Die industrielle Lebensmittelproduktion ist geprägt von hohem Ressourceneinsatz (Energie, Wasser, Reinigungsmittel) für die Verarbeitung der Lebensmittel und das anschließende Reinigen der Produktionsanlagen. Aufgrund des starken Automatisierungsgrades und hohen vorgesehenen Sicherheiten beim Ressourceneinsatz für die hygienische Durchführung der Reinigungsprozesse ist das Einsparpotential entsprechend groß. Ein steigender Kostendruck sowie insbesondere das mittlerweile omnipräsente Bewusstsein für die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks vom Landwirt über die Verarbeitung bis zum Verbraucher führen zu einer großen Motivation, diese Potentiale zu nutzen.
Eckpunkte dabei sind:
• Fouling, d.h. die ungewollte Ablagerung auf Oberflächen, tritt in nahezu allen stoffverarbeitenden Produktionsprozessen auf. Die dabei entstehenden Kosten werden auf 0,25 bis 0,3 % des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) geschätzt, d.h. alleine für Deutschland ein Betrag im oberen einstelligen Milliarden € Bereich.
• Lebensmittel enthalten aufgrund ihrer größtenteils organischen Zusammensetzung viele Inhaltsstoffe, wie Proteine, Stärken, Fette, etc., die besonders stark zur Ablagerung und Haftung auf den Oberflächen der Produktionsanlagen neigen.
• Kritisch ist hier u. a. der Aspekt der Lebensmittelsicherheit. Wenn z.B. durch Fouling der Wärmeübergang reduziert wird, können kritische Zieltemperaturen beim Pasteurisieren nicht mehr erreicht und berechnete Mindesthaltbarkeitsdaten nicht garantiert werden. Des Weiteren sind die meist organischen Ablagerungen eine Nahrungsquelle und damit bevorzugte Siedlungsorte für Mikroorganismen, von denen das Produkt aus dem Prozess heraus kontaminiert werden kann.
• Gegenmaßnahmen im Produktionsprozess erfordern einen erhöhten Einsatz von Primär- und elektrischer Energie zum Gewährleisten des Temperaturniveaus bzw. des Förderstroms (Pumpleistung), was zu einer geschätzten Erhöhung der CO2-Emissionen durch Fouling im Bereich von 2,5 % des Gesamt-CO2-Ausstoßes führt. Auch ist häufig eine Überdimensionierung der Apparate notwendig, was sich im Herstellungsprozess ökobilanziell negativ widerspiegelt.
• Kann das Fouling nicht verhindert werden, erfordert dies zeitintensive und vom Ressourcen- und Energieeinsatz kostenintensive Reinigungsprozesse, deren Validierung eine weitere Herausforderung darstellt. Es wird daher in fast allen Anwendungsfällen „lieber zu lange, zu heiß, zu intensiv“ gereinigt. Neben dem großen Einsatz von Laugen, phosphat- und chlorhaltigen Säuren, Tensiden sowie enzymbasierten Reinigungsmitteln spielt die Ressource Trinkwasser eine wichtige Rolle. So wird z.B. für die Verarbeitung von einem Liter Milch ca. eineinhalb Liter Wasser benötigt.
Daher ist eine zuverlässige Foulingdetektion und -prädiktion schon im Produktionsschritt die Voraussetzung für eine bedarfsgerechte, ganzheitliche, energie- und ressourcenschonende Produktions- sowie Reinigungsstrategie und damit das Hauptziel dieses Projektes. Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 55 % als Klimaschutzziels 2030 der Bundesregierung kann dabei nur durch die flächendeckende Einbindung von Zukunftstechnologien erreicht werden. Dabei kommt an Themen wie „Automatisierung“, „Digitalisierung“ und „Internet der Dinge“ niemand mehr vorbei.
Übergeordnetes Ziel ist der Aufbau eines autarken Gesamtsystems zur Prädiktion des Foulingverhaltens in der Lebensmittelproduktion. Dazu wird eine Kombination aus markterhältlichen Clamp-On-Sensoren zur Prozessüberwachung, einer Datenerfassung über ein IoT-System sowie einer Software zur Datenaufbereitung und Auswertung mit KI-Anteil geschaffen. Am Ende soll der Demonstrator mit geringem Aufwand als Gesamtgerät mit Hard- und Software in neue Anlagen integrierbar sein.
Ziel ist darüber hinaus die Bereitstellung einer ganzheitlichen Methodik zur Prädiktion des Foulingverhaltens von kritischen Anlagenkomponenten in der Lebensmittelproduktion. Dafür sollen bisherige Erfahrungen in diesem Bereich und große, in der Praxis erfasste Datenmengen genutzt werden. Aus diesen Daten werden mit Methoden der Künstlichen Intelligenz bzw. des Maschinellen Lernens Modelle entwickelt, das Fouling zuverlässig und frühzeitig detektieren können.
Die notwendige Datenbasis wird sowohl aus bereits vorhandenen Messdaten industrieller Prozesse sowie aus neuen, im Projekt zu entwickelnden, autarken Messsystem generiert. Dieses Messsystem wird als Internet of Things (IoT)-Gerät einfach dezentral unter Verwendung von Clamp-On Sensoren eingesetzt und kostengünstig herzustellen sein, was eine breite Akzeptanz bei den Anwendern aus der Industrie gewährleistet. Dieser Ansatz der autarken, dezentralen Erfassung von Prozessdaten in Anlagen im Bestand (sog. „Brown Field“) kann durch Unternehmen der Prozessindustrie in neue Produktionsanlagen direkt integriert werden, um eine direkte Einbindung in das jeweils verwendete Produktionsleitsystem zu gewährleisten. Hierzu würden in neuen Produktionsanlagen anstelle der Clamp-On Sensoren fest integrierte Messgeräte verwendet werden.
Mit der im Projekt erarbeiteten Methodik zur Überwachung von zu Fouling neigenden Prozessen wird es möglich sein, diese Produktionsprozesse effizienter zu betreiben sowie neue und besser angepasste Reinigungsstrategien zu entwickeln und somit langfristig die Lebensmittelsicherheit bei gleichzeitiger Ressourceneinsparung zu erhöhen.
Grundsätzlich innovativ ist die Anwendung der Methoden der Künstlichen Intelligenz auf energie- und ressourcenintensive Prozesse in der Lebensmittelindustrie in Verknüpfung mit nicht-invasiven Clamp-On Sensoren. Die Methodik wird problemlos auf andere industrielle Bereiche übertragbar sein.