ECO-Shoring: Effektive ökologische Umweltentlastung durch Nearshoring, Made-to-Measure- und On-Demand Produktion in regionalen Netzwerken
Projektdurchführung
Assyst GmbH
Max-Planck-Str. 3
85609 Aschheim
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die globale Modeindustrie verursachte im Jahr 2018 rund 2,1 Milliarden Tonnen Treibhausgasemissionen. Dies entspricht rund 4% der weltweiten und den THG-Emissionen aus Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich zusammen. 82% davon entfallen auf Bekleidung. Ohne weitere zukünftige Maßnahmen steigt die Treibhausgasemission der Modeindustrie bis 2030 auf voraussichtlich 2,7 Milliarden Tonnen jährlich. Zur Erreichung der angestrebten Klimaerwärmung von maximal 1,5 Grad sind die THG-Emissionen bis 2030 auf maximal 1,1 Milliarden Tonnen zu reduzieren, also in etwa 50% der heutigen Emissionen.
Dazu ist ein radikales Umdenken von Fast Fashion hin zu nachhaltiger Produktion in der Bekleidungsbranche notwendig: Virtualisierung und digitale Abmusterung, On-Demand Technologien, die Nearshoring ermöglichen, sowie der direkte Einbezug des Konsumenten in die Wertschöpfungskette sind die drängenden Herausforderungen für eine nachhaltige Bekleidungsindustrie durch die Rückverlagerung der Produktion.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAn dem oben geschilderten Potenzial zur Reduktion der Umweltbelastung setzt das vorliegende Projekt ECOShoring an. Ziel von ECO-Shoring ist eine effektive ökologische Umweltentlastung durch Nearshoring, Madeto-Measure und Musterteilefertigung in regionalen Produktions-Netzwerken. Zu diesem Zweck wurden die folgenden nachhaltigkeitsorientierten Kernziele untersucht und umgesetzt, wobei die effektive Verringerung des Ressourcenverbrauchs im Vordergrund stand.
Die DITF beschäftigten sich mit der Ökobilanzierung und Quantifizierung der Umweltentlastung im Gesamtprozess des Nearshorings und der On-Demand-Produktion durch Reduktion von Bekleidungsmüll, Material, Energie und Produktionsressourcen in regional vernetzten Wertschöpfungsketten. Hierfür wurden MFCA-Modelle für die Bekleidungsproduktionsstufen inkl. Faser-Recycling entwickelt und parametrisiert. Anhand der MFCA-Modelle der Gesamtproduktion wurden Szenarien von regionaler Produktion und FastFashion gegenübergestellt.
Assyst entwickelte neue, digital integrierte und durchgängige Produktentwicklungsprozesse für Made-toMeasure im On-Demand-Business vom Endkunden bis zur Produktion. Die Arbeitsschritte hierzu umfassten den Ausbau der Basistechnologien für die 3D-Bekleidungssimulation und Visualisierung für 3D On-DemandAnwendungen, die servicebasierte Automatisierung einzelner hierfür erforderlichen Softwarekomponenten sowie deren Anwendung und Validierung für eine Auswahl von MtM-Beispielprodukten.
Für den Ergebnistransfer in die Industrie wurde eine Integration der digitalen Prozess-Komponenten für Ökobilanzierung und MtM-Produktentwicklung in eine Demonstrator-Plattform realisiert. Diese erlaubt die Erforschung möglicher Szenarien und Technologien für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Rückverlagerung.
Ergebnisse und Diskussion
Die Schwerpunkte des Projektes lagen auf einer ökologischen Entlastung durch nachhaltige Produktionsmethoden im Nearshoring und der Entwicklung von Technologien zur Realisierung von kundenindividuellen Produkten. Dies beinhaltete die umfassende Ökobilanzierung von Bekleidungsproduktionsstufen zur Quantifizierung der Umweltentlastung von On-Demand- und Nearshoring-Ansätzen. Des Weiteren wurde ein Web-basiertes MtM-Framework inkl. Variantenmanagement entwickelt, das eine voll automatisierte Schnittanpassung, Simulation und Visualisierung von individualisierten Produkten anhand von Kunden-Körpermaßen und Avataren erlaubt. Für die MtM-Anpassung wurde ein Service und eine WebSchnittstelle zur Erzeugung von Körpermaß- und verschlüsselten Avatar-Daten geschaffen und ein Front-end für die Kundeninteraktion implementiert.
Im Projekt wurden verschiedene Produktionsszenarien von ECO-Shoring und On-Demand-Produktion im Vergleich zur Fast-Fashion analysiert, um deren Umweltpotenzial zu bewerten und Impulse zur Kreislaufwirtschaft zu geben. Es wurden vorkonfigurierte MFCA-Modelle für alle relevanten Produktionsschritte entwickelt, mit denen spezifische Produkte hinsichtlich Strommix, Nutzeffekten und Abfallanteilen detailliert bewertet werden können. Recyclingfasern, insbesondere in der Spinnerei, spielen eine zentrale Rolle, weisen aber teils erhebliche Varianzen in den CO2-Werten auf. Das Modell zeigt Einsparpotenziale von bis zu 98 % im Vergleich zu Fast-Fashion, vor allem durch kürzere Transportwege und höhere Tragezyklen. Bei 10 % ECOShoring-Produktion für den deutschen Markt könnten jährlich 2,1 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Trotz höherer Lohn- und Energiekosten in Europa bieten ECO-Shoring-Strategien durch geringere Überhänge, reduzierte Abfallraten und kürzere Transportwege sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile. Die entwickelten MFCA-Modelle unterstützen zudem die finanzielle Planung von Produktionsprozessen.
Die beiden Schwerpunktthemen Ökobilanzierung und Made-to-Measure-Produktanpassung wurden in Demonstratoren überführt und erlauben den Transfer der Themen in die Industrie. Hierbei werden Anreize zur Produktifizierung der erarbeiteten Lösungen gegeben und Potenziale zur Lösung firmenspezifischer Problemstellungen erschlossen. Gleichzeitig wird die Demonstratorumgebung der DITF für Workshops und Veranstaltungen genutzt.
Als größte Herausforderungen für die erfolgreiche Integration der Ökobilanzierung stellt sich die Komplexität der Prozess- und Lieferketten dar. Die Datenbeschaffung und -kommunikation in den international angelegten Strukturen gestaltet sich oft wegen mangelnder Standardisierung und Digitalisierung als sehr aufwändig. Die Rückbesinnung auf regionale Produktionsstrukturen und Fokussierung auf digital durchgängige Prozesse sind wesentliche Faktoren zur Lösung dieser Probleme.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das Projekt, seine Ziele und Angebote wurden bei vielen Gelegenheiten dem Fachpublikum und der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Hierfür wurden Fachvorträge, Laborführungen und Workshops vom Projektteam organisiert und durchgeführt. Zusätzlich zu den Projekt-Präsentationen wurde während der gesamten Projektlaufzeit mehrfach über Pressemeldungen und Social-Media auf das Projekt ECO-Shoring hingewiesen.
Zum Projektende wurde das Projekt über 11 Tage auf der Drupa 2024 in Düsseldorf im Rahmen des "Touchpoint Textile" präsentiert. Durch Vorträge, Live-Vorführungen und Führungen wurde das Publikum über das Made-to-Measure-Framework zur On-Demand-Produktentwicklung und die Ökobilanzierung der Produktionsprozesse informiert. Auf dem Assyst-Stand wurde das Made-to-Measure-Framework live demonstriert, während in der Digital Textile Micro Factory eine On-Demand-Produktion individualisierter Produkte gezeigt wurde. Am Beispiel der Produktion eines DBU-Shirts wurden die Vorteile des ECO-Shoring-Ansatzes aufgezeigt.
Fazit
Die Projektziele, die Entwicklung von umweltfreundlichen und digital integrierten Produktionsprozessen für Nearshoring und On-Demand-Fertigung vom Kunden bis zur Produktion, sowie deren Ökobilanzierung und Quantifizierung, wurden erreicht.
Die Ergebnisse zeigen, dass durch die Anwendung von ECO-Shoring-Strategien der CO2-Fußabdruck von Bekleidung um bis zu 98 % gesenkt werden kann, insbesondere durch den Einsatz von Ökostrom, die Reduzierung von Überproduktion und die Verlängerung der Nutzungsdauer von Kleidung. Die entwickelten Modelle zur Bewertung von Produktions- und Recyclingprozessen ermöglichen eine detaillierte Analyse, um ökologische und ökonomische Optimierungen vorzunehmen. Für den Transfer der Projektergebnisse in die Industrie stehen die beiden Demonstratoren, Ökobilanzierung und Made-to-Measure Produktentwicklung, zur Verfügung. Die Integration der entwickelten Technologien und Modelle in die Praxis der Mode-Industrie ist der Schlüssel zur Umweltentlastung mittels ECO-Shoring-Strategien.
Fördersumme
476.189,00 €
Förderzeitraum
24.03.2022 - 24.06.2024
Bundesland
Bayern
Schlagwörter