Projekt 37711/01

Entwicklung einer prozesssicheren Sortier- und Vereinzelungstechnik mittels Tracer-Based-Sorting (TBS) für Artikelausschuss in der Spritzgussfertigung von Kunststoffverschlüssen aus Polyolefinen

Projektdurchführung

Polysecure GmbH
St. Georgener Str. 19
79111 Freiburg

Zielsetzung

Um zukünftigen Generationen eine nachhaltige, CO2-neutrale Lebens- und Wirtschaftsform zu ermöglichen, ist die Transformation wirtschaftlicher Prozesse hin zu einer Kreislaufwirtschaft von zentraler Bedeutung und höchster Dringlichkeit. Bei dieser Transformation müssen nicht nur die „großen“ Kreisläufe betrachtet werden, die ganze Produktlebenszyklen von der Materialherstellung über die Produktion, die Nutzung beim Verbraucher bis zum Recycling umfassen. Auch viele „kleinere“ Kreisläufe im Wirtschaftssystem müssen geschlossen werden, um das Ziel der Kreislaufwirtschaft zu erreichen.

Ein solcher Kreislauf ist der Umgang mit Produktionsausschuss. Das sog. In-House-Recycling kann ein einfacher und ökonomischer Weg sein, Produktionsabfälle wiederzuverwerten und den Kreis zu schließen. Insbesondere im Bereich der Kunststoffverarbeitung ist In-House-Recycling ein probates Mittel, da Ausschussteile relativ einfach zerkleinert und dem Neumaterial beigemischt werden können.

Die Georg MENSHEN GmbH und Co. KG ist ein führender Hersteller von Verschlüssen für Consumer-Produktverpackungen aus Kunststoff. Bei der Spritzgussfertigung der Verschlüsse fällt regelmäßig ein unvermeidbarer Anteil an Ausschuss an (gegenwärtig ca. 4-5% der Produktion). Durch eine Wiederverwertung könnten über 1100 t CO2 jährlich eingespart werden. Bedingt durch die farbliche Vielfalt der Produkte insbesondere aus dem Bereich der „fast moving consumer goods“ (FMCG) ergeben sich häufige Farbwechsel, welche somit Spülvorgänge der Anlagen erfordern. Da die Produktion am Standort Finnentrop auf ca. 170 Spritzgießmaschinen stattfindet und ein Portfolio von über 10.000 verschiedenen Artikeln umfasst - Farbvarianten eingeschlossen -, ist der Ausschuss äußerst heterogen betreffend der Kunststoffsorte, Geometrie und Farbe. Für die Gewinnung qualitativ hochwertiger Rezyklate muss er deshalb sowohl nach Farben als auch nach Kunststoff-Unterklassen (z.B. PP-Homo, PP-Random Copo oder PP-Block-Copo) sortiert werden. Hierfür wird eine leistungsfähigere Sortiertechnologie benötigt. Die klassische Nahinfrarot-Technologie, welche bei der Sortierung von Haushalts-Plastikabfall eingesetzt wird, kann eine Sortierung in Kunststoff-Unterklassen aufgrund physikalischer Beschränkungen nicht leisten.

Die Polysecure GmbH hat für dieses Problem eine innovative Lösung entwickelt: das sogenannte Tracer-Based-Sorting (TBS). TBS nutzt geringste Mengen von Fluoreszenz-Markern (Tracern), die dem Material zugesetzt werden und ein zusätzliches materialunabhängiges Sortiermerkmal bilden. Die Tracer sind anorganische, kristalline Pulver, die sehr temperaturstabil und chemisch inert sind. Positive Ergebnisse bei Biokompatibilitäts-, Toxizitäts- und Migrationstests lassen eine Lebensmittelkontaktzulassung der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA im Laufe des Jahres 2023 erwarten. Auch die Zulassung bei der europäischen EFSA ist in Arbeit.

Werden die Tracer mit Infrarot-Strahlung geeigneter Wellenlänge angeregt, so leuchten sie mit spezifischer Farbe auch im sichtbaren Bereich. Dieser sog. Anti-Stokes-Effekt tritt bei anderen Materialien nicht auf, so dass die Fluoreszenz der Tracer praktisch ohne Hintergrund verlässlich und schnell gemessen werden kann.
Zusätzlich zum Tracer-Based-Sorting entwickelt die Polysecure GmbH ein Verfahren zur Sortierung heterogener Objekte auf beliebig viele Endstellen. Hierzu werden die Objekte zunächst mechanisch vereinzelt und separat in die Schalen eines Schalenbandes o. ä. abgelegt. Dann findet die Messung von Tracercode und Farbe statt. Prinzipiell können nach Bedarf weitere Messtechniken integriert und die Ergebnisse kombiniert werden. Jedes Teil lässt sich danach von der Messung bis zur Ablage verfolgen und gemäß seiner zuvor bestimmten Fraktion praktisch fehlerfrei ablegen. Für dieses Gesamtkonzept hat Polysecure die Bezeichnung SORT4CIRCLE® entwickelt und geschützt.

Für die Anwendung bei MENSHEN wurde in diesem Förderprojekt die SORT4CIRCLE®-Technologie für die spezifischen Anforderungen bei Verschlusskappen umgesetzt und validiert. Außerdem wurden Untersuchungen zur Abhängigkeit der Tracersignale von der Pigmentierung des Kunststoffs durchgeführt. Die Pigmentierung (Farbe) beeinflusst durch Absorption die Intensität der gemessenen Fluoreszenz und hat somit Einfluss auf die erforderliche Tracerkonzentration. Eine genaue Kenntnis dieser Abhängigkeit erlaubt die Optimierung der zugesetzten Tracermenge und somit der damit verbundenen Kosten.

Ziel dieser Arbeiten war, vor der Konstruktion einer Pilot-SORT4CIRCLE®-Sortieranlage für MENSHEN die technologischen und betriebswirtschaftlichen Risiken besser kalkulierbar zu machen. Die auf der Basis dieses Vorhabens entstehende Sortieranlage wird die weltweit erste industriell eingesetzte SORT4CIRCLE®-Lösung für Stückgut sein und kann damit als Leuchtturmprojekt auch für weitere Sortieraufgaben und Recyclingkreisläufe dienen.

Arbeitsschritte

Das Vorhaben gliedert sich in zwei Haupt-Arbeitspakete; HAP 1: die Entwicklung der Vereinzelungstechnik für die Verschlusskappen und HAP 2: die Untersuchung der Tracer-Pigmentierungs-Abhängigkeit. Beide Bereiche wurden innerhalb der Projektlaufzeit von einem Jahr parallel bearbeitet und jeweils in weitere Arbeitspakete aufgeteilt, die die Aufgabenteilung der Partner abbilden.

In HAP 1 wurde in mehreren Versuchsreihen das optimale Handling der Artikel untersucht. Aufgabe war die Förderung aus einem Aufgabebunker, die flache Verteilung auf einem Förderband, die Linearisierung und schließlich die Separierung (Vereinzelung) und getaktete Ablage in ein Schalenband. Für den Schritt der Vereinzelung und getakteten Ablage wurde ein Vergleich angestellt zwischen der kontinuierlichen, sensorgesteuerten Förderung in V-Bändern und verschiedenen Möglichkeiten des robotergestützten Pickens einzelner Objekte. Es wurden verschiedene Versuchsanordnungen aufgebaut und mit einem Konvolut verschiedener Verschlusskappen beschickt, das die Variationsbreite des Portfolios von Menshen repräsentiert. Anhand von Videoaufnahmen und Zählung von Teilen wurde die Wirksamkeit untersucht. Die Ansätze wurden im Hinblick auf Geschwindigkeit, Effizienz, Skalierbarkeit und Fehlerquote verglichen.

Schließlich wurde der vielversprechendste Ansatz vollständig aufgebaut und an die bereits vorhandene Versuchs-Sortierlinie von Polysecure angeschlossen. Hierzu wurde die Versuchsanlage mit einer neuen Steuerungssoftware ausgerüstet, die die Lichtschrankensignale der Vereinzelungsstrecke auswertet und alle Bandbewegungen entsprechend steuert und synchronisiert. Auch die Triggerung der Tracer- und Farbmessung, die Auswertung der Messdaten sowie die Klappensteuerung für die Ausschleusung wurde in der Software zentral implementiert. Anhand von Durchsatzmessungen wurde eine Analyse zu benötigter Linienanzahl in Abhängigkeit der Jahrestonnage des Sortierguts, erwartbaren Invest- und Betriebskosten und voraussichtlichem ROI-Zeitraum erstellt.

In HAP 2 wurden von Polysecure mit Tracern markierte und mit von Menshen beigestellten Farbbatches pigmentierte Testplättchen aus PP hergestellt. An diesen wurden Reflexionsspektren („Farbe“) und Fluoreszenzintensitäten im sichtbaren und nahinfraroten Bereich gemessen und daraus die minimal notwendigen Tracerkonzentrationen in Abhängigkeit der optischen Eigenschaften ermittelt. Diese Daten flossen ebenfalls in die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Sortieranlage ein. Die spektroskopischen Messungen wurden an einem Labormessplatz mit Hyperspektralkamera unter definierter Beleuchtung durchgeführt. In die Versuchsanlage wurde für die einfache Inline-Farbmessung eine spezielle Industriekamera mit integriertem LED-Beleuchtungsmodul eingebaut, deren Bediensoftware die Definition von Farbklassen über Schwellwerte erlaubt. Auch komplexere Bildauswerteverfahren sind programmierbar. Mithilfe einer breiten Palette von farbigen Test-Verschlusskappen wurden die gewünschten Farbkategorien vordefiniert, d.h. das gesamte Farbspektrum in die fünf Soll-Kategorien rot, grün, blau, weiß und transparent unterteilt.

Ergebnisse

In HAP 1 wurde nach umfangreichen Versuchen die kontinuierliche Vereinzelung mittels konventioneller Fördertechnik der robotergestützten vorgezogen. Es konnte ein Verfahren gefunden werden, das trotz großer Variation in Größe, Gewicht und Form der Verschlusskappen verlässlich funktioniert und ausschließlich auf bewährte Fördertechnik zurückgreift. Somit ist ein wartungsarmer und stabiler Betrieb erwartbar. Der geringe Platzbedarf der Lösung ermöglicht eine einfache Parallelisierung für beliebige Durchsatzanforderungen, und das kontinuierliche Arbeitsprinzip vereinfacht die Skalierung zu schnelleren Bandgeschwindigkeiten und somit höheren Durchsätzen. Dieses Verfahren wurde bei Polysecure in der Versuchsanlage implementiert und validiert.

In HAP 2 wurde auf Basis der gemessenen Reflexions- und Fluoreszenzspektren eine Abschätzung der benötigten Tracerkonzentrationen angestellt. Im späteren Betriebsablauf können für jeden neuen Artikeltyp anhand der optischen Materialparameter Vorhersagen über die korrekte Tracerdosierung getroffen werden. Somit sind umfangreiche Markierungs-Testreihen im Vorfeld nicht erforderlich, lediglich eine Feinjustage der Tracerdosierung ist zu empfehlen, die jedoch im laufenden Betrieb erfolgen kann. Es wurden bestimmte Farbpigmente identifiziert, die bei einzelnen Tracerwellenlängen besonders hohe Absorption aufweisen und somit besonders hohe Tracerkonzentrationen erforderlich machen. Um dieses Problem zu reduzieren, wurde ein optimiertes Tracerkonzept vorgeschlagen, bei dem durch die gleichzeitige Auswertung von zwei Linien eine starke Absorption bei einer davon kompensiert werden kann.

Die Verwendung von Testplättchen für diese Messungen statt – wie ursprünglich geplant – von Originalartikeln erlaubte eine schnellere und einfachere Bemusterung, da die Testplättchen in kleinen Chargen direkt bei Polysecure hergestellt werden konnten und nicht auf freie Kapazitäten in der Produktion bei Menshen Rücksicht genommen werden musste. Die vorgesehene Herstellungskampagne von markierten Musterartikeln wurde als zweiter Schritt unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse trotzdem geplant, konnte aber schließlich wegen Kapazitätsengpässen nicht mehr innerhalb der Projektlaufzeit durchgeführt werden.

Mit der Integration von Vereinzelung, Tracerdetektion, Farbmessung und gesteuerter Ablage anhand der gemessenen Informationen konnte der gesamte für Menshen vorgesehene Sortierprozess im Technikumsmaßstab demonstriert werden. Eine Hochskalierung ist problemlos möglich.

Die gesetzten Projektziele konnten somit fast vollständig erreicht werden. Lediglich die Validierung der Tracerkonzentrations-Berechnung an realen Artikeln und der optional geplante Test einer Beimischung von Tracern in die üblicherweise verwendeten Farbbatche direkt beim Hersteller wurden nicht mehr durchgeführt. Für eine betriebswirtschaftliche Bewertung der Sortiertechnologie ist beides jedoch nicht zwingend erforderlich. Das Projekt konnte im Rahmen des geplanten und bewilligten Budgets bearbeitet werden. Aufgrund der entfallenen Verschlusskappen-Herstellungskampagne fiel der finanzielle Aufwand bei Menshen sogar geringer aus als geplant.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Versuchsanlage befindet sich im Technikum bei Polysecure und wird regelmäßig für Vorführungen für externe Besucher, Geschäftspartner und Kunden genutzt. Die Möglichkeit, das SORT4CIRCLE®-Prinzip an einem Beispiel realer Artikel in einer Sortiermaschine zu demonstrieren, ist ein nicht zu unterschätzender Mehrwert. Im Januar 2023 wurde die Anlage im Rahmen eines Stakeholder-Workshops Besuchern aus Wirtschaft und Verbänden präsentiert. Außerdem ist die Versuchsanlage in eine Videoproduktion von Polysecure und mehrere Dokumente zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit eingegangen.

Im Falle einer Beauftragung der geplanten Pilot-Sortieranlage durch Menshen wird diese Anlage als Referenz für die erste industrielle Anwendung des SORT4CIRCLE-Prinzips dienen und für Vorführungen am Standort Finnentrop zur Verfügung stehen können. Von der Demonstration einer Anlage im Industriemaßstab erwarten wir weitere Impulse und einen Schub für die Verbreitung der Technologie in weiteren Märkten, insbesondere im Bereich der Sortierung von Verpackungsmüll aus den Dualen Systemen.

Unabhängig davon entwickelt Polysecure derzeit in Kooperation mit ZEISS eine SORT4CIRCLE®-Sortieranlage im Technikumsmaßstab für Verpackungsabfälle. Die Vereinzelung und Sortierung dieses noch weit heterogeneren Materialstroms ist eine Herausforderung, in die auch die gesammelten Erfahrungen bei der Vereinzelung und Sortierung von Verschlusskappen einfließen und weiterverwendet werden.

SORT4CIRCLE Intro Video

Fazit

Ziel des Förderprojekts war es, eine Grundlage für die betriebswirtschaftliche Entscheidung zu legen, die SORT4CIRCLE®-Technologie für das In-House-Recycling von Produktionsausschuss einzusetzen. Hierfür wurden technische und wirtschaftliche Risikofaktoren untersucht und ausgeräumt oder besser einschätzbar gemacht. Somit konnte das Ziel erreicht und die Basis für weitere Schritte zur Umsetzung gelegt werden.

In wissenschaftlich-technischer Hinsicht hat das Projekt viele Fortschritte, Erkenntnisse und neue Ideen hervorgebracht, die die Weiterentwicklung der Technologie bei Polysecure voranbringen.

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Übersicht

Fördersumme

123.190,00 €

Förderzeitraum

01.11.2021 - 31.10.2022

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter