenden Arbeitspakete:
2.1 Definition der RFID-Anforderungen für eine circularity.ID.
Dieser Punkt wurde umfassend erledigt und wurde in einem anschließenden Praxis Test sofort erfolgreich getestet.
2.2 Bewertung der kundenspezifischen Entwicklung eines Transponders.
Aufgrund SMLs langjähriger Erfahrung in der Entwicklung und der Herstellung von RFID-Etiketten konnten alle Anforderungen in diesem Projekt umgesetzt werden.
Im Rahmen dieses Projektes kam es zum 1. Einsatz eines RFID Labels der Firma SML, das ca. 100 Haushaltswaschungen überleben kann.
Da ausschließlich massentaugliche Technologien eingesetzt werden, steht auch der Umsetzung in der Breite und in den Textil-Herstellländern nichts im Wege.
Keine der formulierten Anforderungen für sich selbst stellt eine Herausforderung dar. Erst durch die Kombination verschiedener Anforderungen wird die Aufgabe komplex. Hier ist vor allem die Forderung nach Dauerhaftigkeit, Unauffälligkeit, Tragekomfort und Preis zu nennen.
2.3 Bewertung geeigneter Datenschutzmaßnahmen auf Basis anerkannter RFID-Risikobewertungsmethoden (PIA).
Im Rahmen des Projektes wurden Datenschutzrisiken bei der Anwendung von RFIDs in der Alttextilsortierung untersucht.
Dazu wurde das Privacy Impact Assessment (PIA) vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie verwendet. Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen.
3) Pilotierung (Konzeptionelles "Durchspielen" mit einem real produzierten Produkt) mit der Olymp Bezner KG:
Anhand je eines Flanellhemdes und eines Polohemdes (beides in einer Farbe) wurde in einem Proof of Concept Pilotprojekt die ganze Datenkette eines Produktes von der Entwicklung bis zum Auslesen der Daten an einer Stationen bei einem Textil-Recyclingunternehmen real durchgespielt. Dazu wurden die auf Textilsortierung ausgerichteten Produktdaten beider Produkte für 2 x 4 Artikel-Farbe-Größen-Kombinationen:
- in das GTS Format übersetzt,
- dann in die GTS Plattform hochgeladen,
- dann mittels einer Schnittstelle die GTS Plattform an die Datenbank von circular.fashion angebunden und
- die Daten dann dorthin übertragen.
Auf dieser Basis wurde in der Sortier-Station Software von circular.fashion ein digitaler Produktpassport erstellt und bei einem Besuch vor Ort in Bethel in Bielefeld an einer dort installierten Sortier-Station erfolgreich ausgelesen.
Dies führte zu umfangreichen Praxiserfahrungen in einem völlig neuen Umfeld und vielen kleinen Einsichten, die man nur gewinnt, wenn man es mal wirklich macht.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Projektergebnisse wurden am 3. und 4. Juli 2023 im BIKINI in Berlin ca. 44 Teilnehmern vorgestellt, davon Verantwortlichen von Marc OPolo, Otto und Deichmann.
Im Umfeld der beiden CIRPASS- https://cirpassproject.eu und CISUTAC-Projekte https://www.cisutac.eu/ wurde wiederholt der Wert dieses DBU Projektes erwähnt und in der operativen Arbeit auf Details der Projektergebnisse Bezug genommen.
Fazit
Es wird keine Transformation des Wirtschaftslebens hin zu Materialkreisläufen geben, ohne dass dafür wichtige Daten vorliegen. Da die Harmonisierung dieser Daten über Unternehmensgrenzen hinweg nur begrenzt möglich, die Automatisierung der Gewinnung der Daten aber alternativlos ist, bleibt nur der Weg der Übersetzung in standardisierte Formate, wie bei Textil dem GTS Standard.
Die Bündelung der Daten von +Impact, circular.fashion und GTS in einen Datenkatalog als Basis für ein solches Übersetzen war die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt und hat allen drei Unternehmen bei der Verbreitung dieses wichtigen Methoden-Ansatzes ebenso geholfen wie bei der Verbesserung der eigenen Bekanntheit.
Alle beteiligten Unternehmen konnten in einem völlig neuen, aber zeitnah sehr essentiellen Umfeld wertvolle Praxiserfahrungen sammeln.
Kreislaufwirtschaft wird es ohne valide Produktdaten in guter Qualität und vertretbaren Aufwand bei der Generierung der Daten nicht geben. Daher leistet dieses Projekt einen mittelbaren, aber wichtigen Beitrag auf dem Weg zu Kreislaufwirtschaft und so zu dem vom Gesetzgeber gewünschten Umweltschutz durch Vermeiden.
Fördersumme
122.913,00 €
Förderzeitraum
16.11.2021 - 31.07.2023
Bundesland
Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter