Die erste globale Studie über den weltweiten Rückgang von Insekten - basierend auf 73 Studien aus den USA und Europa - kommt zu dem Schluss, dass 40 % der Insektenarten bedroht sind. Der dramatische Rückgang der Insekten wird vor allem auf die Ausweitung der intensiven Landwirtschaft und den Klimawandel zurückgeführt. Auch der IPBES-Bericht 2019 identifiziert die intensive Landwirtschaft als Hauptursache für den Verlust an Biodiversität und Insekten. Gegenwärtig hat die Bodendegradation die Produktivität auf 23 % der weltweiten Landfläche verringert, und zwischen 235 Milliarden und 577 Milliarden Dollar jährlicher weltweiter Ernteerträge sind durch den Verlust von Bestäubern gefährdet.
Alle EU-Mitgliedsstaaten verzeichnen einen massiven Rückgang von Insekten. In Deutschland beträgt der Biomasseverlust bei Insekten bis zu 76,7 % (Vegetationsperiode April bis Oktober). 90 % der Untersuchungsgebiete haben eine intensive Landwirtschaft in der Umgebung und sind damit typisch für Schutzgebiete in Deutschland.
Der Rückgang der Insektenpopulationen ist ein globales Phänomen, das laut Fachliteratur vor allem durch vier Ursachenkomplexe ausgelöst wird:
• Veränderungen der Lebensräume
• Fragmentierung der Lebensräume
• Zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft
• Umweltbelastungen durch Stoffeinträge wie Pflanzenschutzmittel oder Düngemittel.
Der Insektenschwund hat negative Folgen. Neben einer zunehmenden allgemeinen Artenarmut und einem Rückgang an Biodiversität kommt es v.a. zu einem Rückgang der Bestäubungsleistung. In Deutschland sind ~ 80 % der heimischen Wild- und Kulturpflanzen auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen.
Zum anderen sind Insekten wichtige Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Vögeln, Fledermäusen, anderen Kleinsäugern und Amphibien. Die Populationsentwicklung vieler Vogelarten hängt direkt vom Vorkommen geeigneter Nahrungsinsekten ab. Insekten leisten als Gegenspieler von Schädlingen in landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Kulturen wichtige Beiträge im System des integrierten Pflanzenschutzes. Insekten übernehmen damit zentrale Ökosystem-Dienstleistungen und sind für das Funktionieren der Ökosysteme unverzichtbar.
Die Studien über Insektenverluste und die damit verbundenen Bedrohungen haben viele Landwirt*innen und Lebensmittelunternehmen in Deutschland und Europa alarmiert. Immer mehr Unternehmen initiieren Bestäuber-Initiativen und immer mehr Landwirt*innen sind bereit, sich daran zu beteiligen.
Es besteht jedoch nach wie vor ein massives Defizit bzgl. des Know-hows der Landwirtschaft und Lebensmittelfirmen insbesondere in Bezug auf Insekten sowie der flächendeckenden Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Es ist dringend erforderlich, dass die Lebensbedingungen für Insekten und die biologische Vielfalt in Deutschland verbessert werden, um dem Insektenschwund entgegenzuwirken.
Das Projekt unterstützt den Schutz der Biodiversität und speziell der Insekten auf der regionalen Ebene. Der Anspruch besteht darin, nicht nur gängige Maßnahmen zur Förderung von bestäubenden Insekten in der Landwirtschaft zu propagieren, sondern zusätzlich die ökologische Wirksamkeit und Praktikabilität von weitergehenden Anbaupraktiken zu testen. Kleine ökologische Trittsteine in der Flur und ökologisch vorteilhafte Streifen mit Blühaspekten sind wichtig. Für eine dauerhaft wirksame Förderung von Insekten und der Biodiversität insgesamt auf landwirtschaftlichen Flächen braucht es jedoch eine deutlich stärkere Flächenwirkung als bisher. Dazu müssen die Anbauflächen nicht nur mit Streifen am Rand flankiert, sondern insgesamt insekten- und biodiversitätsfreundlicher bewirtschaftet werden. Mit dem Konzept der insektenfördernden Regionen können Landwirtschaft und Lebensmittelbranche zu einer Trendwende beim Insektenschwund beitragen.
Mit der „Insektenfördernden Region Nördlicher Oberrhein“ werden folgende umweltrelevante Ziele verfolgt:
Verbesserung der Qualität und Quantität der Insektenförderung:
• Mehr ökologisches Potenzial: Schaffung von neuen Lebensräumen für Insekten
• Mehr ökologische Qualität: Verbesserung der Qualität bestehender Lebensräume
• Weniger stoffliche Belastungen: Verringerung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmittel
• Mehr Innovation: bislang wenig verbreitete Maßnahmen testen und verbreiten
Erhöhung der Flächenwirkung insektenfördernder Maßnahmen:
• Erhöhung des Flächenanteils von insektenfördernden Maßnahmen in der Landwirtschaft
• Erhöhung des Flächenanteils von insektenfördernden Maßnahmen bei weiteren Flächennutzungen (Forst, kommunal, gewerblich, privat)
Regionale Allianz für Insektenförderung schaffen:
• Insektenförderung auf eine breite gesellschaftliche Basis stellen
• Möglichst viele Landnutzungsakteure für dauerhafte Insektenförderung gewinnen
Insektenschutz marktorientiert in Wert setzen:
• Umsetzung von Vermarktungskonzepten für insektenfördernde Produkte
•Sensibilisierung der Verbraucher*innen durch attraktive Kommunikation seitens der der Lebensmittelbranche.
A – Erarbeitung eines Biodiversity Action Plan (BAP) auf der regionalen Ebene
Der BAP auf der regionalen Ebene wird auf der Grundlage von zur Verfügung stehenden Informationen und Daten erstellt.
Im Rahmen des regionalen BAP werden in der IFR landwirtschaftliche Schwerpunktmaßnahmen für unter-schiedliche Betriebstypen entwickelt. Dazu zählen sowohl sogenannte in-crop-Maßnahmen wie auch ökolo¬gische Strukturmaßnahmen. Konkrete Angaben zu den Maßnahmen sind erst dann möglich, wenn der regionale BAP mit der regionalen AG abgestimmt ist.
Zeitplan und erwartete Ergebnisse: BAP für die insektenfördernde Region Nördlicher Oberrhein im Oktober 2021. Die regionale Arbeitsgruppe trifft sich jeweils halbjährlich.
B – Umsetzung des regionalen Biodiversity Action Plan (BAP) durch Implementierung von Maßnahmen auf der betrieblichen /lokalen Ebene
Anwendung des Biodiversity Performance Tool (BPT) auf 10 für die Region typischen Demonstrations-Betrieben. Erstellen und Umsetzen von BAPs auf Betriebsebene.
Zeitplan und erwartete Ergebnisse: 10 Demonstrations-Betriebe wenden das BPT an und setzten BAPs mit innovativen Maßnahmen um. Sie dokumentieren die Maßnahmen, tragen Informationen zum Monitoring bei und sind involviert in das Trainingsprogramm für Landwirte in der Region (Oktober 2021 – Sept. 2024). 50 weitere landwirtschaftliche Betriebe, Kommunen und weitere Landnutzer haben einen BAP erarbeitet und die Umsetzung gestartet (Oktober 2022 – Dez. 2024).
C – Biodiversity Monitoring System für IFR
Das Ziel, ein Monitoring für die Region zu implementieren, kann nur mit einem Monitoringsystem gelingen, dass die Entwicklung der Potentiale für mehr Biodiversität in den Fokus nimmt. Das im Rahmen des DBU und LIFE Projekts „Food & Biodiversity“ entwickelte Biodiversity Monitoring System (BMS) für das Monitoring der Potentiale für Biodiversität wird ergänzt durch spezifische Kennzahlen und Indikatoren für Insekten. Außerdem wird ein „Level 2 Monitoring“ ergänzt, d.h. das Monitoring von Schlüsselarten (v.a. Wildbienen oder Tagfalter), die Hinweise geben auf den Zustand bestimmter Ökosysteme.
Zeitplan: Anpassung des Monitoringsystems (Indikatoren für Insekten): Sept. – Dezember 2021. Eingabe von Daten der Betriebe in der IFR: Ab Januar 2022 – fortlaufend. Ergänzung der Datenbank durch Level 2 Monitoring: März – Juni 2022. Drei Monitoringberichte: Herbst 2022. Herbst 2023 (Interrim-Report) und August 2024 (Finaler Report inklusive Entwicklung der Indikatorenart).
D - Training für Landwirte und landwirtschaftliche Berater in der IFR
D.1 Verbesserung der Insekten- und Biodiversitätskompetenz in der Landwirtschaft in der IFR
Zielgruppen sind Landwirte und landwirtschaftliche Berater. Schulungsmaterial und Schulungsmodule werden unter Einbeziehung der Projektpartner ausgearbeitet.
Zeitplan und erwartete Ergebnisse: Sept. 2021 – Juni 2023: sechs Veranstaltungen mit jeweils ~30 Teilneh¬menden = ca. 180 Teilnehmende gesamt. Gedruckte und elektronische Versionen des Schulungsmaterials bis Dezember 2021.
D.2 Verbesserung der Insekten- und Biodiversitätskompetenz in der Lebensmittelbranche
Auch in der Lebensmittelbranche soll die Insekten- und Biodiversitätskompetenz verbessert werden. Nur wenn Einkäufer, Produkt- und Qualitätsmanager von Lebensmittelunternehmen verstehen, dass intakte Biodiversität Teil der Produktqualität ist, werden verantwortungsvoll produzierte Produkte ihren Weg in den Markt finden.
Zeitplan und erwartete Ergebnisse: Ergänzung der Module und Übersetzung ins Englische bis Februar 2022. Verbreitung der Module im weiteren Projektverlauf mit dem Ziel: Mindestens 100 Manager werden zu den Themen Biodiversität und Insektenschutz geschult. Mindestens 10 Unternehmen werden die Module in ihre eigenen Programme integrieren.
D.3 Verbreitung der erarbeiteten Schulungsmodule und Materialien
Zeitplan und erwartete Ergebnisse: ab Februar 2022 fortlaufend mit dem Ziel, dass ca. 100 Organisationen/ Multiplikatoren des Lebensmittelsektors informiert sind und ca. 50 % zur Verbreitung von Material und Modulen beitragen.
E - Participatory Monitoring (Citizen Science Tool)
Auswahl und Implementierung eines Citizen Science Tools zur Beteiligung von interessierten Laien am Insekten-Monitoring in der IFR. Ziel ist die Anpassung und Implementierung eines bereits bestehenden nutzerfreundlichen Citizen Science Instrument, um Bürger*innen und andere Interessengruppen in das Monitoring der Artenvielfalt – speziell Insekten - einzubinden.
Zeitplan und erwartete Ergebnisse: Analyse bereits genutzter Citizen Science Instrumente in Deutschland und Auswahl geeigneter Tools (Mai 2022); Handbuch zur Nutzung und Schulungen (ab Juni 2022 bis Juni 2024); regelmäßige Auswertung der Ergebnisse (ab Juni 2022).
Maßnahmen mit Wirkungen über die IFR Nördlicher Oberrhein hinaus
F - Erarbeitung eines “Blue Print” für ein EU Agri-Environmental Programme (Agrar-Umweltprogramm) zur Unterstützung der Implementierung von IFR